Hamburg. Hohnerkamp-Siedlung soll in Urzustand versetzt werden. „Das schränkt unsere Lebensqualität entscheidend ein“.
Eine Pergola mit Sonnensegel, Loungemöbeln, ein Brunnen und ein steinerner Buddha, über dessen Schoß sich eine Pfingstrosenblüte neigt. Es ist ein friedliches Bild, das der Garten von Familie Brandt bietet. Doch der Schein trügt. In der Bramfelder Hohnerkamp-Siedlung, in der die Brandts eines der vielen denkmalgeschützten Reihenhäuschen bewohnen, ist es vorbei mit dem Frieden. Grund ist ein Schreiben der Vermieterin Saga, das 330 Mieter mit Garten aufgeschreckt hat.
Bis zum 20. Juni müssen sie in ihren grünen Refugien alles abbauen, was ihnen den Aufenthalt dort annehmlich macht. Gartenpforten, mit denen sie ihre Kinder vom Ausbüxen und fremde Hunde vom Eindringen abhalten. Schuppen, in denen sie Gartengeräte und Fahrräder unterbringen. Gestelle mit Sonnensegeln, die sie auf den süd-westlich ausgerichteten Terrassen vor der Sonne schützen. Sogar die Trampoline. Und die Hecken aus Kirschlorbeer, die ihnen Privatsphäre ermöglichen, sollen auf 1,20 Meter gestutzt werden.
Thorsten Brandt ist Klempner und auch sonst handwerklich geschickt. Er hat die Pergola gebaut, an der sich das Sonnensegel per Seilzug bewegen lässt. Und er hat unter dem Dach des Nachbarschuppens, das weit in seinen Garten ragte, als er mit seiner Frau und den drei Kindern vor drei Jahren eingezogen ist, Holzwände aufgestellt. Beides soll er jetzt abbauen, ebenso die Gartenpforte. Im Schuppen lagern nun knapp zwei Kubikmeter Kaminholz. Es sei frisch, müsse noch zwei Jahre lagern, sagt seine Frau Jutta Brahms-Brandt. „Doch wo?“ Der Keller ist feucht – wie alle anderen in der Siedlung auch. Im Mietvertrag wird empfohlen, dort möglichst nichts zu lagern.
Die Kellertreppen sind eng und verwinkelt. Deshalb nutzt die Familie von Ralph Geissler den Gartenschuppen zum Unterstellen der Fahrräder. „Die kann man nicht in den Keller tragen“, sagt der Vater zweier Töchter, die in der Ausbildung sind. Er weiß zurzeit nicht, wohin mit den Rädern – denn einen Fahrradstellplatz wie in anderen Saga-Siedlungen gibt es nicht.
Außergewöhnliche Architektur
Der frühere Tischler, der jetzt psychisch Kranke bei der Verbesserung ihrer Arbeitsfähigkeit unterstützt, hat sich eine kleine Werkstatt im Schuppen eingerichtet. Auf der Terrasse hat er einen Pavillon aufgestellt, um vor der Sonne Schutz zu finden. An heißen Tagen setzt sich die Familie in den Schatten der Kirschlorbeerhecke. „Schuppen, Pavillon, Hecke – alles soll weg“, sagt Geissler. „Damit wird unsere Lebensqualität entscheidend eingeschränkt.“
Die Bewohner aus der Hohnerkamp-Siedlung sind bescheiden, sie klagen nicht auf hohem Niveau. Ihre Häuser sind klein, die Gärten auch, und die feuchten Keller fallen als Nutzfläche weg. Für die Pflege der Grünflächen zwischen den Häuserzeilen zahlen sie 330 Euro pro Jahr. In ihre eigenen Gärten haben sie zusätzlich investiert – „Hunderte von Euro und Stunden“, wie Geissler sagt. Er und seine Nachbarn sind stolz auf ihre Siedlung mit der außergewöhnlichen Architektur – und übernehmen daher freiwillig Aufgaben wie das Aufräumen des Müllplatzes oder das Fegen der Gehwege.
„Als Architekt habe ich vollstes Verständnis dafür, dass der Blick auf die schöne Siedlung wichtig genommen wird“, sagt Heinz Pensky, der mit Frau und zwei Kindern hier wohnt. „Doch Milieuschutz bedeutet auch, die Menschen, die hier wohnen, zeitgemäß zu respektieren.“ Mittlerweile werde überwiegend an Familien mit Kindern vermietet. Diese hätten mehrere Fahrräder und Gartengeräte wie etwa Rasenmäher. „Da wir diese Dinge nur unter Sicherheitsrisiken in den Keller tragen können und uns keine andere Möglichkeit geboten wird, sie unterzustellen, können wir auf die Schuppen nicht verzichten“, sagt Pensky.
Gesche Janowski von nebenan bestätigt das. Was sie außerdem umtreibt: „Wenn wir die Gartenpforte abbauen, können die Hunde auf unser Grundstück, die trotz der geltenden Anleinpflicht auf den Grünanlagen hinter unseren Gärten herumlaufen.“ Diese könnten ihre „Geschäfte“ im Garten verrichten und ihre Kinder gefährden. Die Pforte hindere zudem ihren Vierjährigen daran, in einem unbeobachteten Moment das Grundstück zu verlassen.
Saga droht, ihre Mieter notfalls zu verklagen
Die Nachbarn haben ein Protestschreiben entworfen, in dem sie die Saga bitten, die Erhaltungssatzung zu ändern. „Bedürfnisse ändern sich im Laufe von 64 Jahren, da muss man auch als Wohnungsgesellschaft mit der Zeit gehen“, heißt es. Und: „So, wie Sie im Laufe der Jahre Holzfenster durch Kunststofffenster ersetzt und Außenfassaden aus Stein mit Styropor verkleidet haben, muss auch bei der Gartengestaltung mit der Zeit gegangen werden.“
Gartenmöbel, Grill, Rasenmäher oder Fahrräder wolle man weder im Wohnzimmer noch im Garten aufbewahren. Die Schuppen seien bislang nicht beanstandet worden und bedürften laut Hamburger Bauordnung auch keiner Genehmigung.
Das sieht die Saga, die nach eigenen Angaben in enger Abstimmung mit dem Bauprüfamt und dem Denkmalschutzamt zusammenarbeitet, anders: „Die Massivität und der Umfang der Bauten ist stetig angestiegen und hat ein hinnehmbares Maß überstiegen“, sagt Sprecher Michael Ahrens. Jeder Mietvertrag weise auf die Erhaltungssatzung hin und darauf, dass für Einfriedungen und Außenanlagen besondere Vorschriften gelten. Für Altbestände aus der Zeit vor 1984 bestehe Bestandsschutz. Kämen die Anwohner der Aufforderung zum Rückbau nicht nach, behalte sich die Saga den Klageweg vor.