Hamburg. Das Projekt mit Sitz auf Gut Karlshöhe zeigt, wie man in Städten Gemüse anbauen und so dem Klimawandel begegnen kann.

Der Name verrät, wie groß das Ziel ist. „ZukunftsBauer*innen“ heißt ein Gemeinschaftsprojekt, das Anfang des Jahres von jungen Wissenschaftlern und Experten der Hamburger Klimaschutzstiftung, des Vereins Fab City und der Helmut-Schmidt-Universität ins Leben gerufen wurde.

In einer Welt, in der Landwirtschaft und Ernährung einen massiven Einfluss auf die globale Erwärmung haben, die meisten Menschen in Städten leben und landwirtschaftliche Berufe an Attraktivität verlieren, wollen sie Lösungen aufzeigen, durch die der CO2-Ausstoß in den Städten verringert und gleichzeitig auf begrenztem Raum Gemüse für die Selbstversorgung angebaut werden kann.

„Wir wollen die Stadt grün und essbar machen“, sagt Theresa Themann. Sie ist Managerin der ZukunftsBauer*innen, deren Sitz das 1850 als Bauernhof errichtete Gut Karlshöhe ist. Heute wird das Anwesen als Umweltzentrum von der Hamburger Klimaschutzstiftung betrieben. Unter dem Motto „Leben im grünen Bereich“ gibt es dort größtenteils pädagogische Angebote für Kinder. Künftig will man aber auch deutlich mehr Erwachsene für das praxisnahe zukunfts- und klimaschutzorientierte Forschen gewinnen.

Vertical Farming: Gemüseanbau auch an Hochhauswänden

So starten in Kürze verschiedene Modell-Projekte zu „Urban Farming“ (städtisches Gärtnern) und Robotik. Wie sinnvoll das Vorhaben ist, bestätigt eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: Demnach kann eine Stadt wie Berlin bis zu 80 Prozent ihres Gemüsebedarfs vor Ort produzieren, wenn alle bislang nicht genutzten Flächen – etwa Flachdächer, Supermarktparkplätze oder Schrebergärten – für den Anbau verwendet werden. „Das Potenzial ist auch in Hamburg riesig. Wir wollen zeigen, wie man es nutzen kann – nicht nur in Gärten und auf Balkonen, sondern auch an den Wänden von Hochhäusern oder Firmensitzen“, sagt Jonah Burwitz.

Der Umweltwissenschaftler und gelernte Gemüsebauer leitet das Projekt und ist ebenso wie Theresa Themann bei der Klimaschutzstiftung angestellt. Mit im Team sind auch Juan Grados Luyando von der Helmut-Schmidt-Universität, der einen gärtnernden Roboter – den FarmBot – mitentwickelt hat, sowie Jennifer Wilke vom Fab City e.V., der von der Stadt Hamburg gegründet wurde, die sich 2019 als erste deutsche Stadt der globalen Initiative der Fab Citys (lokal produzieren, alles recyceln, global vernetzen) angeschlossen hat.

FarmBot rentiert sich für Familie nach zwei bis drei Jahren

Theresa Themann und Jonah Burwitz führen zum Herzstück des Gemeinschaftsprojekts: eine Fläche gleich hinter dem ehemaligen Stallgebäude. Dort liegen zwei jeweils 18 Quadratmeter große Hochbeete noch im Winterschlaf. Doch im April wird hier ein interessanter Versuch starten. Verglichen werden die Ernteerträge und Ressourcenverbräuche eines von dem FarmBot und eines per Hand bewirtschaften Beetes – beide nach dem gleichen ökologischen Anbaukonzept. Die erste Anbausaison wird von verschiedenen Bildungsformaten begleitet.

Der FarmBot bei einem Probelauf im vergangenen Jahr.
Der FarmBot bei einem Probelauf im vergangenen Jahr. © Gut Karlshöhe | Gut Karlshöhe

„Nach Herstellerangaben rechnen sich die Anschaffungskosten für eine vierköpfige Familie nach zwei bis drei Jahren“, sagt Jonah Burwitz. Mit dem Projekt steige man in die Diskussion ein, wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz dabei helfen könne, urbanen Gemüseanbau auf kleinster Fläche attraktiv zu machen.

Darum geht es auch bei den Kursen „Gärtnern in der Stadt“, die in diesem Jahr kostenlos für eine begrenzte Teilnehmerzahl angeboten werden. „Wir möchten Menschen dazu befähigen, insbesondere schnell wachsendes und leicht verderbliches Gemüse selbst anzubauen“, erklärt Jonah Burwitz.

Kurse: Gemüse in der Wohnung oder auf dem Balkon anbauen

Das von der Behörde für Wirtschaft und Innovation geförderte Projekt stellt verschiedene Anbaumöglichkeiten vor: in der Wohnung, auf Balkon und Terrasse, im eigenen oder im Gemeinschaftsgarten. Über zwei Monate werden sich die Kursteilnehmer wöchentlich auf Gut Karlshöhe treffen. Neben Theorie wird dabei auch viel Praxis vermittelt. „Dafür bauen wir noch weitere Hochbeete“, sagt der Projektleiter. „Außerdem erhalten die Teilnehmer Mini-Flachbeete inklusive Erde und Saatgut, um das Gelernte zu Hause gleich umsetzen zu können.“

Dritter Schwerpunkt der ZukunftsBauer’*innen ist das „Vertical Farming“. Vor der roten Ziegelmauer des Stallgebäudes steht eine Art Holzregal, das demonstriert, wie Gemüseanbau auch auf kleinstem Raum gelingen kann. In mit Erde gefüllten Rinnen sind noch Pflanzen aus dem vergangenen Jahr zu sehen, dazwischen die Schläuche des Bewässerungssystems.

Alle Dokumente stellen die ZukunftsBauer*innen zur Verfügung

„Vertical Farming ist ein Beispiel für moderne Landwirtschaft, die den Fokus auf eine platzsparende und damit urbane Produktion von Lebensmitteln richtet“, sagt Theresa Themann. Erste Lebensmittelhändler wie Edeka würden schon in vielen Supermärkten Kräuter anbauen.

Denkbar seien aber auch größere vertikale Farmen, die an hohen Hauswänden zum Einsatz kommen könnten. Auch hier vermitteln die ZukunftsBauer’innen Interessierten ihr Know How: Noch in diesem Jahr werden sie Bauanleitungen für Vertical-Farming-Stationen sowie alle Dokumente zu den anderen Projekten auf der Website zur Verfügung stellen.

Die Selbstversorger-Kurse „Gärtnern in der Stadt - nicht lang schnacken, selber machen“ finden parallel entweder mittwochs oder donnerstags am Nachmittag statt. Die ersten beiden starten im April, die nächsten im Juni und im August. Die Teilnehmerzahl ist auf je 15 Personen begrenzt. Anmeldungen unter www.gut-karlshoehe.de/zukunftsbauerinnen