Steilshoop. Mieter sollen die 50-Millionen-Euro-Sanierung in Steilshoop mitbezahlen. Aber sie drücken die Forderungen.

Marode Fenster und Balkone, gelegentliche Wassereinbrüche, immer wieder auch Schimmel an den Wänden: Seit Jahren kämpfen Steilshooper Mieter mit den Folgen des Sanierungsstaus in den Wohnungen des ehemaligen Gagfah-Konzerns. Bitten um Abhilfe verpufften. Drohungen blieben wirkungslos.

Seit die Gagfah in der neuen Vonovia SE aufgegangen ist, wird es langsam besser: Sukzessive werden die 2100 Wohnungen im Quartier durchsaniert. Der neue Eigentümer will die Bausub-stanz erhalten und das Quartier aufwerten. Doch zahlen sollen dafür auch dessen Bewohner. Mit zum Teil drastischen Mieterhöhungen, sagen die neue gegründete Steilshooper Mieterinitative und der Verein „Mieter helfen Mietern“. Denn die Vonovia sieht ihre Sanierungen nicht als bloße Instandhaltung an, sondern betrachtet sie als Modernisierung.

Soziale Katastrophe? Viele Mieter haben kein Geld

„Der Stadtteil steht vor einer sozialen Katastrophe“, sagt Pierre Endries von der Mieterinitative. „Die zumeist ohnehin einkommensschwachen Steilshooper sollen im Monat bis zu 160 Euro mehr Miete zahlen. Die zahlreichen Leistungsempfänger bei uns, Geringverdiener, Rentner und Alleinerziehende können das oft gar nicht. Sie werden vertrieben.“ Endries warf der Vonovia „Skrupellosigkeit“ vor.

Der Anteil der Leistungsempfänger liegt in Steilshoop mit 24,4 Prozent gut doppelt so hoch wie im Hamburger Durchschnitt (10,3 Prozent). Die Zahl der unter 15-Jährigen in Mindestsicherung bewegt sich bei 46,7 Prozent (Hamburg insgesamt: 20,0 Prozent). Die Sozialindikatoren haben sich laut Bezirkspolitik in den letzten Jahren verschlechtert, die Ortsmitte leidet unter dem verfallenden Einkaufzentrum.

Der Vermieter hält dagegen

Die Vonovia wies die Vorwürfe entschieden zurück. Die Mieterhöhungen seien nur gut halb so hoch wie es die Initiative behaupte und würde auch erst am Ende der Maßnahmen festgelegt. Außerdem würden Härtefallregelungen angeboten, Ratenzahlung oder der Umzug in eine kleinere Wohnung im Quartier, sagte Unternehmenssprecherin Jana Kaminski. „Auch unsere Seniorenwohnanlage im Gustav-Seitz-Weg ist für einen solchen Umzug sehr attraktiv.“

50 Millionen Euro will die Vonovia bis Ende 2021 in ihre 2100 Wohnungen im Quartier stecken. Wird die Investition als „Modernisierung“ angesehen, darf der Eigentümer laut Gesetz elf Prozent der Investitionssumme auf die Jahresmiete aufschlagen und sich die damit verbundene „Wohnwertverbesserung“ bezahlen lassen. Sind die Investitionen bloß Instandhaltungen oder Sanierungen, darf er das nicht und muss die Kosten allein tragen.

Das Gesetz erlaubt auch saftige Mieterhöhungen

„Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass die Fester dicht, die Wohnungen trocken und die Wände frei von Schimmel sind“, sagt Endries. „Für Mängelbehebung wollen wir doch keine Extrazahlungen leisten.“ Die Mieter, so Endries, fühlen sich betrogen, wenn beispielsweise die seit Jahren undichten Fenster jetzt gegen regendichte getauscht werden und ihnen das als „Wohnwertverbesserung“ in Rechnung gestellt wird.

Das Gesetz aber lässt da Spielräume. Denn die neuen Fenster beispielsweise sind nicht nur regendicht (was sie sein müssen und früher ja auch mal waren), sie bieten auch bessere Schall- und Wärmeisolierung und erhöhen den Wohnwert also tatsächlich. Deshalb darf der Vermieter zumindest Teile der Sanierungskosten umlegen: die Teile, die nicht nur den alten Zustand oder die Funktionsfähigkeit wieder herstellen, sondern die Qualität der Wohnung verbessern. Es muss also aus Gesamtmaßnahme der Kostenanteil herausgerechnet werden, der bloß Reparatur oder Sanierung ist. Nur der verbleibende Rest ist umlegbar.

Zusammenarbeit mit Vermieter Vonovia verbessert

„Das Problem ist, dass die Vonovia den Mietern sehr hohe Kosten und also eine hohe Mieterhöhung vorrechnet, dann den Verzicht auf Teile davon anbietet und so den Eindruck erweckt, es handele sich um ein sehr großzügiges Angebot“, sagt Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von „Mieter helfen Mietern“. „Es lohnt sich aber, genau hinzusehen. Denn der Vermieter muss in jedem Einzelfall genau belegen, was er modernisiert und was er bloß repariert hat. So konnten wir die vermeintlich großzügigen Angebote oft um 30 bis 50 Prozent verbessern.“

Auch sei über Mietminderungen während der Bauphase zu sprechen. „Bei Mietminderungen muss zäh um eine angemessene Quote gerungen werden, zur Not auch vor Gericht“, sagt Sonnemann. „Hier hoffen wir künftig auf mehr Entgegenkommen.“ Sonnemann spricht aber auch von einem „verbesserten Klima. In den ganz harten Fällen von Schimmelwohnungen machen wir jetzt Ortstermine und vereinbaren fest, mit welchen Maßnahmen Abhilfe geschaffen wird.“

Vonovia finanziert soziale Projekte

Die Vonovia erklärte, sich der „sozialen Verantwortung im Stadtteil bewusst“ zu sein. Sie fördere mehrere soziale Projekte in Steilshoop und habe sich auch an der Sanierung der Mittelachse, des zentralen Fuß- und Radweges quer durchs Quartier, mit 1,5 Millionen Euro beteiligt. Parallel würden Neubaumaßnahmen auf konzerneigenen Grundstücken im Stadtteil geprüft.

Die Vonovia ist ein Gigant auf dem Wohnungsmarkt. Insgesamt hat sie etwa 350.000 Wohnungen im Bestand, davon 10.000 in Hamburg. Im Dezember kündigte sie ein Übernahmeangebot für die österreichische BUWOG AG an, der 49.200 Wohnungen gehören, davon 24.000 in Deutschland. Im Schnitt kassiert die Vonovia nach eigenen Angabe derzeit Kaltmieten von 6,20 Euro. In Hamburg seien es im Schnitt 6,88, in Steilshoop 5,77 Euro, sagte Unternehmenssprecherin Kaminski. Mit Abschluss der Sanierungen sollen die Steilshooper Durchschnittsmieten der Vonovia um 1,76 auf 7,53 Euro pro Quadratmeter steigen.