Hamburg. Die Erwärmung der Weltmeere führt zur Zunahme schwerer Stürme. Hapag-Lloyd setzt nun auf künstliche Intelligenz, um sich zu schützen.

Es war nur eine Meldung in den Hauptnachrichten, aber eine mit Folgen. Der US-Datenplattform Climate Reanalyzer der Universität Maine zufolge ist die Oberflächentemperatur der Weltmeere in den vergangenen Monaten so stark angestiegen wie noch nie. Am vergangenen Sonntag lag sie bei 21,1 Grad. Am selben Tag vor einem Jahr lag die durchschnittliche Temperatur noch bei 20,7 Grad, 1985 bei gar nur 19,9 Grad.

In den Schifffahrtskontoren weltweit dürfte diese Meldung für Unruhe sorgen. Denn für die Schifffahrt und den Warenhandel auf See bedeutet die Zunahme der Meerestemperatur eine wachsende Gefahr. Der Grund: Das sich erhitzende Wasser dehnt sich aus, der Meeresspiegel steigt und damit auch das Risiko schwerer Stürme, wie beispielsweise die US-Umweltschutzorganisation Ocean Conservancy warnt. Durch die zunehmende Wasserverdunstung gelangt nämlich mehr Energie in die Luft.

Klimawandel: Reedereien rüsten sich gegen Monsterwellen

„Die außergewöhnliche Erhitzung der Meere wird zunächst einmal dramatische Auswirkungen auf die Meeresökologie haben, von der wir ja auch abhängig sind. Sie ist aber auch eine Gefährdung der Wirtschaft, weil die Risiken für Havarien auf See wachsen“, sagt auch der Hamburger Vorsitzende und Schifffahrtsexperte des Naturschutzbunds, Malte Siegert. „Die Schifffahrt muss sich auf raueres Wetter und höhere Wellen einstellen. Auch auf die Zunahme von Monsterwellen.“

Die Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd hat reagiert. Sie hat zur Planung ihrer Seereisen nun Unterstützung einer Wetterrouting-Software eingekauft. Das norwegische Unternehmen StormGeo berät die Kapitäne der Hamburger Firma künftig bei der Festlegung ihrer Routen.

Intensität tropischer Wirbelstürme nimmt laut Hapag-Lloyd zu

Schlechtes Wetter könne schnell zu einer Bedrohung für Reisen und Ozeanüberquerungen werden und mache umsichtiges Handeln erforderlich, sagte ein Sprecher der Reederei. „Wenn eine Sturmwarnung eintrifft, muss ein Kapitän in Absprache mit unserer Operationszentrale entscheiden, ob man vom geplanten Kurs abweicht oder das Schiff sogar erst einmal im Hafen bleibt oder ankert, um den Sturm vorbeiziehen zu lassen.“ Das Wetter-Routing helfe den Kapitänen, die richtige Entscheidung zu treffen. „Zwar ist die Zahl der tropischen Wirbelstürme nach unserer Erfahrung nicht gewachsen, aber ihre Intensität hat deutlich zugenommen – und dieser Trend wird sich voraussichtlich fortsetzen“, so der Unternehmenssprecher.

Das Satellitenbild zeigt den Hurrikan
Das Satellitenbild zeigt den Hurrikan "Hilary" vor der Pazifikküste Mexikos in diesem Monat. Der Sturm der Kategorie vier von fünf ist nur einer von vielen, der die Schifffahrt vor massive Probleme gestellt hat. © dpa | Uncredited

Schon bei der Beladung im Hafen sei eine Wettervorhersage wichtig. So könne der Trimm- und Beladungsplan eines Schiffes angepasst werden, um dem Schiff mehr Stabilität auf dem Wasser zu verleihen, wenn sich die raue See ankündigt. Zur Präzisierung ihrer Wettervorhersagen setzt die Hamburger Reederei auch künstliche Intelligenz ein.

Auch Versicherungen beobachten Auswirkungen des Klimawandels auf Schifffahrt

Steige das Thermometer wegen des Klimawandels während der Fahrt, sei es auch wichtig, die Besatzung zu schützen. „Wo immer möglich, sorgen Klimaanlagen und Belüftung für angenehme Temperaturen. Das Sicherheitsmanagementsystem ist so ausgelegt, dass die Besatzung bei schlechtem Wetter so gut wie möglich geschützt ist“, heißt es bei Hapag-Lloyd.

„Zukünftig dürften land- und bordgestützten Entscheidungshilfen unter Berücksichtigung des Wetter- und Resonanzrisikos eine noch größere Bedeutung bei der Routenwahl beziehungsweise der sicheren Navigation auf See zukommen“, sagte Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Auch die Versicherungen rechnen nämlich mit einer Zunahme von Sturmschäden auf See. Trotz der voranschreitenden Erwärmung der Weltmeere sehe der GDV noch keine signifikante Zunahme von Schäden durch höhere Wellen oder gar Monsterwellen. „Die Versicherer beobachten die Folgen des Klimawandels aber genau, was auch die Auswirkungen der Erwärmung des Wassers betrifft. Es ist seit Längerem bekannt, dass wärmere Wassertemperaturen mehr Windbewegungen zur Folge haben, die schließlich zu mehr und höheren Wellen führen können“, so Käfer-Rohrbach.

Bis zu 30 Meter hohe Monsterwellen möglich

Einer der spektakulärsten Unfälle fand im Januar 2019 in der Nordsee statt: Der Containerfrachter „MSC Zoe“ fuhr bei rauer See und nordnordwestlichen Winden der Stärke acht bis zehn in Richtung Bremerhaven, als auf dem schwankenden Deck mehrere Containertürme in sich zusammenfielen und insgesamt 342 Stahl­boxen über Bord gingen und in den Küstengewässern vor Borkum versanken – 297 auf niederländischer und 45 auf deutscher Seite. Als das Schiff in Bremerhaven anlegte, bot sich ein chaotisches Bild von völlig durcheinandergewirbelten Containern an Deck.

Im Wasser treibende Container nach der Havarie der „MSC Zoe“.
Im Wasser treibende Container nach der Havarie der „MSC Zoe“. © picture alliance/dpa | Nlcg-Phcgn

Vor allem die Zunahme von Monsterwellen macht der Schifffahrt Sorgen. Eigentlich handelt es sich dabei nicht um eine Welle, sondern um eine Überlagerung mehrerer. Diese sind zwei- oder dreimal so hoch wie die Wellen in der Umgebung. Sie sind besonders steil und haben eine außergewöhnliche Wucht. Bis zu 30 Meter können solche Kaventsmänner hoch werden. Trifft eine solche Welle auf ein Schiff, gehen nicht nur ein paar Container über Bord, sondern es drohen ernste Schäden.

Studie erwartet zehn Prozent mehr Monsterwellen. Reedereien rüsten sich

In einer aktuellen Studie der Universität von Melbourne, CSIRO Oceans and Atmosphere in Hobart und des IHE Delft Institute for Water Education in den Niederlanden werden die Auswirkungen des sich ändernden Klimas der Erde unter verschiedenen Windbedingungen simuliert und Tausende Stürme nachgestellt. Die Wissenschaftler behaupten, dass die Häufigkeit und Stärke extremer Wellen in einigen Meeresregionen um bis zu zehn Prozent zunehmen werden, wenn die globalen Emissionen nicht eingedämmt werden. Das berichtete kürzlich der maritime Branchendienst „Splash 247“.

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„Die Branche muss sich wappnen“, sagt Umweltexperte Siegert. Das gelte übrigens auch für die Häfen, die sich darauf einstellen müssten, dass Extremwetter die Abfertigungspläne der Schiffe durcheinanderwirbele. Der Klimawandel hat die Schifffahrt erreicht.