Hamburg. Zwei Witwen einer Blankeneser Trauergruppe berichten über ihre Erfahrungen und die soziale Isolation. Beerdigungsinstitut hilft weiter.
Edgar S. Hasse Die Wege von Elisabeth (68) aus Altona und Erika (70) aus Blankenese führen einmal im Monat in das Beerdigungsinstitut Seemann & Söhne. Es ist ein großzügiger, moderner Bau im Herzen von Blankenese. Dort finden sie einen Raum, in dem sie sich mit anderen trauernden Menschen treffen können.
Trauergruppe in Blankenese wird von Ehrenamtlichen begleitet
Elisabeth und Erika, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, sind Witwen. Beide fühlen sich nach dem Tod des Partners in ihrer Trauer miteinander verbunden. Aber sie haben gerade aufgrund ihres Schicksals soziale Ausgrenzung und Unverständnis erlebt. Darüber wollen sie an diesem grauen Herbsttag reden.
Die beiden Seniorinnen gehören zu einer Trauergruppe, die vom Beerdigungsinstitut Seemann & Söhne professionell begleitet wird. Bundesweit gibt es Hunderte Trauergruppen, die sich selbst organisieren. Relativ neu ist, dass auch Bestattungsunternehmen Trauergruppen anbieten. Nach dem Verlust eines geliebten Menschen versinken viele Menschen in Trauer und Depression. Ein Prozess, bei dem es oft Unterstützung oder einer Begleitung bedarf. Denn im schweren Schlepptau der Trauer sind oftmals Depressionen, Schlafstörungen, Ängste, Sorgen und soziale Isolation.
Wo Trauernde nach Verlust eines Menschen Halt finden
Anlaufpunkte für Trauernde sind Selbsthilfegruppen und Vereine, Institutionen wie Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Hospize und Psychotherapeuten. Erste Ansprechpartner sind oft die Bestatter, die wie das 1892 gegründete Traditionsunternehmen Seemann & Söhne nunmehr in Eigenregie auch Trauergruppen organisieren und anbieten. „Das machen wir selbstverständlich in Absprache mit der Kirche und nicht in Konkurrenz zu ihr“, sagt Nils Seemann, Inhaber und Geschäftsführer der Firma. Es gebe einen erheblichen Bedarf an Trauerbegleitung, den die Kirchen allein gar nicht bewältigen könnten. Das Angebot seines Unternehmens sei kostenlos und werde ehrenamtlich getragen, fügt Seemann hinzu.
Die pensionierte Pastorin Susanne Peters und Sabrina Altenberend, Assistentin der Geschäftsführung im Blankeneser Beerdigungsinstitut, leiten ehrenamtlich inzwischen vier Trauergruppen mit insgesamt 24 Mitgliedern und betreten gerade den Raum, in dem Erika und Elisabeth auf sie warten.
Witwe berichtet: Sie hat Hohn und Spott erfahren
Auf dem Tisch liegen mehrere Packungen Taschentücher, die immer wieder gebraucht werden, weil Tränen fließen. Erika berichtet von ihrem 2022 verstorbenen Mann, der schwer an Demenz erkrankt war – und dessen Freund ihn in dieser Zeit niemals besucht hat. So viel Ignoranz habe sie schwer getroffen, sagt Erika unter Tränen. „Leider hat die Hilfsbereitschaft vieler Menschen ein dickes Verfallsdatum.“
Inzwischen habe sie gelernt, keine Erwartungen mehr an andere Menschen zu haben. „Dank der Trauergruppe habe ich wieder Boden unter die Füße bekommen. Wir sind flügge geworden“, sagt Erika und schaut mit einem Lächeln Elisabeth an. Die Altonaerin erzählt, wie nach dem Tod ihres Mannes ihr andere Menschen bewusst aus dem Weg gegangen seien. Eine Freundin habe ihr sogar geraten, „zu tanzen und zu springen und ein neues Leben anzufangen“. Oder endlich nicht mehr wehleidig zu sein. Das klang für sie wie blanker Hohn. „Denn Trauer lässt sich nicht in ein Zeitfenster pressen.“ Pastorin Peters sagt es mit den Worten der Trauerbegleiterin und Dozentin Chris Paul so: „Trauern ist die Lösung, nicht das Problem.“
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Trauerzentrum Schenefeld mit Gedenken an die Verstorbenen
Beide Witwen berichten darüber, dass sich ihr Freundeskreis nach dem Verlust des Partners stark reduziert habe. „Witwen werden nicht mehr eingeladen.“ Damit Trauernde aus der sozialen Isolation geraten und miteinander in Kontakt treten können, gründeten Sabrina Altenberend, die eine Ausbildung als Trauerbegleiterin absolviert hat, und Pastorin Peters 2022 die erste Trauergruppe. Angeboten werden nicht nur monatliche Treffen, sondern auch kleine Ausflüge und besondere Veranstaltungen wie eine Autorinnenlesung.
Sabrina Altenberend kommt auf ein ganz besonderes Angebot des Bestattungshauses zu sprechen. Jedes Jahr veranstaltet Seemann & Söhne am zweiten Sonnabend im Oktober im firmeneigenen Trauerzentrum Schenefeld einen Gedenktag an die Verstorbenen. „Dabei werden ihre Namen verlesen“, sagt Sabrina Altenberend. Der Tag klingt mit einem Beisammensein im angeschlossenen Café aus.
Tagebuch schreiben hilft, die Trauer zu bewältigen
Auch Elisabeth aus Altona ist dankbar dafür, dass es solche Angebote für Trauernde gibt. Die regelmäßige Teilnahme in der Trauergruppe habe ihr geholfen, Kraft zu finden und „sich wieder wehren zu können“. Sie schreibt seitdem Tagebuch, besucht das Grab ihres Mannes und verbindet mit einem Stein der Erinnerung positive Gedanken. Die Witwe hat gelernt, dass Trauern so individuell ist wie jeder einzelne Mensch. Und manchmal ein ganzes Leben lang dauern kann.