Hamburg. Die Psychologin und YouTuberin Eva Wlodarek erklärt, wie wir mit gestärkter Resilienz die nächsten Monate gestalten können.
Ein neues Jahr hat begonnen. Wohl in den meisten von uns löst es gemischte Gefühle aus. Einerseits freuen wir uns auf das Gute, mit dem wir rechnen dürfen. Andererseits fürchten wir, dass uns negative Ereignisse bevorstehen. So sicher wie das Amen in der Kirche werden wir in den nächsten Monaten auch mit unangenehmen Situationen konfrontiert, etwa mit Konflikten oder Krankheiten.
Krieg und Krisen: So bilden Sie einen Schutzschirm
Vom Weltgeschehen mit Krieg, Terror und Klimakatastrophen einmal ganz abgesehen, auf das wir keinen Einfluss haben. Diese Sorgen trüben unsere Zuversicht. Doch was wäre, wenn wir uns auf die Herausforderungen vorbereiten könnten, indem wir eine Art inneren Schutzschild erzeugen?
Psychologin rät: Widerstandskraft entwickeln
Zu schön, um wahr zu sein? Tatsächlich ist das möglich. Wir können uns auf die Zukunft einstellen, indem wir unsere seelische Widerstandsfähigkeit entwickeln. In der Psychologie spricht man von Resilienz. Eigentlich stammt der Begriff aus der Materialkunde und beschreibt die Eigenschaft eines Werkstoffs, nach starker Verformung wieder in die ursprüngliche Gestalt zurückzuspringen.
Resilienz: Fähigkeit, Schweres zu bewältigen
Auf uns übertragen, bezeichnet Resilienz die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltenden Schaden zu durchleben und zu bewältigen. Resilienz ermöglicht es, uns an Veränderungen anzupassen und gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Klingt vielversprechend - aber gewiss sieht nicht jeder von uns die Möglichkeit, eine solche Stärke zu entwickeln. Vor allem, wenn wir im vergangenen Jahr unter einem Schicksalsschlag gelitten und uns noch immer nicht davon erholt haben.
Psychologin: Widerstandskraft kann man lernen
Oder wenn wir neidvoll auf Menschen schauen, die schlimme Ereignisse offenbar so viel besser verkraften als wir. Doch die gute Nachricht ist: Resilienz ist nicht angeboren, sondern lässt sich erlernen. Sie umfasst verschiedene Eigenschaften, die wissenschaftlich erforscht sind und die jeder von uns entwickeln kann.
Veränderungen annehmen und Situation anpassen
Ein erster Schritt besteht darin, Veränderungen als unvermeidlichen Bestandteil des Lebens anzuerkennen. „Panta rhei“ - alles fließt, wusste schon der griechische Philosoph Heraklit. Er betrachtete Bewegung als grundlegendes Prinzip des Seins. Auch unser Leben unterliegt einem ständigen Wandel. Von daher ist es sinnvoll, sich dem Unausweichlichen zu stellen. Vielleicht steht in diesem Jahr an, dass die Kinder aus dem Haus gehen oder ein Umzug fällig ist. Freundschaften entwickeln sich auseinander, Arbeitsbedingungen ändern sich. Was auch immer, es ist weniger anstrengend, mit dem Fluss zu schwimmen, als dagegen anzukämpfen. Das bedeutet allerdings, dass wir uns tapfer von manchem verabschieden müssen, anstatt uns an die alten Zustände zu klammern.
Was die Menschen weniger aus der Bahn wirft
Schicken wir uns ins Unvermeidliche, das gewiss auf uns zukommt. Indem wir lernen, Veränderungen anzunehmen und uns neuen Situationen anzupassen, können uns unerwartete Ereignisse weniger stark aus der Bahn werfen.
Hoffnungsvolle Menschen halten länger durch
Zur Resilienz gehört vor allem, Hoffnung zu entwickeln. Das bedeutet mehr als bloßer Optimismus im Sinne eines beschwichtigenden „Kopf hoch, das wird schon wieder“. Echte Hoffnung ist eine bewusste positive Einstellung zur Zukunft. Sie motiviert uns, aktiv zu werden und zu handeln. Der US-Psychologe Martin Seligman, führender Experte der Positiven Psychologie, belegt in zahlreichen Studien, dass diejenigen, die an eine Verbesserung ihrer Umstände glauben, größere Chancen haben, sie auch zu erreichen.
Eva Wlodarek: Hoffnungsvoll lebt es sich besser
Es leuchtet ein, dass hoffnungsvolle Menschen länger durchhalten als hoffnungslose, schließlich gehen sie ja davon aus, dass sich ihr Einsatz am Ende auszahlt. Um die eigene Hoffnung zu fördern, ist es nützlich, sich mögliche positive Ergebnisse vorzustellen und sich an Vorbildern zu orientieren, die bereits Erfolg hatten.
„Entweder ich gewinnen - oder ich lerne“
Dass Zuversicht verlorengeht, wenn wir in der Vergangenheit Misserfolge erlebt haben, ist sehr verständlich. Doch gerade dann ist es wichtig, sich neue Ziele zu setzen, um den Blick nach vorne zu richten und dadurch wieder Energie zu gewinnen. So wie mein persönlicher Held, der Segler Boris Herrmann. Er nahm 2020 an der Vendée Globe teil, einer der härtesten Regatten der Welt. Nach wochenlangen Strapazen war er kurz vor dem Sieg, als sein Boot nachts von einem Trawler gerammt wurde. Aus der Traum.
Was wir vom Segler Boris Herrmann lernen können
Ich hatte das verfolgt und dachte: „Oh je, davon erholt man sich nicht so schnell.“ Doch Herrmann war nur kurz geknickt, dann suchte er gleich eine neue Herausforderung: Die Ocean Race 22/23 zu segeln. Gerade zu Anfang des Jahres sollten auch wir uns realistische neue Ziele setzen. Lassen wir uns von früherem Versagen oder der Angst vor Fehlern nicht bremsen. Auch in diesem Jahr werden wir nicht perfekt sein. Wir werden uns gelegentlich unklug verhalten und falsch entscheiden. Resilient zu sein bedeutet, Fehler als Chancen zur Weiterentwicklung zu sehen, gemäß dem Satz: „Entweder ich gewinne – oder ich lerne.“
Alltag bietet Möglichkeiten, Resilienz zu stärken
Veränderungen akzeptieren, Hoffnung entwickeln und neue Ziele setzen – mit diesen Werkzeugen in unserem geistigen Handwerkskoffer können wir mit berechtigter Zuversicht ins neue Jahr gehen. Um unsere seelische Widerstandskraft zu trainieren, müssen wir nicht auf die nächste Krise warten. Der Alltag bietet ab sofort genug Gelegenheiten, unsere Resilienz zu vergrößern: Die Bahn kommt zu spät. Ein technisches Gerät funktioniert nicht. Beim Arzt muss man lange warten. In solchen Situationen sollten wir versuchen, entspannt zu bleiben. Ich sage mir dann, wenn auch oft zähneknirschend: „Danke für die Gelegenheit, Geduld zu üben.“ Kleine Probleme und stressige Situationen können uns vorbereiten, mit Gelassenheit und Flexibilität auf größere Herausforderungen zu reagieren.
Zeit in ein solides Netzwerk investieren
Gut ist auch zu wissen, dass wir nicht alles allein bewältigen müssen. Unterstützung von vertrauenswürdigen Menschen ist von unschätzbarem Wert, wenn es schwierig wird. Deshalb sollten wir uns fragen: Wo lassen sich die Bande enger knüpfen? Vielleicht bei Freunden, nahen Verwandten, Kolleginnen und Kollegen oder mit Nachbarn. Wobei sich empfiehlt, Zeit und Energie in den Aufbau eines soliden sozialen Netzwerks zu investieren, bevor wir dringend darauf angewiesen sind.
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Eva Wlodarek: Mut und Aktivität gefragt
Betrachtet man, was alles notwendig ist, um Zuversicht zu gewinnen, dann wird gewiss deutlich: Sie wird einem nicht geschenkt, sie will erarbeitet werden. Es erfordert Selbstreflexion, Mut und Aktivität. Doch das ist eine lohnende Investition - und nicht nur für dieses Jahr! An meiner Pinnwand hängt dazu gut sichtbar dieser Spruch: „Trau dich – es wird gut werden!“
Die Autorin Eva Wlodarek ist Psychologin, Therapeutin, Coach und Bestsellerautorin. Ihr YouTube-Kanal „Dr. Wlodarek Life Coaching” hat mehr als 230.000 Abonnentinnen.