Hamburg. 60 Quadratmeter für sechs Personen in Hamburg-Altona. Die Familie Raki-Belanaya will nur noch weg und sucht dringend eine neue Bleibe.

Fatima und Mhamed lernten einander 2008 im marokkanischen Marrakesch kennen und verliebten sich. Mhamed arbeitete damals als Stuntman und Touristenführer, Fatima, die in Altona geboren wurde, verbrachte gerade eine längere Zeit im Heimatland ihres Vaters, um dort Französisch, Arabisch und Englisch zu lernen und das Abitur zu machen.

Fatima wollte unbedingt wieder zurück nach Hamburg, und Mhamed folgte ihr. Doch die Wohnung, in der sie zunächst allein lebte, ist für die sechsköpfige Familie längst zu klein geworden. Denn die beiden haben inzwischen vier Kinder.

Hilferuf: Altonaer Familie mit vier Kindern sucht sechs Zimmer

Mhamed Belanaya (50) sitzt mit seiner Frau (43) in dieser gemeinsamen Wohnung in Altona, eine ruhige Seitenstraße. Vor ihnen ein 2,5 Meter langer Tisch, dessen Platte mit einer abwischbaren Folie bedeckt ist. Dieser Tisch, tagsüber am Fenster platziert, ist der Mittelpunkt und Arbeitsort der sechsköpfigen Familie. Hier wird gegessen und erzählt, werden Schularbeiten und Korrespondenz erledigt, gefeiert. Mehr Platz ist nicht.

Die Wohnung ist für sie zum Horror geworden. Sie wollen nur weg. Das strahlen die zwei Zimmer, die Flur und die kleine Küche auch aus. Die Wände sind kahl, die Terrasse wirkt verlassen. Seit Jahren sucht die Familie eine neue Bleibe – bislang erfolglos. Gegenwärtig läuft ihre Bewerbung für eine 6-Zimmer-Wohnung bei Quantum Immobilien.

Die größeren Kinder der Familie besuchen die Louise Schröder Schule in Altona.
Die größeren Kinder der Familie besuchen die Louise Schröder Schule in Altona. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Schimmelbefall in Altonaer Altbauwohnung

Die Eltern und ihre vier Kinder im Alter von sieben bis 15 Jahren wohnen in der nur 60 Quadratmeter großen Wohnung. Gerade mal zwei Zimmer stehen ihnen zur Verfügung. Mehr nicht. Sabrina, die 15 Jahre alte Tochter, kennt nichts anderes als diese Wohnung, in der es zudem noch einen Schimmelschaden gibt. Schimmel kann für die Bewohner gesundheitsgefährdend sein. „Es ist sehr schlimm. Wie ein Gefängnis“, sagt sie. „Wir wollen endlich raus hier. Aber meine Eltern haben noch keine neue Wohnung gefunden.“

Mieterverein: So gefährlich ist Schimmel

Einige der Kinder leiden bereits an Allergien. Wie gefährlich Schimmel sein kann, beurteilt der Mieterverein Hamburg so: „Problematisch wird es, wenn sich durch anhaltende Feuchtigkeit in Wohnräumen Schimmel in erheblichem Umfang bildet. Die Menge und die Dauer der Exposition belastet die Atemwege, die reagieren mit Erkältungssymptomen. Auch Asthma und andere Atemwegserkrankungen können die Folge sein. Allergiker reagieren teilweise sehr stark mit noch anderen Symptomen auf Schimmelpilz.“

Sabrina sitzt mit ihren Geschwistern auf einer Couch im Wohnzimmer. Hier schläft sie nachts neben ihrem Bruder Youseff (13) und ihrem Vater. Hier sitzt sie abends, wenn sie gemeinsam Fernsehen schauen. Hier sitzt sie auch, wenn sie für die Schule lernt.

Was die Kinder über die Wohnsituation sagen

Gern würde sie ein eigenes Zimmer haben. Wie alle Teenager. Und Youseff, der wie sein Bruder Amir (7) gern Fußball spielt und zum Glück einen sportlichen Ausgleich zur täglichen Enge in den eigenen vier Wänden hat, würde seine Freunde mal nach Hause einladen. „Aber das traue ich mir nicht“, sagt der 13-Jährige. „Wenn meine Freunde die Wohnung sehen, denken sie, dass wir arme Leute sind.“

Vater und Mutter machen beide gerade eine Ausbildung, sie qualifizieren sich weiter und kümmern sich um ihre Kinder. „Ich gehe viel mit ihnen nach draußen. Jetzt im Sommer schwimmen wir“, sagt der Vater. „Ja, ich bin Schwimmmeister“, freut sich der Neunjährige, und der Vater schmunzelt stolz.

Verzweifelte Wohnungssuche: „Wir Eltern haben Schuldgefühle“

„Inzwischen haben wir alle große seelische Belastungen durch die Enge der Wohnräume. Wir Eltern haben Schuldgefühle unseren Kindern gegenüber, weil wir ihnen nicht den Raum geben können, der für ein gesundes Aufwachsen wichtig wäre. Wir haben uns deshalb auch schon ans Jugendamt gewandt, aber dort konnte man nichts für uns tun, weil unsere Kinder gut erzogen sind und wir ja lediglich eine größere Wohnung bräuchten“, erzählt Fatima.

„Jetzt sind wir in einer Wohnung eines Privatvermieters, der keine größeren Wohnungen frei hat. Er setzt sich auch für uns ein, damit wir eine größere Wohnung bekommen. Er hat uns eine positive Vorvermieterbescheinigung ausgefüllt. Außerdem haben wir eine Dringlichkeitsbestätigung“, erzählt Fatima weiter und fügt hinzu. „Unsere Schufa ist leider nicht so gut seit drei Jahren, weil die Kita uns nicht rechtzeitig informiert hat, dass der Kitagutschein abgelaufen war. Dadurch bekamen wir eine hohe Rechnung der Kita, die uns zur Privatinsolvenz zwang.“

Wohnungssuche Hamburg: Welcher Vermieter in Altona kann helfen?

Die Eltern hoffen trotzdem, dass ein Vermieter ihnen eine Chance gibt, am liebsten in Altona oder angrenzenden Stadtteilen.

Diplom-Pädagogin Gabriele May, Beraterin für Mütter bei FLAKS e.V., dem Zentrum für Frauen in Altona, kennt Fatima seit sieben Jahren. Sie weiß um das Wohnungsproblem, das je mehr Zeit ins Land geht, immer drängender wird. „Ich habe Fatima Impulse für die Wohnungssuche gegeben. Doch bislang ohne Erfolg auf dem Wohnungsmarkt“, sagt sie. „Vielleicht liest ein privater Vermieter diese Zeilen und kann helfen. Aber die Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist angespannt.“

Begehrte Lage: Die Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist angespannt.
Begehrte Lage: Die Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist angespannt. © dpa | Christian Charisius

Mit Sorge blickt der Kinderschutzbund in Hamburg auf solche Situationen, die in Hamburg leider kein Einzelfall sind. „Jeder sechste Minderjährige wohnt in beengten Wohnverhältnissen“, sagt Birgit Ebers-Gößling, Leiterin des Kinderschutzzentrums Harburg. Gerade Kinder in der Pubertät hätten das Bedürfnis nach Abgrenzung von der Erwachsenen und nach Intimität. Das Risiko für Aggression und Gewalt könnte bei prekären Wohnsituationen erhöht sein.

SAGA: Nachfrage nach großen Wohnungen sehr hoch

Wie angespannt der Wohnungsmarkt in Hamburg ist, macht diese Zahl der SAGA deutlich. Der vermietungsbedingte Leerstand betrug im vergangenen Jahr gerade mal 0,2 Prozent. Wie SAGA-Sprecher Michael Ahrens dem Abendblatt sagte, verfügt das Unternehmen nur über sehr wenige Sechszimmerwohnungen. „Sie befinden sich vereinzelt im Gesamtbestand verteilt und sind aktuell sämtlich vermietet.“ Er rät der Familie, „ihr Gesuch für eine Lösung auf alle Hamburger Stadtteile auszuweiten, um die Chance zu erhöhen, entsprechende Angebote zu erhalten. Zudem empfehlen wir, sich aktiv auf Wohnungsangebote der SAGA im Internet zu bewerben. Die Nachfrage für Wohnungen dieser Größe ist jedoch allgemein hoch, weswegen wir unbedingt dazu raten, bei der Suche auch andere Wohnungsvermieter in Hamburg mit einzubeziehen.“

Fatima Raki zeigt auf eine dicke Aktenmappe, die auf dem großen Tisch im Wohnzimmer liegt und will dokumentieren, was sie schon alles unternommen haben. Selbst das Büro von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) weiß von ihrer langen Suche nach einer geeigneten Wohnung. Auf Abendblatt-Anfrage signalisierte jetzt der Baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion Altona, Gregor Werner, ein neues Hilfsangebot: „60 qm für sechs Menschen – das findet die SPD auch nicht richtig. Auch wenn wir die Hintergründe nicht kennen, wir würden immer versuchen zu helfen und zu vermitteln“, betont er.

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 Pastor Torsten Morche von der evangelischen Hauptkirche St. Trinitatis in Altona.
Pastor Torsten Morche von der evangelischen Hauptkirche St. Trinitatis in Altona. © St. Trinitatis Altona | St. Trinitatis Altona

Hamburger Pastor appelliert an Vermieter: Eine große Bitte

Unterstützung kommt auch von der Hauptkirchengemeinde St. Trinitatis Altona. Pastor Torsten Morche hat für die Familie einen „Unterstützerbrief“ verfasst, der sich direkt an potenzielle Vermieter wendet. Darin heißt es: „Ich möchte Sie als Wohnungsvermieter bitten, sich das Schicksal der Familie zu Herzen gehen zu lassen.“

Wer der Familie mit einem Wohnungsangebot helfen möchte, schreibt eine E-Mail an: mensch@abendblatt.de