Hamburg. 32 statt 43 Hektar, aber die wesentlichen Argumente der Anwohner gegen die Ausweisung lässt die Behörde nicht gelten.

Die Umweltbehörde stellt heute (Mittwoch) Abend den Anwohnern der Berner Au ihre neuen Berechnung des Überschwemmungsgebietes (ÜSG) vor ihren Haustüren vor. Das für ein Binnenhochwasser als Überflutungsfläche vorläufig festgesetzte Gebiet schrumpft demnach um elf auf jetzt noch 32 Hektar. Betroffen sind nach Angaben der Behörde aber immer noch 77 Wohnhäuser. Die Anwohner halten das ÜSG für überflüssig und fürchten um den Wert ihrer Grundstücke.

Im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Bürgerbeteiligung gab es schon wieder Unstimmigkeiten: Die Behörde hatte die im ÜSG wohnenden Anwohner angeschrieben und zu einer Veranstaltung für geladene Gäste gebeten. Gestern stellte sich heraus, dass es doch ein öffentlicher Abend werden sollte. Die Anwohner zeigten sich verärgert, und auch der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Kurt Duwe monierte den Stil der Behörde, der sich mit dem Wechsel zur grünen Führung unter Senator Jens Kerstan nicht geändert habe.

Auch das Ergebnis der Anhörung stand schon Tage vorher für kurze Zeit auf der Internetseite der von „hamburg.de“: Der Beschluss und die für nächste Woche anstehende offizielle Korrektur des ÜSG im Sinne der neuen Berechnungen.

Das Hauptargument der Anwohner gegen die Ausweisung des ÜSG nahm die Behörde denn auch nicht auf. Sie sieht zwar auch, dass die Berner Au in erster Linie als Regenwassersiel genutzt wird. Doch sei dies kein Grund, auf das ÜSG zu verzichten. Die Anwohner hatten darauf verwiesen, dass das für die Ausweisung von ÜSG erforderliche „natürliche“ Hochwasser nicht zu erwarten sei, sondern allenfalls von der Stadt durch Regenwassereinleitungen künstlich herbeigeführt werde. Die Berner Au würde ohne die Einleitungen aus den Nachbarstadtteilen trocken fallen. Ihre Quelle ist versiegt.

Die Behörde sieht sich durch EU-Recht zur Ausweisung von insgesamt elf ÜSG in Hamburg verpflichtet und orientiert sich dabei an hypothetischen Rechenwerten für ein 100jähriges Hochwasser. Im Zusammenhang mit der Topographie des Geländes ergeben sich daraus die Umfänge der ÜSG. Hintergrund ist der Klimawandel, der künftig verstärkt zu Binnenhochwassern führen werde.

Die Anwohner der Berner Au, die auf gut 90 Jahre Erinnerungskultur in ihrer Bewohnerschaft zurückblicken können, haben bisher keine feuchten Keller in ihrer Siedlung registriert. Allerdings verschärfen die Nachverdichtungen in den Nachbarstadtteilen und die von Seiten der Stadt unterlassene Pflege der Abwassergräben die Hochwassergefahr.

Die Behörde will künftig ihrer Pflegepflicht nachkommen und verwies jetzt auf diverse Ortsbesichtigungen und lokale Messungen, die die Grundlage abgaben für die neue, technisch anspruchsvolle und zeitaufwendige zweidimensionale Modellierung (2D-Modellierung) für die Nachberechnung des ÜSG. Die doch recht erhebliche Abweichung zur ersten Messung überrascht insofern, als die Behörde den Kritikern ihrer Ermittlungsmethode stets erklärt hatte, dass die aufwändigere Messmethode gar keine wesentlichen Änderungen bringen könne.

Das Bauen in ÜSG ist nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt, weshalb die Anwohner eine Entwertung ihrer Grundstücke fürchten. Die meisten ÜSG sind unbewohnt. Die Behörde verwies aber darauf, dass sie nunmehr einen hamburgweit einheitlichen Katalog und Leitfaden erarbeitet habe, der die Ausnahmegenehmigungen reguliere und die Genehmigungspraxis vereinfachen werde. Sie sieht keine Wertverluste für Grund und Boden.

So sei das Aufstellen von Schaukeln, Sandkästen oder Spielanlagen für Kinder, Bänken, gemauerten Sitzecken, Gartenkaminen, Gartenmöbeln, Skulpturen, Kunstwerken oder Überdachungen weiterhin völlig problemlos möglich. Modernisierungen, Aufstockungen, veränderte Raumaufteilungen oder Reparaturen an bestehenden Häusern bedürfen keiner Genehmigung. Außerdem enthalte der Leitfaden konkrete Hinweise zu Möglichkeiten für Ausnahmen und Befreiungen für Ersatzbauten, die zunächst nur auf gleicher Grundfläche genehmigungsfähig sind.

Insgesamt liegen der Umweltbehörde 187 Stellungnahmen von betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern der Berner Au vor, die bis Ende Januar kommenden Jahres individuell beantwortet werden sollen. Die vorläufige Sicherung für das ÜSG Berner Au wird nun an die neuen Berechnungsergebnisse angepasst. Das stand allerdings schon vor der Bürgerinformation am Abend fest. FDP-Mann Duwe sprach denn auch von „Bürgermissachtung statt Bürgerbeteiligung. Der Grüne Kerstan macht genau so weiter, wie die SPD-Senatorin aufgehört hat.“