Hamburg. Das Abendblatt begleitete eine Dienstgruppe der Polizei Hamburg gut ein Jahr lang. Die Wahl fiel auf die Wache in Rahlstedt. Die Gründe.
Was Polizistinnen und Polizisten „auf der Straße erleben“ und was das bei ihnen auslöst – das wollte das Hamburger Abendblatt mit der Langzeitbegleitung einer Dienstgruppe erfahren. Und die Erfahrung wollten wir nicht in einem sozialen Brennpunkt machen, nicht auf dem Kiez und auch nicht auf St. Georg, sondern an einer ganz normalen Wache mit einer möglichst großen sozialen Bandbreite.
Die Wahl fiel auf das Polizeikommissariat in Rahlstedt, das PK 38. Denn der Stadtteil Rahlstedt ist Hamburg im Kleinen. Hamburger Durchschnitt. Die Fälle, die Polizistinnen und Polizisten hier im Reviergebiet erleben und die das Abendblatt in Auszügen dokumentiert und nacherzählt, spielen sich so oder ähnlich auch in Harburg, Eidelstedt oder Langenhorn ab. Auch insofern dürften die Polizisten und Polizistinnen, die hier auftauchen, für die insgesamt 3250 Frauen und Männer an den Hamburger Kommissariaten stehen.
Hamburg-Rahlstedt: mehr als 90.000 Einwohner – eine Stadt in der Stadt
Was auch für die Wahl von Rahlstedt sprach: Der damalige Leiter des Kommissariats hatte Lust auf das Projekt und konnte seine Leute in der A-Schicht um Dienstgruppenleiter Jan Stahmer von der Idee überzeugen. Überwog zunächst zumindest bei einigen in der Schicht Skepsis und Zurückhaltung, sind die Polizistinnen und Polizisten – die wir in den Artikeln nur beim Vornamen nennen – dem Abendblatt mit der Zeit mit großer Offenheit begegnet.
Rahlstedt ist eine Stadt in der Stadt. In dem bevölkerungsreichsten Hamburger Stadtteil leben deutlich mehr als 90.000 Menschen. Das sind in etwa so viele wie in Schwerin, Flensburg oder Tübingen. In die Zuständigkeit des Kommissariats 38 an der Scharbeutzer Straße fallen neben Rahlstedt auch noch Tonndorf, Farmsen-Berne und Jenfeld. Hier wohnen zusammen nochmals rund 80.000 Einwohner.
30 Straftaten im Bereich der Rahlstedter Polizeiwache – pro Tag
Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das vergangene Jahr zeigt: In Hamburg kam es zu insgesamt 211.239 Straftaten, darunter fielen knapp 30.000 „Rohheitsdelikte“ und rund 85.000 Diebstähle. Zu 11.500 Straftaten kam es 2022 allein im Bereich der Rahlstedter Wache. Das heißt umgerechnet: Mehr als 30-mal pro Tag wurden die Polizisten vom Rahlstedter Revier 2022 im Schnitt zu Straftaten gerufen.
Die Kriminalstatistik weist für das vergangene Jahr für Rahlstedt gerundet 1400 Körperverletzungen aus, 500 Rauschgiftdelikte, 250 Wohnungseinbrüche, 500 Gewalttaten und 90 Raube. Der Blick in die PKS zeigt auch: In nahezu allen Deliktfeldern sind die Zahlen im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 zum Teil deutlich gestiegen.
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Rund 160 Frauen und Männer arbeiten am PK38, dazu kommen noch die Leute vom LKA 15, die hier ihren Sitz haben. Neben dem Stab und Abteilungen für Prävention sowie Verkehr gibt es sechs Dienstgruppen. Vier davon teilen sich rund um die Uhr die Schichten im Streifenwagen auf.
Daneben gibt’s die Dienstgruppe der Zivilfahnder und die für „operative Aufgaben“. Das Abendblatt hat die Dienstgruppe A immer wieder begleitet. Hier arbeiteten in der Zeit 22 Polizistinnen und Polizisten unter ihrem Chef, Hauptkommissar Stahmer.
PK 38: In Hamburg-Jenfeld ist die soziale Kluft besonders groß
Das Reviergebiet ist fast 44 Quadratkilometer groß, von West nach Ost sind es an der breitesten Stelle 7,8 Kilometer, von Nord nach Süd 8,2. Obwohl die Wache „Polizeikommissariat 38“ oder PK38 heißt – es gibt in Hamburg tatsächlich nur 24 Kommissariate.
Die Arbeitslosigkeit in Rahlstedt, Tonndorf und Farmsen-Berne liegt zwischen 6,0 bis 6,7 Prozent und damit genauso im Hamburger Schnitt wie der Anteil der Bürgergeldempfänger. Etwa jeder Zehnte kassiert hier Hilfe vom Staat. In Jenfeld mit rund 29.000 Einwohnern ist die soziale Kluft größer. Hier ist jeder Zehnte arbeitslos, und beinahe jeder Fünfte kassiert Bürgergeld. Der Migrationsanteil der vier Stadtteile im Bezirk Wandsbek liegt zwischen 34,6 Prozent in Farmsen-Berne und 60,8 in Jenfeld, der Ausländeranteil zwischen 13,3 (Tonndorf) und 27,2 (Jenfeld).