Wandsbek - Hamburgs unterschätzter Bezirk

Hamburg hat die Wahl: Am 25. Mai werden die Bezirksparlamente neu bestimmt. Der Bezirk Wandsbek streitet um Wohnungsbau, Grünflächen und das eigene Image.

Wandsbek ist so bunt und vielfältig, dass man das eine Wandsbek nicht greifen kann. Wer es versucht, beginnt unwillkürlich zu differenzieren. Dann gibt es schnell vier Wandsbeks. Oder noch mehr. Mit 405.000 Einwohnern auf 147,7 Quadratkilometern ist der Bezirk immerhin größer als Bochum und bald doppelt so groß wie Altona, das in Hamburg so etwas wie ein Inbegriff des Bunten ist.

Da ist der gut situierte Wandsbeker Norden mit den Walddörfern und den Alstertalern. Da ist der eher arme, hoch verdichtete Kern um den Wandsbeker Markt, Eilbek und den Süden Bramfelds. Da sind die sozialen Brennpunkte Steilshoop und Jenfeld, wobei besonders das weitgehend lobbyfreie Jenfeld an den Rand gedrängt wird. Und da ist die diffuse Mitte mit Hummelsbüttel, Rahlstedt, Tonndorf, Farmsen-Berne und Teilen Bramfelds, von der nicht klar ist, ob sie in den nächsten Jahren zum reichen Norden aufschließen kann oder ob sie unter Druck geraten wird.

Bezirksamtschef Thomas Ritzenhoff (SPD) bringt die Vielfalt so auf den Punkt: „Wir haben unterschiedliche Perspektiven. Der Wandsbeker Kern orientiert sich an der Hamburger City, die Walddörfer verstehen sich als Insel mit viel Grün. Nur die Mitte des Bezirks – da fällt es schwer, sich zu verorten.“ Die geografischen Gegebenheiten machen seines Erachtens die stärkere Differenzierung aus – und nicht die vermeintliche Spaltung in einen „armen Süden und einen reichen Norden“. Das sei zu einseitig gedacht und reduziere beispielsweise Jenfeld lediglich auf die Hochhäuser.

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Das von der SPD beim Stadtplanungsbüro Urbanista in Auftrag gegebene Wandsbek-Gutachten analysiert den Bezirk. Wandsbek ist eher Wohnals Arbeitsstadt. Das gilt auch und gerade für die diffuse Mitte des Bezirks, in der viele einfache Einfamilienhäuser beträchtlichen Alters stehen. Aber die Lebensgewohnheiten ändern sich. Das Geld wird weniger oder saurer verdient. Der einst klassische Haushalt mit Kindern und einem Verdiener stirbt aus, meist arbeiten beide Elternteile. Die Logistik des Alltags ist deshalb immer enger getaktet und schwieriger zu bewältigen, womit Fahrwege und soziale Infrastruktur wie Schulen, Sport- und Kulturangebote ins Spiel kommen. Stimmt hier das Angebot nicht, werden Stadtteile unattraktiv. Sie überaltern, die Immobilienpreise sinken, und die Zuzügler suchen anderswo ihr Quartier.

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Aber Ballungszentren wie Hamburg wachsen, und davon könnte insbesondere der Bezirk Wandsbek profitieren. Gerade weil er eine Wohnstadt ist. Wandsbek (der Stadtteil!) und Eilbek liegen so zentral, dass der Zuzug kommen muss. Im Brauhausviertel sind die Weichen gestellt, erste Investoren bauen schon in größerem Stil am Mühlenteich. Weiter draußen aber kommt die Erneuerung nicht von allein. Vor allem dann nicht, wenn das Wohnen weder richtig im Grünen noch mitten im Leben stattfindet.

Wandsbeker Wege sind weit. Wandsbek ist ein Autobezirk. Eine Kulisse auch für nach Stormarn durchreisende Pendler. Entsprechend groß sind die Straßen, die sechsspurige B 75 und die ebenfalls zum großen Teil sechsspurig ausgebaute B 434, die aus der Hamburger Straße kommend zur Bramfelder, Saseler und Bergstedter Chaussee wird und in Ammersbek den Bezirk verlässt. Das muss man mögen und eben mit dem Zweitwagen auch bezahlen können. Aufseiten des öffentlichen Nahverkehrs entspricht dem wenig.

Die Regionalbahn müht sich, und sie ist schnell. Aber mit dem Aussteigen ist es schwierig, es gibt kaum Haltepunkte. Die U 1 nach Volksdorf und Ohlstedt ist ein Plus, auch wenn sie an der Kapazitätsgrenze fährt. Aber am SBahnhof Poppenbüttel ist die Welt der Schiene zu Ende. Wer von da aus nach Bergstedt, Lemsahl oder Duvenstedt will, braucht kräftige Oberschenkel und Regenzeug fürs Rad oder ein Auto. Bramfeld und Steilshoop, obwohl mittendrin, liegen ohne Schienenanschluss im Abseits. Auch jenseits von Rahlstedt beginnt das Abenteuer. S 4 und U 5, die Nahverkehrsprojekte des Senats, sind derzeit kaum mehr als Tauben auf dem Dach.

Es fehlen Sportplätze und -hallen, das Kulturangebot gerade in den Stadtteilen der diffusen Mitte des Bezirks ist mäßig. Ein echtes Pfund sind die Grünzüge, aber sie fristen ihr Dasein meist im Verborgenen. Wer kennt schon den Eilbeker Jacobipark, den Eichtalpark in Wandsbek oder den Mühlenteich am Brauhausviertel? Wer findet die Radwege durch den Wandse-Grünzug? Selbst der Duvenstedter Brook und das Alstertal sind kaum bekannter als der Harvestehuder Innocentiapark, der, wenn man ehrlich ist, gar kein Park, sondern beträchtlich kleiner ist. Wandsbek macht einfach zu viel in Understatement. Oder zu wenig Werbung.