Hamburg. Man müsse besonders viel für die Familien tun – darin sind sich die Parteien einig. Aber wie das genau gelingt, das bleibt strittig.
Vielleicht sollte es ein Zeichen sein, dass die SPD-Fraktion das Thema „Familienstadt Hamburg: sozial, gerecht und aktiv“ für die erste Bürgerschaftssitzung nach der parlamentarischen Sommerpause angemeldet hatte. Ein Zeichen dafür, dass die Fraktion und damit Regierung auf die aktuellen Nöte und Sorgen ihrer Bürger eingeht. Dass sie merkt, was die, ja „ihre“ Stadt bewegt.
Neben Inflation, Klimaschutz und Energie ist es nämlich offenbar auch das Thema Kinderbetreuung, was viele Hamburgerinnen und Hamburger gerade umtreibt. Deutlich wurde dies zumindest am späten Dienstagnachmittag im Familienausschuss, der sehr gut besucht war. Mit über 50 Fragen zum Thema „Nutzung von Spielplätzen durch Kitas ohne Gebühr“ übergaben die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer ihre Einwände und Sorgen bezüglich einer neuen Fachanweisung an den Senat und die zuständige Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD).
Bürgerschaft Hamburg: Nur die SPD sieht Hamburg als Familienstadt
Doch was bedeutet eigentlich gute Familienpolitik? Und was genau ist denn „sozial, gerecht und aktiv“? Darüber scheinen sich die Fraktionen jedenfalls alles andere als einig zu sein und auch darüber, welche Maßnahmen es denn für eine „Familienstadt“ braucht. Denn das ist es, was alle wollen, und in diesem Punkt herrscht Einigkeit.
Für die SPD-Fraktion fängt gute Familienpolitik jedenfalls bereits in der Kita an. Und dass die Hamburger SPD es ernst meine, das zeige sich aus ihrer Sicht neben Maßnahmen wie Sprach-Kitas oder dem Kita-Plus-Programm für die alltagsintegrierte sprachliche Bildung, auch im Haushalt. „Wir sehen rund 1,2 Milliarden Euro für die frühe Bildung vor und sorgen somit für Teilhabe. Die wiederum sorgt für gerechte Bildungs- und Lebenschancen – unabhängig vom sozial-ökonomischen Status der Eltern“, sagte Uwe Lohmann, jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
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In Hamburg finde jeder, der einen Kitaplatz für sein Kind benötige, auch einen. „Das sind Bedingungen, von denen andere Bundesländer nur träumen können“, sagte der SPD-Politiker. Und um das zu bekräftigen und die „verlässliche Familienpolitik für die vielen unterschiedlichen und bunten Familien“, die Hamburg seit 2011 betreibe, zu loben, eilte auch Sozialsenatorin Schlotzhauer für einen Wortbeitrag von der Senatsbank an das Rednerpult im Plenum.
„Während Sie hier Vorschläge machen, wie die Kita-Landschaft verbessert werden könnte, haben wir die Themen, die die Kita-Leitungen beschäftigen, auf den Hacken genommen und gelöst“, sagte sie. Unter anderem mit über 60 Millionen Euro für Tarif- und Inflationsausgleich.
Die Grünen widersprachen dem zwar nicht, sehen aber noch deutliches Verbesserungspotenzial in der Ganztagsbetreuung an Grundschulen und auch, wie Klima und Umwelt noch familien- und kinderfreundlicher gestaltet werden könne. „Von richtiger Familienfreundlichkeit sind wir noch weit entfernt“, sagte die Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg. Hamburg sei zwar eine schöne, aber leider auch teure Stadt. Um familienfreundlicher zu werden, müsse die Stadt deshalb auch die vielen Familien in den Blick nehmen, die unter der finanziellen Belastung wie etwa dem teuren Wohnraum litten.
Linke: Hamburg noch weit von„Familienstadt“ entfernt
Auch die Linken-Fraktion sieht Hamburg noch weit vom Prädikat „Familienstadt“ entfernt. Neben dem durch den Bund vorgelegten Entwurf zur Kindergrundsicherung benötige man eine „solide Personalausstattung“ und einen Ausbau von niedrigschwelligen Angeboten in der offenen Kinder- und Jugendsozialarbeit sowie in der Familienförderung. Die 500.000 Euro an zusätzlichen Mitteln, die Hamburg jeweils für 2023 und 2024 für die Sanierung von Jugend- und Kindereinrichtungen bereitstelle, seien da lediglich „ein Tropfen auf dem heißen Stein“, wie Insa Tietjen, Fachsprecherin für Kinder und Kindertagesstätten, sagte.
Für die CDU-Fraktion zählt zu einer familienfreundlichen Stadt hingegen auch eine gute ärztliche Versorgung, die aktuell in Hamburg nicht gegeben sei. Dadurch, dass Kinder und Jugendliche aktuell mehrere Wochen bis Monate auf einen Termin beim Kinderarzt, Logopäden oder Ergotherapeuten warten müssen, versäume es die Stadt, den körperlichen sowie seelischen Problemen von Hamburgs Kindern Rechnung zu tragen. Zudem sei eine Sondernutzungserlaubnis für öffentliche Spielplätze, die aktuell von Kitas ohne eigene Außenfläche benötigt wird, „das Gegenteil von sozial und aktiv“, wie Silke Seif, familienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, sagte.
Bürgerschaft Hamburg: CDU fordert Ausweitung der kostenlosen Kita-Grundbetreuung
Zudem bedürfe es der Ausweitung der kostenlosen Grundbetreuung von fünf auf zehn Stunden in Kitas, was CDU-Fraktionschef Dennis Thering bereits vergangene Woche in einem Abendblatt-Interview forderte.
Anna von Treuenfels-Frowein, fraktionslose Abgeordnete für die FDP, sieht in der „aktiven, sozial-gerechten Stadt“ lediglich ein „rot-grünes Idealbild, das mit den Hamburger Realitäten wenig zu tun hat.“ Hamburgs Schüler litten unter überfüllten Schulen und mangelhafter Digitalisierung. Zudem führten fehlende Deutschkenntnisse von Kindern in Kitas und Grundschulen den Unterricht an die Grenze des Machbaren. Die FDP-Politikerin fordert deshalb, das sogenannte „Vorstellungsverfahren Viereinhalbjähriger“, das sprachliche, motorische, emotionale und soziale Kompetenzen von Kindern betrachtet, bereits bei Dreieinhalbjährigen anzuwenden, um mangelnde Sprachkenntnisse früher zu erkennen.
Die AfD hingegen kritisierte die grundsätzliche Definition der anderen Fraktionen vom Begriff „Familie“ und die darauf ausgerichteten Maßnahmen des Senats für eine familienfreundliche Stadt. Der familienpolitischen Sprecherin Olga Petersen zufolge bestehe eine Familie aus Mutter, Vater und Kind – dies werde von Links-Grün durch andere Leitbilder ersetzt. Darüber hinaus kritisierte Petersen – ähnlich wie die CDU –, dass Kitas ohne eigene Außenfläche für die Nutzung von öffentlichen Spielplätzen eine Gebühr zahlen müssen.