Hamburg. Gebührenpflichtige Toiletten – wegen Problemen mit Vandalismus und Verschmutzung hat die Irena-Sendler-Schule eine umstrittene Idee.
Schulklos sind selten Orte, an denen man sich länger als nötig aufhalten möchte. Es gibt sogar solche, die in einem so üblen Zustand sind, dass Schüler sie auf gar keinen Fall aufsuchen wollen. Aus diesem Grund trinken sie bis Schulschluss nichts. Das ist gesundheitsschädlich, insbesondere dann, wenn sie eine Ganztagsschule besuchen.
Gegen diesen Missstand zieht die Irena-Sendler-Schule in Wellingsbüttel jetzt eine ungewöhnliche Maßnahme in Erwägung. Denn einer von der Schule vorgenommenen Umfrage zufolge verzichten dort rund 40 Schüler darauf, während der Schulzeit zu trinken – weil die Toiletten derart schmutzig sind. Aus diesem Grund hat die Schulkonferenz auf ihrer letzten Sitzung überlegt, ein bezahlpflichtiges Schulklo einzurichten. Es soll anspruchsvolleren Schülern als Zusatzangebot für 10 Cent zur Verfügung stehen. „Wir wissen noch nicht, ob und wie wir diese Idee realisieren können“, sagt Schulleiter Matthias Greite und betont: „Diese Maßnahme wäre ein kleiner Teil unserer Vandalismus-Prävention.“ So habe er bei der Schulbau Hamburg beantragt, dass die Schulklos zweimal täglich gereinigt werden. Außerdem versuche man die Schüler durch erzieherische Maßnahmen dazu zu bringen, ihren Toilettenbesuch in der Pause zu erledigen.
Linke und Elternkammer kritisieren Idee des Bezahlklos
Denn als Grund für den schlechten Zustand der Schultoiletten nennt Greite Vandalismus. „Der findet meistens während der Unterrichtszeit statt, wenn sich die Schüler unbeobachtet fühlen.“ Sie würden neben die Klos pinkeln und koten, sie mit Toilettenpapier verstopfen und Klobrillen zerbrechen. Und das nicht nur in den alten Sanitärräumen. „Als wir vor einiger Zeit mobile Klassenräume bekommen haben, waren die Toiletten nach einer Woche kaputt.“
Für die Idee mit dem Bezahlklo erntet die Irena-Sendler-Schule Kritik von den Linken. „Eine Premiumtoilette und ein Gratisklo – das ist ein Zweiklassensystem, das nicht sein darf“, sagt die schulpolitische Sprecherin Sabine Boeddingshaus. Auch die Elternkammer lehnt die Einführung einer kostenpflichtigen Schultoilette ab. „Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass Kinder bezahlen oder schmutzige Toiletten besuchen müssen“, sagt der Vorsitzende Marc Keynejad. Verschmutzte Toiletten seien seit Jahren ein weit verbreitetes Problem, insbesondere vor dem Hintergrund der Ganztagsbetreuung. Offenbar aber habe man das Thema bei den Verhandlungen mit der Initiative „Guter Ganztag“ aus den Augen verloren. Tatsächlich ging es bei der vor Kurzem erfolgten Einigung maßgeblich um eine Verbesserung des Personalschlüssels, des Raumangebots und der Schulkantinen. Offenbar hielt man das Thema für erledigt. Seit dem 1. Februar 2015 werden die Toiletten an 102 Ganztagsschulen zweimal täglich gereinigt. Eine Million Euro gibt die Stadt im Schuljahr 2015/2016 für die Reinigung der Schultoiletten aus. Im kommenden Jahr dürfte es noch mehr werden. Denn wie jetzt die Irena-Sendler-Schule haben weitere Schulen Zusatzreinigungen beantragt. Laut der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linken wird im Schuljahr 2016/2017 bereits an 111 Schulen zweimal täglich geputzt.
Eine externe Qualitätsüberprüfung von Schultoiletten hat laut Senat im Schuljahr 2014/2015 in 14 Fällen Verschmutzungen festgestellt. In diesem Schuljahr sind es bisher drei, die Auswertung des zweiten Quartals hat jedoch noch nicht stattgefunden.
Schulen gehen unterschiedlich gegen Vandalismus vor
Da die Hygieneerziehung Bestandteil des Lehrplans ist, wird das Thema in den Schulen üblicherweise ab Jahrgang 4 im Unterricht aufgegriffen. Darüber hinaus versuchen viele Schulen, mit eigenen Maßnahmen gegen das Problem mit den verschmutzten Schultoiletten vorzugehen: In der Grundschule Kirchdorf und der Stadtteilschule Niendorf etwa teilen sich ein bis zwei Klassen die Verantwortung für ihre eigene Toilette; am Helmut-Schmidt-Gymnasium und im Bildungszentrum Tor zur Welt sind Einzelblattspender auf den WCs, beziehungsweise Papierrollen vor den WCs installiert; an den Grundschulen Eduardstraße und Ehestorfer Weg teilen sich Jungen und Mädchen die Toilettenvorräume; an den Stadtteilschulen Hamburg-Mitte und Barmbek müssen sich Schüler vom Lehrer einen Schlüssel holen, wenn sie aufs Klo wollen; an der Nelson-Mandela-Schule werden die WC-Anlagen per Zeitschaltuhr nur in den Pausen geöffnet, ansonsten übernehmen das die Lehrer per Transponder (Funk).
In der Irena-Sendler-Schule, so will die Linken-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus erfahren haben, müssen sich Schüler vor der Klasse einer „Bedürfnisüberprüfung“ durch den Lehrer stellen. „Das kann zu Mobbing und Stigmatisierung führen“, so ihre Kritik. Schulleiter Greite wiegelt ab. Wenn Lehrer das Bedürfnis der Schüler anzweifeln würden, werde das im Einzelgespräch geklärt.