Hamburg. Das Start-up Granny Angels hilft Eltern bei der Kinderbetreuung. Eigene Erfahrung brachte die Gründerin auf die Idee. Was das kostet.

„Endlich, meine Omi ist da“: So begrüßt die sechsjährige Emilie die Seniorin Christel, als diese sie von der Kita abholt. Die beiden kennen sich gut, Christel passt regelmäßig auf das Mädchen auf. Miteinander verwandt sind sie allerdings nicht – ein junges Start-up hat sie zusammengebracht. Und nicht nur sie.

Granny Angels möchte mit sogenannten Leihomis und auch ein paar Leihopis Kinderbetreuung neu denken. Seit diesem Jahr bieten sie ihre Dienste neben ihrem Kerngebiet Düsseldorf auch in Hamburg, Berlin und Köln an. Das unkonventionelle Betreuungsangebot verspricht eine Alternative, die gleichermaßen liebevoll, zuverlässig und hochwertig ist.

Damit will das Unternehmen nicht nur dringend benötigte Betreuungsmöglichkeiten für Kinder schaffen, es sollen auch auf liebevolle Weise Generationen miteinander verbunden werden. Laut Gründerin Jana Schandua trage das positiv zum wechselseitigen Verständnis bei.

„Granny Angels“: Leihomas springen ein, wenn Kita in Hamburg ausfällt

Das Start-up ist maßgeblich durch die persönliche Erfahrung der Gründerin geprägt. Jana Schandua beschreibt, wie sie während ihrer Elternzeit dringend jemanden suchte, der sie bei der Betreuung ihres Sohnes gelegentlich entlasten konnte. Von sich aus habe sie da gar nicht an eine Seniorin gedacht, erzählt Schandua.

Über ihre Fitnesstrainerin entstand dann aber der Kontakt zur Rentnerin Lilo, die bereits in der Vergangenheit Kinder großgezogen hatte. Nach einem Treffen war schnell klar, dass die Chemie stimmte. Von da an passte Lilo zweimal wöchentlich auf Schanduas Sohn auf.

Das Problem der Kinderbetreuung war gelöst, und diese Lösung funktionierte so gut, dass die Babysitterin von Schanduas zweitem Sohn ebenfalls eine Rentnerin war. „Das war der Knaller. Die waren zuverlässig, haben den Kindern etwas beigebracht, waren souverän und liebevoll und konnten sogar vormittags einspringen, wenn die Kita ausfiel“, schwärmt Schandua.

„Granny Angels“: Lösung wurde zum Geschäftsmodell

Von gängigen Vermittlungsportalen frustriert und begeistert von ihrer eigenen Lösung, entschied Schandua, Familien und Eltern in vergleichbaren Situationen zu helfen, und gründete Granny Angels. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruflichem für Mütter ist ihr dabei ein zentrales Anliegen. Sie sagt: „Ich möchte etwas verändern. Mütter sollen ihre Arbeitszeitenwünsche umsetzen und ihre Karriere verfolgen können. Das ist die Motivation, die uns antreibt.“ Das sei auch wichtig, weil Mütter eine Vorbildfunktion für ihre Kinder hätten.

Schandua hatte nicht geplant, irgendwann ein Unternehmen zu gründen – im Gegenteil. „Ich bin eigentlich ein Arbeiterkind. Das Unternehmertum wurde mir nicht in die Wiege gelegt“, sagt sie. Über einen Zeitraum von vier Monaten nahm Schandua an einem Programm teil, das Mütter beim Quereinstieg in die Gründerszene begleitet. Zwei Monate nach Ende des Programms meldete sie ihre GmbH an.

Mit zwei Grannys gestartet – heute sind es 35

Das war Ende 2021. Seitdem ist das Unternehmen gewachsen. Es startete mit zwei Grannys, heute sind es auf Deutschland verteilt knapp 35. Auch die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Stiftungen ist im Gespräch. Um Kunden wirbt Granny Angels mit Flyern in Arztpraxen, Kitas und Schulen. Das funktioniere deutlich besser als Online-Werbung. „Kinderbetreuung ist eben kein Spontankauf“, sagt die Geschäftsführerin.

Die Kontaktaufnahme zu den Rentnerinnen und Rentnern findet in der Regel über Anzeigen in Wochenblättern statt, so auch in Hamburg. Wer sich meldet, durchläuft eine intensive Kennenlernphase mit Schandua oder ihrer Hamburger Standortmanagerin Christina Homann. Erst dann startet die Vermittlung an eine Familie.

Die meisten Grannys kommen aus Pflegeberufen

„Jede Granny wird auf Herz und Nieren untersucht, sodass ich die Person guten Gewissens den Familien empfehlen kann“, sagt Schandua. „Wir würden niemals eine Granny engagieren, die wir uns nicht selbst für unsere Kinder vorstellen könnten.“ Das sei das zentrale Versprechen: gute, liebevolle, erfahrene Leihomis oder Leihopis.

Etwa 80 Prozent der Grannys haben Schandua zufolge vor ihrem Renteneintritt in Pflegeberufen gearbeitet. Für ihre Arbeit bei Granny Angels werden sie mit einer stündlichen Aufwandspauschale entlohnt, die über dem Mindestlohn liegt.

Außerdem finden regelmäßig Stammtische statt, bei denen sich die Grannys untereinander und mit der Geschäftsführung austauschen. „Die Grannys haben ultragute Ideen“, beschreibt Schandua die Treffen. Der enge Kontakt zu den Grannys ist auch Voraussetzung für den Erfolg des Start-ups.

Was die Betreuung die Familien kostet

Neben dem besonderen Angebot will sich das Start-up mit einem unkomplizierten Buchungsverfahren von anderen Anbietern absetzen. Man kann die Grannys entweder direkt über die Website buchen oder vorab ein kostenloses Kennenlernen vereinbaren.

Der stündliche Preis für die Betreuung beträgt 21,90 Euro, bei einer Mindestbuchungsdauer von zwei Stunden – die Anreise soll sich für die Grannys lohnen. Das Angebot von Granny Angels richtet sich explizit auch an Unternehmen, die als kinderfreundliche Firma ihre Attraktivität bei der Arbeitgeberwahl erhöhen wollen.

Ein Beispiel für eine gelungene Vermittlung sind Emilie und Christel. Für die beiden steht heute ein für sie typisches Nachmittagsprogramm an: Abholung von der Kita in Barmbek, anschließend besucht Emilie einen Selbstverteidigungskurs. Die beiden wirken wie ein eingespieltes Team, gehen vertraut und liebevoll miteinander um. Dass sie sich erst ein knappes halbes Jahr lang kennen, kann man sich schwer vorstellen.

Grannys tauschen sich bei einem Stammtisch aus

Christel war durch Zufall auf die Anzeige im Wochenblatt aufmerksam geworden und hatte sich bei Schandua gemeldet. Mittlerweile gefällt es ihr so gut, dass sie dabeibleibt. Sie babysittet aktuell in zwei Familien. „Es ist eine schöne Aufgabe. Es macht Spaß, und die Kinder hängen an mir“, erzählt sie. Aber auch den Austausch mit anderen Grannys beim regelmäßigen Stammtisch genießt sie. Man habe viel zu bereden, schließlich mache man ja ähnliche Erfahrungen.

Christels eigene Enkelkinder studieren mittlerweile. Das Problem, eine verlässliche Kinderbetreuung zu finden, kennt sie trotzdem nur zu gut. „Das war schon schwer, als ich meine Kinder hatte – vor etwa 50 Jahren.“

Emilie wirkt zufrieden. Christel muss das quirlige Mädchen immer wieder zur Vorsicht ermahnen. „Ich habe meine Omi vermisst!“, erklärt Emilie. Dass Christel nicht ihre leibliche Großmutter ist, interessiert sie nicht.

Kinderbetreuung: Granny Angels ist gemeinnützige GmbH

Seit April 2023 ist Granny Angels als gemeinnützige GmbH eingetragen. Bis dahin waren die Grannys als Minijobber angestellt, nun ist es ein entschädigtes Ehrenamt. Diese Änderung habe eine Menge Personalnebenkosten gespart, weshalb der Preis gesenkt werden konnte, so Schandua. Seitdem sei auch die Nachfrage durch die Familien spürbar gestiegen.

Einen Großteil der Ausgaben finanziert Schandua bisher von Ersparnissen und arbeitet weiterhin in ihrem Job bei einem Werbeunternehmen. Im letzten Monat hatte der Umsatz bei 2500 Euro gelegen, Monat für Monat werde es mehr. Schandua hofft darauf, bald größer zu werden und von den Einnahmen leben zu können. „Mein Traum ist es, dass es Granny Angels eines Tages in ganz Deutschland gibt.“