Bad Malente. Viele Ältere sind Bewegungsmuffel. Oberstleutnant a. D. Gert von Kunhardt gibt Tipps, wie moderater Sport das Leben leichter macht.

Gert von Kunhardt, 85, schreitet über die Wiese an einem schleswig-holsteinischen See und führt den Gast in das Souterrain seines Reetdachhauses. Dort zeigt er auf ein langes Regal, in dem Bücher stehen, die er – zum Teil gemeinsam mit seiner Frau Marlen – im Laufe der beruflichen Karriere geschrieben hat. „Keine Zeit und trotzdem fit“, „Autofahren ohne Stress“, „recken, strecken, dehnen“ lauten einige der Titel. Dazu gehört auch die Publikation „Wie Brausepulver in den Zehen“. Es ist das Krebstagebuch seiner Frau. Sie war 1998 an Brustkrebs im G-4-Stadium erkrankt, der zum Tod führen kann. „Aber sie hat ihn, neben medizinischer Therapie, mit dem Mittel von moderatem Sport überlebt“, sagt von Kunhardt.

Fitness Hamburg: Joggen: Die Kunhardt-Methode nennt es „Joggeln“

Der Mann hat eine Mission: Raus aus der Bequemlichkeit – rein in die Bewegung. Seit seiner Zeit als Sportdezernent der Bundeswehr und seit 1986 als freiberuflicher Trainer, Coach, Berater und Entwickler von Gesundheitsprogrammen bringt er Menschen zum Joggen. Das nennt er, weil es gaaanz langsam von statten geht, „Joggeln“.

Pause am See: Gert von Kunhardt arbeitete viele Jahre als Gesundheitstrainer und schulte Führungskräfte nach seiner Methode.
Pause am See: Gert von Kunhardt arbeitete viele Jahre als Gesundheitstrainer und schulte Führungskräfte nach seiner Methode. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

So schaffen Anfänger 30 Minuten lang zu laufen

Er will jede und jeden mitnehmen. Es geht nicht um Leistung, sondern um die Freude daran, seinem Körper etwas Gutes zu tun. Kunhardt nennt es das „Prinzip der subjektiven Unterforderung“. Stets unterhalb der Grenze zu bleiben, bei der man sich etwa beim „Joggeln“ nicht mehr unterhalten kann. So sind locker 30 Minuten selbst Anfängern möglich.

Kunhardt-Methode mit 30.000 Seminarteilnehmern

Schätzungsweise 30.000 Seminarteilnehmer hat das Trainer-Duo in all den Jahren mit der „Kunhardt“-Methode erreicht – Führungskräfte, Ärzte, Studenten, interessierte Menschen. Auch im hohen Alter macht Gert von Kunhardt, Ehrensenator im Berufsverband Deutscher Präventologen, von sich reden: Im Dezember erscheint im Heidelberger Springer Verlag eine komplett aktualisierte Neuauflage des Buches mit dem Titel „Longevity – ein Leben lang leben. Energiepotenziale optimal einsetzen“ (124 Seiten, 19,99 Euro).  Was rät er Menschen, die das Rentenalter längst erreicht haben oder schon auf die 90 zusteuern?

Mehr Bewegung: Von den Tieren lernen

Gert und Marlen von Kunhardt sitzen auf der Terrasse des Haues, unter dem Dach schauen die Köpfe von vier kleinen Schwalben aus dem Nest. Sie stehen kurz davor, flügge zu werden. Die Tierwelt macht es vor, sagt von Kunhardt. „Die Hasen hoppeln, und zwar täglich. Der Fuchs schnürt – nächtlich. Der Sperber hakt auf. Der Adler kreist. Nirgendwo ist Hast und Eile zu erkennen, nur in ärgster Gefahr werden Wildtiere hochflüchtig“. Ein Leben lang leben sie ohne Zivilisationskrankheiten wie die Menschen. „Folgen wir diesem Vorbild: Bewegen wir uns, ohne uns zu erschöpfen. Schonen statt schinden lautet das Motto.“

Prävention: Schwung in den Alltag bringen

Dabei werden kleine Bewegungen in den Alltag integriert. Beim Zähneputzen heißt es, in die Skiabfahrtshocke zu gehen und leicht in den Knien zu federn. Wem das Knie schmerzt, möge wenigstens als Rechtshändler mit der linken Hand die Zahnbürste führen. „Beim Einkaufen“, erzählt die pensionierte Lehrerin Marlen von Kunhardt, „stellen wir das Auto bewusst weit weg vom Supermarkt, um einen zusätzlichen Weg zu gehen.“ Gert von Kunhardt unterstreicht seine Wortbeiträge gern mit gesteigerter Gestik und gibt ein weiteres Beispiel von Alltagsbewegung schmunzelnd zum Besten: „Wenn du ein Bier haben willst, schick deine Frau in den Keller, damit sie gesund bleibt.“ Oder anders gesagt: „Lebe bewusst unbequem, damit du es im Alter bequem hast.“

Das Gesundheitstrainer-Paar Marlen und Gert von Kunhardt.
Das Gesundheitstrainer-Paar Marlen und Gert von Kunhardt. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

DAK-Studie: Je älter - umso weniger Bewegung

Statistische Daten belegen, dass die Mehrheit der Deutschen im Alter ab 60 Jahren allerdings Bewegungsmuffel ist. 62 Prozent der über 60-Jährigen zeigen nach Angaben der Krankenkasse DAK einen deutlichen Bewegungsmangel. Nur etwas mehr als ein Drittel sind entsprechend den nationalen Bewegungsempfehlungen aktiv. Mit zunehmendem Alter verschärft sich das Problem: Von den Menschen über 80 ist fast die Hälfte gar nicht mehr intensiver aktiv. Die Kasse warnt nach der Erhebung dieser Studie aus dem Jahr 2023 vor einem Verlust an Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.

Bewegungsmangel der Menschen ab 60 Jahren

„Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels muss uns der Bewegungsmangel der Menschen ab 60 aufrütteln“, kommentierte DAK-Vorstandschef Andreas Storm die Ergebnisse. Bereits heute gehören in Deutschland 30 Prozent dieser Altersgruppe an. Fehlende Bewegung sei gerade im Alter ein massives Gesundheitsrisiko. Mehr körperliche Aktivität unterstütze das Gesundbleiben und helfe, dass Menschen auch jenseits der 80 aktiv am Leben teilnehmen können. „Wir müssen es uns zur Aufgabe machen, Freude an Bewegung nachhaltig zu fördern und Inaktivität im Alter zu vermindern“, so Storm. Mit zunehmendem Alter blieben jedoch immer mehr Menschen auf der Couch.

Das hochelastische Trampolin hat Kunhardt erfunden

Gert von Kunhardt transportiert gerade ein Trampolin aus dem Haus und stellt es auf die Wiese. „Ich habe die Einstein-Formel noch nicht gefunden. Jene Formel, wie man Leute in die Bewegung kriegt.“ Möglicherweise geht die Formel in dieser Richtung: Man müsse zu der Erkenntnis kommen, dass nicht der Doktor, sondern man selbst der „Direktor“ der eigenen Gesundheit sei. Um mehr Schwung ins Leben zu bringen, hat der Oberstleutnant a. D. der Bundeswehr und Vizeweltmeister im Modernen Fünfkampf schon vor vielen Jahren ein Trampolin erfunden, das so elastisch konstruiert ist, dass man darauf wie auf Wolke 7 schwebend schwingt.

Längst ist die Erfindung, die statt Stahlfedern flexible Seilringe aus Naturkautschuk verwendet, in Serie gegangen und wird als medizinisches Trampolin von einer Firma in Deutschland, aber auch in den USA vertrieben. „Das hochelastische Trampolin bringt die Lymphe in Bewegung, versorgt den Körper effektiv mit Sauerstoff und aktiviert die Lebensenergien.“

Der Spitzensport hat Gert von Kunhardt krank gemacht

Im Unterschied zu seiner Zeit als Spitzensportler in der Nationalmannschaft, in der von Kunhardt häufiger krank war, fühlt er sich heute topfit und gesund. Seit Jahren sei er nicht mehr an einem Schnupfen und einer Entzündung erkrankt, habe kein Fieber gehabt und nehme als einziges Medikament ein Vitamin-Präparat. Wieso? Seine Antwort geht so: „Seit mehr als 20 Jahren habe ich mich konsequent, also diszipliniert regelmäßig jeden Tag moderat bewegt und bin bis jetzt gesund geblieben.“  Es sei richtig gewesen, keinen Leistungssport mehr zu betreiben, sondern mit den eigenen Ressourcen sorgsam umzugehen. Erfrischen statt erschöpfen! Denn die Energiepotenziale jedes einzelnen Menschen seien begrenzt. „Wie eine Zündschnur brennt sie ein Leben lang ab.“

Gert von Kunhardt: Mit dem elastischen Band zum vorzeigbaren Bizeps.
Gert von Kunhardt: Mit dem elastischen Band zum vorzeigbaren Bizeps. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Nach dem Trampolinschwingen am Dieksee bei Bad Malente zeigt das Ehepaar Kunhardt zum Abschluss ihr elastisches Trainingsband, das sich zum Dehnen, Strecken und Muskelaufbau eignet.

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Herr von Kunhardt streift den Ärmel seines Oberhemdes nach oben und zeigt seinen rechten Arm. Gut erkennbar ist dort ein Bizeps.

„Ja“, sagt er stolz, „der ist gewachsen. Ich habe die Trainingseinheit von 20 Dehnungen mit dem elastischen Band auf 30 erhöht. So ist das passiert, und das mit 85 Jahren!“