Hamburg. Christian Irrgang erfüllt sich seinen Traum und erkundet Großbritannien per Segelschiff. Was er dort erlebte.

Ein Mann, ein Boot, ein Traum: Das Sehnsuchtsziel von Christian Irrgang heißt England, Irland, Schottland. Von Land aus kennt der Volksdorfer diese Ziele genau, aber er wollte in die Häfen einlaufen. Auf eigenem Kiel. Mit den Hafenmeistern schnacken. Im Pub das Anleger-Bier genießen. Im vergangenen Sommer war es endlich so weit.

2720 Seemeilen (entspricht gut 5000 Kilometern) in 144 Tagen voll Nebel, Sonne und Wind, mit Segeln vor der Tower Bridge und vielen Schleusen im Caledo­nian Canal, herzlichen Begegnungen mit Briten und zwei markanten Tagen für das englische Königshaus. Nachzulesen ist das alles im gerade erschienenen Buch „Fish ’n’ Ships“.

„Tatsächlich hatte ich alles für 2020 vorbereitet“, erzählt der Fotograf, der schon zwei Bücher über Ostsee-Törn sowie vier bemerkenswerte Bildbände über die Bundespräsidenten Johannes Rau, Horst Köhler, Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier gemacht hat. „Aber dann kam Corona. Also verschieben.“ Aber eigentlich zum Glück, so Irrgang. „Meine Mitsegler hatten mehr Zeit, und ich konnte die Reise auf einem eigenen Schiff machen.“

Neun Meter langes Boot wird zum schwimmenden Zuhause

Sein schwimmendes Zuhause war eine 1984 in Schweden gebaute Amigo 33 mit Namen „Oblomow“: neun Meter lang, 2,90 Meter breit, Langkieler mit 1,45 Meter Tiefgang. „Solide gebaut, kein technischer Schnickschnack, ausreichend Be­segelung. Und alles hat bis zum Schluss gehalten“, erzählt Irrgang.

Los ging es Anfang Mai in Gelting an der Flensburger Förde, durch den Nord-Ostsee-Kanal über Helgoland und Holland nach England direkt bis ins quirlige Herz Londons. „Das war schon toll, mit dem eigenen Boot vor der Tower Bridge zu segeln.“ Dann an Englands Südküste entlang hinaus auf den Atlantik zu den Isles of Scilly. „Ein absolutes Highlight. Strände wie in der Karibik.“

Im Herzen Londons: Die „Oblomow“    segelt an der Tower Bridge.
Im Herzen Londons: Die „Oblomow“ segelt an der Tower Bridge. © Christian Irrgang | Christian Irrgang

Von dort über die stürmische Irische See auf einen Abstecher nach Dublin. Quer durch Schottland im Caledonian Canal, wo Ehefrau Sanne für drei Wochen an Bord kam, ging es zurück in die Nordsee, wo Irrgang gerade noch einem Sturmtief – nur eine von vielen Herausforderungen auf diesem Trip – entwischen konnte und Ende September wieder wohlbehalten im Heimathafen Gelting festmachte.

Und er erlebte die wichtigsten Tage für das englische Königshaus im vergangenen Jahr: Zum Platin-Jubiläum (70 Jahre auf dem Thron) von Elizabeth II. Anfang Juni feierte Irrgang mit den Briten in Südengland und erfreute sich am Feuerwerk. „Am 8. September saß ich in einem schottischen Pub, als die Nachricht vom Tod der Queen kam“, so Irrgang. „Im Fernsehen lief ein Fußballspiel. Ich bat den Wirt, auf BBC umzuschalten. Aber er sagte, dies sei ein Fußball-Pub, die Gäste wollten Spiele sehen. Tja.“

Bewegende Momente: „Manchmal war ich vor Glück den Tränen nahe“

Einige Tage war der 65-Jährige allein unterwegs, hatte ansonsten sechs Mitsegler auf verschiedenen Etappen. „Und es war alles genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte“, erzählt er. „Keine Enttäuschung bei den Zielen, manchmal war ich vor Glück den Tränen nahe. Allzeit genug zu essen und zu trinken. Die Logistik hat geklappt, und wir haben uns immer prima verstanden.“

Die gute Stimmung, die Freude über den Törn und die Begeisterung fürs Segeln merkt man dem Buch an. Natürlich werden auch kleine Widrigkeiten thematisiert: zu wenig Wind, zu starker Wind, kleine Pannen oder der nicht passende Liegeplatz. Vor allem aber geht es um Begegnungen, die nur der machen kann, den Wissensdurst und Offenheit für das Unbekannte in möglichst jedem Hafen auf der Route anlegen lassen. Und da ist der Autor in seinem Element.

Hamburger schreibt über seine Segelreise

Für Segelfreunde ist dies eine anregende Lektüre, um so einen Törn selbst zu erträumen. Aber auch alle anderen werden Vergnügen haben an der unterhaltsamen Erzählfreude des Autors und nicht zuletzt an herrlich atmosphärischen, oftmals originellen Fotos.

In diesem Sommer plant Christian Irrgang kein Buch und keine aufwendigen Törns. „Auf jeden Fall zu einem Kollegen-Treffen nach Rostock, dann vielleicht weiter nach Osten. Auf jeden Fall in die Dänische Südsee.“ Und wird er am Straßenrand stehen, wenn König Charles III. und seine Frau Camilla am 31. März Hamburg besuchen? „We’ll see.“