Hamburg. Nach mehr als 150 Jahren halten an der geschichtsträchtigen Station keine Züge mehr. Die Gründe – und was das für Pendler bedeutet.

„Nächster Halt: Hamburg-Wandsbek“. An diesem Sonnabend tönt diese Ansage zum letzten Mal aus den Lautsprechern der Regionalbahn RB 81 vom Hauptbahnhof nach Bad Oldesloe. Für die gut 750 Pendler, die diese Station werktäglich nutzen, heißt es, Abschied zu nehmen: von einem Ort des Wartens auf verspätete, aber auch pünktliche Züge und von einem Treffpunkt der Reisenden. Wandsbek, die einst stolze Stadt, verliert damit ihren geschichtsträchtigen Bahnhof aus dem Jahr 1865.

Alles muss weg: die Bahnsteige, die Hinweisschilder, die Beleuchtung, das Dach, der Aufzug. Erhalten bleibt zum Glück allerdings das unter Denkmalschutz stehende Bahnhofsgebäude, samt bayerischer Kneipe.

Warum der Bahnhof Hamburg-Wandsbek aufgegeben wird

Grund für das Ende sind die Bauarbeiten der neuen S-Bahn-Trasse, auf der auch Güterzüge verkehren sollen. Um den Fahrgästen zwischen Hamburg und Bad Oldesloe einen zuverlässigen Nahverkehr bieten zu können, wird auf dieser Strecke die S4 gebaut. Rund 250.000 Menschen profitieren künftig von dem Mega-Projekt.

„Mit Inkrafttreten des neuen Fahrplans am 12. Dezember wird die Station Hamburg-Wandsbek für den Bau der neuen S4 außer Betrieb genommen“, sagte eine Bahnsprecherin dem Abendblatt. „Die Züge halten zum letzten Mal am 11. Dezember.“ Aus betrieblichen Gründen müsse die Station jetzt schon geschlossen werden. „Der Rückbau beginnt aber erst zu einem späteren Zeitpunkt.“ Die heutige Station mache damit Platz für die beiden neuen Gleise der S4. Infolge der Schließung werden vom 13. und 14. Dezember an ebenfalls alle Aufgänge zum Bahnsteig dauerhaft geschlossen.

Welche Alternativen die Bahn anbietet

Zahlreiche Wandsbeker können sich gar nicht vorstellen, dass es diesen Bahnhof an der 1865 angelegten Bahnlinie von Hamburg nach Lübeck nicht mehr geben wird. „Die einstweilen ersatzlose Schließung kommt überraschend, und manche Pendlerinnen und Pendler müssen nun umplanen“, sagt der Rahlstedter SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ole Thorben Buschhüter, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er kennt den Bahnhof seit seiner Schulzeit, erzählt er. Anfang der 1990er-Jahre hatte eine Naturschutzgruppe unter dem Dach des Bahnhofsgebäudes einen Gruppenraum.

Rund 750 Pendler nutzen werktäglich die Station.
Rund 750 Pendler nutzen werktäglich die Station. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Die Bahn rät Reisenden, nunmehr alternativ die Metrobus-Linie 10, die Stadtbus-Linie 162 sowie die U-Bahn und Busse vom ZOB am Wandsbeker Markt zu nutzen. Derweil werden die Bauarbeiten für zwei neue Stationen beginnen: Wandsbek Rathaus (Claudiusstraße) und Bovestraße.

Wie die Bahnsprecherin sagte, sei die Teilinbetriebnahme der Strecke von Altona bis Rahlstedt für den Fahrplanwechsel im Dezember 2027 geplant – das ist zugleich der Start für die beiden neuen Haltestellen. Bis zur Eröffnung der neuen Stationen sei der Bereich Bahnhof Wandsbek vom U-Bahnhof Wandsbek Markt mit bis zu 15 Busfahrten pro Stunde innerhalb von drei Minuten sehr gut erreichbar, sagt Ole Thorben Buschhüter.

Bahn spielte beim Aufstieg Wandsbeks große Rolle

Während Wandsbek, als „Wantesbeke“ 1296 erstmals urkundlich erwähnt, einst ein holsteinisches Gutsdorf war und 1870 von Preußen zur Stadt erhoben wurde, gehört es seit dem Groß-Hamburg-Gesetz von 1937/38 zur Freien und Hansestadt Hamburg. Die Eisenbahnlinie mit dem eigenen örtlichen Bahnhof in Marienthal hat entscheidend zum wirtschaftlichen Wachstum beigetragen. So siedelten sich mit der Industrialisierungswelle Ende des 19. Jahrhunderts etliche Gewerbebetriebe und Fabriken an, darunter Firmen aus der Süßwaren- und Tabakbranche.

Das S-4-Projekt sieht vor, zwei zusätzliche Gleise auf der insgesamt 35,9 Kilometer langen Strecke von Altona nach Bad Oldesloe zu bauen, und zwar auf einem Gesamtabschnitt von 17 Kilometern bis Ahrensburg. Darüber hinaus gibt es an den Bahnhaltepunkten umfangreiche Modernisierungen sowie weitere neue Stationen wie Holstenhofweg und Am Pulverhof.

Von Ahrensburg-Gartenholz bis Bad Oldesloe ist dagegen kein Streckenausbau vorgesehen, dafür umfangreiche Modernisierungen an den Bahnhöfen. 950 Millionen Euro werden von Bund, Ländern und Bahn investiert. Bürgerinitiativen begrüßen zwar den Bau der S4, warnen aber davor, dass der Güterverkehr auf dieser Strecke erheblich zunehmen wird. Sie befürchten mindestens eine Verdoppelung des Güterverkehrs und den Einsatz von bis zu 835 Meter langen Zügen.