Hamburg. Das Gotteshaus in der Gartensiedlung wurde 1939 erbaut – nun soll es Wohnungen weichen. So kämpft die Gemeinde gegen den Plan.
Ostern ist von jeher ein Fest des Friedens und der Hoffnung. Doch ob die Besucher des Ostergottesdienstes in der Friedenskirche in Berne davon etwas spüren werden? Wohl eher nicht – zumindest nicht, wenn sie an ihre Kirche denken. Denn dem 1939 erbauten Gotteshaus droht der Abriss.
Mit ihrem schlichten Turm, um den sie in den 60er-Jahren ergänzt wurde, sieht die Kirche von außen weniger einladend ein, als sie es innen wirklich ist: Backsteinwände, weiß gestrichenes Gebälk und eine gewölbte Holzdecke verleihen ihr nordisches Flair. Und hinter dem Altar hängt Jesus nicht am Kreuz, sondern hebt segnend seine Hand.
Wohnung Hamburg: Kirche in Berne soll für Neubauten weichen
„Als die Gemeinde im vergangenen September vom Kirchengemeinderat darüber informiert wurde, waren wir schockiert“, sagt Almut Lenz. Mit anderen Gemeindemitgliedern hat sie eine Initiative gegründet, die den Abriss der einzigen Kirche im Stadtteil verhindern will. Schon mehr als 1000 Menschen haben unterschrieben.
Fast 50 kommen, um beim Abendblatt-Termin ihre Betroffenheit und ihre Verbundenheit mit der Friedenskirche zu schildern. Viele von ihnen wurden dort getauft und konfirmiert, etliche haben dort auch geheiratet. Etwa der SPD-Abgeordnete Lars Pochnicht, der für Farmsen-Berne in der Bürgerschaft sitzt.
Marianne Laaksonen, die sich 15 Jahre im Kirchengemeinderat engagiert hat – aber am Tag, an dem dort über die Zukunft der Kirche abgestimmt wurde, im Urlaub war. Oder Uwe Johannsen, der den Abriss der Kirche eine „einsame Entscheidung von oben“ nennt.
Abrisspläne für die Kirche in Berne: Gemeinde beklagt Intransparenz
Die Basis, nämlich die Kirchenmitglieder, seien nicht angemessen einbezogen worden, sagt er. Auch andere Gemeindemitglieder sprechen von „Intransparenz“. Sie hätten nie Baupläne einsehen können oder Zahlen erfahren. Oder erklärt bekommen, warum das recht kleine Grundstück mit der Kirche verschwinden soll und hier Wohnungsbau Priorität hat.
„Man könnte doch die Kirche in das Bauvorhaben einbeziehen“, sagt Almut Lenz und erhält von allen Seiten Zustimmung. Die Friedenskirche sei nicht nur die einzige christliche Präsenz im Stadtteil, sondern auch wichtig für ein abwechslungsreiches Gemeindeleben.
Neben Gottesdiensten und Konfirmandenunterricht werden die Kirchenräume auch von Chören, einer Biografie-Werkstatt, für Brunch und Teatime Classic, für Taizé-Andachten und Kunstausstellungen genutzt.
Wohnungen statt Kirche – wichtiger Ort geht verloren
„Wenn wir die Kirche verlieren, verliert Berne einen weiteren wichtigen Ort für soziales Miteinander“, gibt eine Dame zu bedenken. Dadurch verarme der Stadtteil weiter, nachdem 2016 bereits die denkmalgeschützte Fritz-Schumacher-Schule geschlossen wurde.
Als die Gemeinden der Friedenskirche und der Farmsener Erlöserkirchen 2020 fusionierten, sei ihnen der Erhalt der Kirche zugesagt worden, sagen Gemeindemitglieder. Vorgesehen war nur, Gemeindehaus und Pastorat aufzugeben. An ihrer Stelle sollten eine Kita und Wohnungen entstehen, die Kirche selber umgebaut und saniert werden.
Die Veranstaltung, auf der diese Pläne der Gemeinde damals vorgestellt wurden, war Teil einer im Koalitionsvertrag von SPD und den Grünen in der Bezirksversammlung Wandsbek beschlossenen Durchführung eines Bebauungsplanungsverfahrens mit umfassender Bürgerbeteiligung.
Ukraine-Krieg mit eine Ursache für drohenden Kirchenabriss
Aufgrund gestiegener Bau- und Energiekosten beschloss der Kirchengemeinderat 2022 jedoch, sich mittelfristig von der Friedenskirche zu trennen und den Standort Berne ganz aufzugeben. Nach aktuellen Plänen soll die Stadtentwicklungsgesellschaft steg ab 2026 an ihrer Stelle ein neues Wohnquartier zwischen der Berner Schule und der Kirche entwickeln.
„Der Verlust der Friedenskirche wäre insbesondere für die älteren Gemeindemitglieder groß“, sagt SPD-Politiker Pochnicht. „Berne ist ein sehr lang gestreckter Stadtteil, und die Erlöserkirche in Farmsen ist drei Kilometer entfernt.“
„Im Grunde genommen ist es der Ukraine-Krieg, der das Ende unserer Kirche besiegelt hat“, sagt Almut Lenz. „Denn der Kirchengemeinderat hat unter anderem die gestiegenen Zins- und Baukosten und die Energiekostenexplosion als Gründe für die Abrisspläne genannt.“
Pastorin: „Entscheidung ist schockierend und macht sehr traurig“
Auch die erweiterten Klimaschutzziele, der Fachkräftemangel und die geplante Reduzierung der Pfarrstellen haben bei der Entscheidung eine Rolle gespielt. „Schon jetzt ist absehbar, dass allein durch die Steigerung der Energiekosten die kommenden Haushalte der Kirchengemeinde defizitär sein werden“, heißt es in der entsprechenden Mitteilung der Kirche.
Vor diesem Hintergrund habe der Kirchengemeinderat beschlossen, auf den Neubau einer Kita zu verzichten und sich von der Friedenskirche mittelfristig zu trennen. Bis zum Baubeginn an der Lienaustraße, wo ein großes Areal für den Wohnungsbau vorgesehen ist, soll die Kirche erhalten und genutzt werden.
- Ostern 2023 in Hamburg: Die wichtigsten Gottesdienste – großer Überblick
- Wie sich das Mahnmal St. Nikolai neu erfindet
- Helgoland: Ein Pastorenehepaar, das nahezu alles über die Insel weiß
Zahlen und Fakten will Pastorin Anke Cassens-Neumann noch nicht nennen, da sie damit der Gemeindeversammlung am 20. April vorgreifen würde. Sie lebe und arbeite als Pastorin seit fast 30 Jahren mit viel Freude in der Gemeinde. „Die Entscheidung, die Kirche aufzugeben, ist schockierend und macht sehr betroffen und traurig“, sagt sie.
Wohnung Hamburg: Denkmalverein für den Erhalt der Kirche
Auch ihr Herz hänge an Kirche und der Gemeindearbeit. „Aber die Rahmenbedingungen für kirchliches Leben haben sich so rasant verändert und werden es weiterhin tun, dass der Kirchengemeinderat gar keine Alternative hatte, als schweren Herzens den Beschluss zur mittelfristigen Aufgabe der Friedenskirche zu fassen.“
Eine Entwidmung der Kirche ist bereits beantragt. Doch auch der Hamburger Denkmalverein hofft, dass der Bau – obwohl er nicht denkmalgeschützt ist – doch noch erhalten wird. „Die Friedenskirche prägt Berne seit über 80 Jahren und ist für viele Menschen ein wichtiger Bezugspunkt“, sagt Geschäftsführerin Kristina Sassenscheid.
Aus sozialen, baukulturellen und ökologischen Gründen sollte man sie in die Planung für das zukünftige Quartier einbeziehen und mit der Nachbarschaft nach alternativen Nutzungs- und Finanzierungskonzepten suchen.