Wohldorf-Ohlstedt. Tragisch: Einer Familie mit fünf Kindern wird die Baugenehmigung verweigert. Eine Ausnahmeregelung wäre möglich.
Das Grundstück am Lottbeker Weg sieht fast idyllisch aus mit den blühenden Rhododendren und den üppigen Büschen – wäre da nicht der Rest der Brandruine, ein gemauerter Keller, der das verheerende Feuer überstanden hat. Seit dem Brand am 1. Juni 2018, als Felix Korten und seine Familie ihr denkmalgeschütztes Holzhaus und ihre gesamte Habe verloren haben, kämpfen sie darum, dort wieder ein Wohnhaus errichten zu dürfen (das Abendblatt berichtete).
Der Bezirk Wandsbek weigert sich seit fast einem Jahr, dem Hamburger Anwalt eine Baugenehmigung zu erteilen. Das Problem in diesem speziellen Fall: Laut dem Bebauungsplan Wohldorf-Ohlstedt 17 aus dem Jahr 2006 ist auf dem Grundstück keine Wohnbebauung mehr vorgesehen, sondern nur Wald. Das rustikale Holzhaus, das zur sogenannten Norwegersiedlung in Wohldorf-Ohlstedt gehört, wurde 1943 errichtet und genoss Bestandsschutz.
Familie mit fünf Kindern sucht dringend ein Zuhause
Das hilft der Patchworkfamilie mit fünf Kindern im Alter von zwei bis 14 Jahren, die dringend ein neues Zuhause braucht, aber auch nicht weiter, denn das Gebäude gibt es ja nicht mehr. „Da das Bestandsgebäude abgebrannt und somit der Bestandsschutz erloschen ist, liegt hier kein Recht auf eine Neubebauung vor, da durch die Ausweisung des Bebauungsplans kein Baurecht besteht“, heißt es in einer Behördenantwort auf eine Bauvorbescheidanfrage.
Wie das Abendblatt aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, hat sich im zuständigen Bauprüfausschuss jetzt jedoch eine große Mehrheit der Mitglieder für die Wiedererrichtung eines Gebäudes in gleicher Art mit gleichen Abmessungen ausgesprochen. Der gesunde Menschenverstand habe sich durchgesetzt, hieß es. Am Ende waren sich die meisten einig, dass es eine unverhältnismäßige Härte wäre, der Familie die Rückkehr auf das Grundstück zu verbieten. Die Empfehlung des Ausschusses ist für die Verwaltung allerdings nicht bindend.
"Behörde hat Gestaltungsspielraum"
Hermann Pünder, Professor für öffentliches Recht, Verwaltungswissenschaft und Rechtsvergleichung an der Bucerius Law School, sieht durchaus einen gewissen Gestaltungsspielraum für die Behörde, in solchen Fällen doch eine Genehmigung zu erteilen. „Es können Ausnahmen zugelassen werden, wenn die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde“, zitiert Pünder aus dem Paragrafen 31 im Baugesetzbuch.
Sollte Felix Korten der Wiederaufbau seines Hauses vom Bezirk trotz des Votums des Bauprüfausschusses weiterhin verweigert werden, bliebe ihm nur noch der Rechtsweg. Er und seine Anwältin Sabine Sievers von der Kanzlei Oberthür & Partner, die Korten in diesem Fall vertritt, hoffen nun auf ein Einlenken der Verwaltung.
Felix Korten und seine Lebensgefährtin Gyde Schmidt – sie ist einer der beiden Ratiopharm-Zwillinge aus der TV-Werbung – konnten das Glück in ihrem Haus nicht lange genießen. 2016 hatte die städtische Saga das Haus zum Verkauf angeboten – für ein Mindestgebot von 450.000 Euro.
Sanierung war mit Denkmalschutzamt abgestimmt
Der Preis, für den die Familie den Zuschlag erhielt, lag noch deutlich darüber. Nach einer umfangreichen Sanierung, die mit dem Denkmalschutzamt abgestimmt war, konnte die Familie im November 2016 schließlich einziehen. Als das Haus mit dem Grasdach nur ein halbes Jahr später niederbrannte, war glücklicherweise keiner der Bewohner daheim.
Und wie geht es im Bezirk Wandsbek mit dem Anliegen der Familie nun weiter? „Es gibt hierzu einen Dissens zwischen Verwaltung und Politik. Der Vorgang wird derzeit verwaltungsintern geprüft“, sagte Claudia Petschallies, Sprecherin des Bezirksamts Wandsbek.
Möglicherweise könnte es noch weitere Fälle im Bezirk geben, bei denen ein neuer Bebauungsplan den Wiederaufbau verhindern könnte, sagte Petschallies auf Nachfrage. „Es gibt zahlreiche Splittersiedlungen und Wohngebäude im Außengebiet beziehungsweise auf Flächen ohne Baurecht in den Walddörfern. Ob ein Wiederaufbau abgängiger Gebäude möglich ist, muss für jeden Einzelfall geprüft werden.“
"Wenn nur eine Wand stehen geblieben wäre..."
Nach Aussage eines Kommunalpolitikers hat der Bezirk bei der Auslegung des Bestandsschutzes in den Walddörfern nicht immer so strikt verfahren wie im Fall Korten. „Wenn wenigstens eine Wand noch stehen geblieben ist, dann sind schon mehrere zerstörte Gebäude, für die Bestandsschutz galt, wieder errichtet worden“, so der Politiker. Auf dem Grundstück am Lottbeker Weg steht immerhin noch der Keller.
Derzeit lebt die Familie von Felix Korten in einem Haus ganz in der Nähe der Brandruine, damit die Kinder weiter ihre angestammten Schulen besuchen können. Doch aus dem Haus, in dem sie derzeit wohnen, müssen sie im Oktober wieder ausziehen. Dann brauchen sie wieder ein neues Zuhause auf Zeit.