Hamburg. Der Rückbau großer Straßen in Hamburg sorgt für Streit – derzeit an der Rodigallee. CDU und Initiative attackieren den Senat.
Der rot-grüne Senat hat sich ein klares verkehrspolitisches Ziele gesetzt: Er möchte, dass die Menschen in Hamburg mehr Wege zu Fuß, auf dem Rad oder mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zurücklegen – also mit den Verkehrsmitteln, die man auch als „Umweltverbund“ bezeichnet, weil sie wenig Lärm und Abgase verursachen. Ihr Anteil am gesamten Verkehr in Hamburg soll nach dem aktuellen Koalitionsvertrag von zuletzt 64 auf 80 Prozent im Jahr 2030 steigen. Dafür muss der Autoverkehr entsprechend deutlich abnehmen – es müssen also immer mehr Autofahrer umsteigen.
Um dieses Ziel zu erreichen und mehr Platz für den Umweltverbund zu schaffen, wird der Verkehrsraum in der Stadt derzeit langsam, aber sichtbar umverteilt. Immer häufiger werden dem Autoverkehr Fahrspuren weggenommen. Dafür entsteht mehr Platz für Fußgänger, Radfahrer oder Busse. Wenn Straßen saniert werden, geht dies oft mit einer Neuverteilung des Verkehrsraums einher – und einer Reduzierung von Fahrspuren für Autofahrer.
Verkehr in Hamburg: Widerstand gegen Rückbau der Rodigallee
Dagegen gibt es allerdings bisweilen Widerstand, derzeit besonders an der Rodigallee in Jenfeld im Bezirk Wandsbek. Dort soll die Zahl der Auto-Fahrspuren bei für Sommer 2023 geplanten Sanierungsarbeiten von vier auf zwei reduziert werden. Außerdem soll eine Busspur entstehen und „erstmals seit Jahrzehnten sollen regelkonforme Rad- und Fußwege hergestellt werden“, wie die Verkehrsbehörde des grünen Senators Anjes Tjarks betont.
Damit aber sind offenbar nicht alle Betroffenen einverstanden. Die Initiative „Rettet die Rodigallee“ sammelt schon seit Monaten Unterschriften gegen das Vorhaben. Sie fürchtet ausweislich einer Online-Petition durch die Reduzierung der Pkw-Fahrstreifen „mehr Staus, mehr Ausweichverkehre in die angrenzenden Wohngebiete, höheren CO2-Ausstoß, Konflikte zwischen Bus und Radfahrern, Wegfall von Parkmöglichkeiten, Fällung von alten Bäumen, ein erschwertes Durchkommen für Rettungswagen, eine Verdrängung der Pendler aus Schleswig-Holstein und hohe Baukosten“.
Betroffene Bürger seien nicht in die Planung einbezogen und nicht ausreichend informiert worden, beklagt Initiativensprecher Frank Hiemer. Die Initiative hat bereits Briefe an Tjarks, Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Finanzsenator Andreas Dressel geschrieben, der auch SPD-Kreisvorsitzender in Wandsbek ist. Die Online-Petition gegen die Pläne des Verkehrssenators haben mittlerweile fast 5000 Menschen unterzeichnet.
CDU: Straßen in Hamburg müssen leistungsfähig bleiben
Nun hat sich auch die CDU des Themas angenommen – und einen Bürgerschaftsantrag dazu eingereicht. Darin fordert sie, die vier Pkw-Fahrspuren zu erhalten oder „bei Maßnahmen, die eine Spurenreduzierung zur Folge haben, sicherzustellen, dass alle betroffenen Bürger Einfluss auf Art und Umfang der Maßnahme haben“. Zudem solle der Senat die Schaffung weiterer Parkplätze prüfen – und „statistische Daten zur Spurenreduzierung durch Umbaumaßnahmen auf Hamburgs Straßen erheben und zugänglich machen“.
CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker wertet die Pläne des Senats für die Rodigallee nämlich nicht nur als Einzelfall, sondern als Beispiel für eine aus seiner Sicht insgesamt verfehlte Verkehrspolitik. „Der Rückbau wichtiger Hauptverkehrsstraßen zeigt die provinzielle Vorstellung der grünen Verkehrspolitik“, sagt Seelmaecker und verweist auf ähnliche Pläne für Berner Heerweg, Alte Landstraße oder den Straßenzug Holstenwall/Johannes-Brahms-Platz/Gorch-Fock-Wall in der Innenstadt.
„Unsere Straßen müssen für einen fließenden Waren- und Berufsverkehr leistungsfähig bleiben. Das gilt auch für die Rodigallee.“ SPD und Grüne hätten im Wahlkampf immer wieder behauptet, Bürgerbeteiligung für Bauprojekte sei wichtig, so Seelmaecker. „Jetzt können sie ihren Worten Taten folgen lassen.“
Behörde: Rodigallee muss wegen der Bäume verengt werden
Das sieht auch die CDU-Fraktionsvorsitzende der Bezirksversammlung Wandsbek, Natalie Hochheim, so. „Bereits jetzt gibt es Stau auf der Rodigallee. Insbesondere die Kreuzung zur A 24 ist täglich eine Staufalle“, so Hochheim. „Die Jenfelder haben diesen stetig vor der Tür. Außerdem gibt es keine Konzepte zur Reduzierung der Pendlerverkehre zur Gemeinde Barsbüttel. Die vorgelegten Pläne sind unausgegoren und so nicht hinnehmbar.“
- 70 Prozent der Hamburger nutzen gerne das Fahrrad, aber...
- Mehr Radler – aber ein eigenes Auto bleibt unverzichtbar
- Hamburg erneut "Stau-Meister": CDU und FDP kritisieren Senat
- Gilt bald nur noch Tempo 30 auf Hamburgs Hauptstraßen?
In der zuständigen Behörde bewertet man die Situation an der Rodigallee anders. „Anlass der Baumaßnahmen im Bereich Jüthornstraße und Rodigallee ist ein extrem schlechter Zustand der Fahrbahn“, sagt Verkehrsbehördensprecher Dennis Heinert. „Vor dem Hintergrund einer optimalen Ausnutzung der Baufenster wird die nötige Sanierung kombiniert mit einer Neuaufteilung des Straßenraums. Oberstes Planungsziel war der Erhalt des wertvollen Baumbestandes entlang der Rodigallee“, so Heinert. Dieses Ziel sei nur zu erreichen, „wenn die Fahrbahn verengt wird – denn das Wurzelwerk der Bäume sitzt tief im Fuß- und Radweg“
Neue Busspur an der Rodigallee wichtig für Verkehr in Hamburg
Auch die nun zusätzlich geplante Busspur sei für die Stadt wichtig. „Hierdurch stärken wir den öffentlichen Nahverkehr und den Hamburg-Takt“, so der Tjarks-Sprecher. „Die Rodigallee ist eine extrem wichtige Busachse, auf der sieben Buslinien verkehren, darunter mehrere Express- und Metrobusse. Insgesamt fahren dort in der Spitzenstunde 1700 Fahrgäste mit den Bussen und damit ebenso viele Menschen wie auf der anderen Spur mit dem Pkw.“
Die Zahl der in Jenfeld registrierten Kraftfahrzeuge liege mit 304 pro 1000 Einwohner deutlich unter dem Wandsbeker Durchschnitt von 389. Viele Menschen seien hier auf einen guten und leistungsfähigen Busverkehr angewiesen.