Hamburg. In der „Plietschen Kinderküche Willkommen“von SchlauFox erfahren ukrainische Mädchen und Jungen Gemeinschaft und vieles über Ernährung.
Liebe geht durch den Magen, sagt man. Beim Projekt „Plietsche Kinderküche Willkommen“ kommt zur Liebe noch die Sprache hinzu. Denn das Kinderkochprojekt für ukrainische und andere ursprünglich nicht deutschsprachige Kinder verbindet Kochen, Sprachförderung und liebevolle Gemeinschaft auf einmalige Weise. Es ist das jüngste Projekt des gemeinnützigen Jugendhilfeträgers und Bildungsvereins SchlauFox und reagiert auf einen ganz dringenden Bedarf von geflüchteten und eingewanderten Kindern: den Hunger auf Wissen, auf gesunde und leckere Nahrung und aufs Ankommen-Können in einer neuen Welt.
Kinder in Hamburg; Sprachförderung mit Papier und Gemüse
Auf dem Tisch in der Schulküche der Louise-Schröder-Grundschule in Hamburg-Altona liegen um 11 Uhr schon Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten, Eier, Quark, Petersilie und Schnittlauch bereit, als die fünf Kinder hereinkommen. Eigentlich sind sie zu neunt im Kursus, aber heute sind einige krank. Die meisten von ihnen sind mit ihren Müttern und Geschwistern aus der Ukraine geflüchtet und auf die verschiedenen Klassen verteilt worden.
Ukrainische Kinder lesen die Gemüsenamen auf Zetteln
Im Kochprojekt werden sie von der SchlaufFox-Ehrenamtlichen Simone Mücke sowie Imke Mons, Lehr- und Verwaltungskraft an der Schule, begrüßt. Die Deutsch-Sprachkompetenzen der vier kleinen Ukrainerinnen und Ukrainer und des türkischen Mädchens sind noch rudimentär. Aber die Zettel mit den Gemüsenamen können sie schon vorlesen und den Zutaten richtig zuordnen.
Was eine Studentin über die ukrainischen Kinder sagt
Es gibt viele Gründe, warum die Kinder den Kursus gerne besuchen. Für viele ist er sogar das Lieblingsangebot an der Schule. Simone Mons erklärt, was den Unterschied macht, und sagt: „Die Kinder trauen sich im Kursus, die neue Sprache zu sprechen. Durch den Praxisbezug macht es einfach Spaß. Im Unterricht sind sie oft allein. Sie erfahren sich hier als Gruppe und nicht in einer Lehrer-Schüler-Situation“. Simone Mücke, die im 3. Semester „Mehrsprachigkeit und Bildung“ studiert, ergänzt: „Es ist so süß zu sehen, wie die Kinder sich gegenseitig aushelfen. Sie teilen sich Wörter mit, manche übersetzen für andere. Sie sind wie Schwämme.“
Von der Plietschen Kinderküche zum Wilkommensprojekt
Das Ursprungsprojekt, – die Plietsche Kinderküche – gibt es bereits seit 2009. Der Verein Schlaufox e.V. wollte mit dem Ansatz das Thema gesunde Ernährung ganz praxistauglich in die Schulen bringen – vor allem, um Schüler aus benachteiligtem Umfeld zu unterstützen.
Laut einer Studie des Robert Koch-Institutes weisen in Familien mit niedrigerem Sozialstatus nur 32 Prozent der Kinder und Jugendlichen einen sehr guten Gesundheitszustand aus. Der Zusammenhang mit dauerhafter Mangel- und Fehlernährung liegt hier auf der Hand. Die SchlauFox-Projektleiterin Melina Bergsdorf kann dies aus eigener Beobachtung bestätigen und sagt: „Die Kinder haben oft Kartoffelchips statt Butterbrot dabei und als Pausengetränk Kakaopäckchen, die so viel Zucker enthalten wie eine Cola“.
Für die ukrainschen Kinder wird die Schulküche bereitgestellt
Deswegen findet das Projekt an Grundschulen mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund oder belastenden Lebenssituationen. Die Schulen wählen die Schüler selbst aus und stellen ihre Schulküche zur Verfügung. Der handlungsorientierte Ansatz, der weder Deutsch- noch Lesekenntnisse voraussetzt, zeigte sich besonders erfolgreich, als 2016 vermehrt geflüchtete Kinder am Kursus teilnahmen und beim gemeinsamen Kochen erstaunlich schnelle Fortschritte beim Deutschlernen machten.
Als 2022 dann eine große Zahl von ukrainischen Kindern nach Hamburg kam, war die Idee geboren: die „Plietsche Kinderküche Willkommen“ als Kochkursus, der den Kindern über seinen Praxis- und Alltagsbezug den Einstieg in die deutsche Sprache erleichtert. „Kinder lernen so schnell, wenn sie etwas Starthilfe bekommen“, sagt SchlauFox-Geschäftsführerin Janna Hilger im Podcast „Von Mensch zu Mensch“, „und sie sind so dankbar für die Unterstützung, die wir ihnen geben“.
Ein Erfolg der Schulküche: Die Kinder sind deutlich ruhiger
Schon im ersten Durchgang nahmen neben der Louise-Schröder-Schule die Ganztagsschule Sternschanze und die Rudolf-Roß-Grundschule im Hamburger Portugiesenviertel teil, die jeweils ganze internationale Vorbereitungsklassen in den Kursus schickten. Im Schuljahr 2022–23 konnten so bereits 60 kleine Köche schnippeln, braten, dünsten, backen und sich dabei spielend deutsche Wörter, Sätze und Grammatik aneignen. Im aktuellen Schuljahr sind es 50 Kinder. Jeweils eine ehrenamtliche Kochkursleitung von SchlauFox und eine pädagogische Fachkraft der Grundschule kochen über ein Schuljahr lang einmal die Woche gemeinsam mit den Schülern.
SchlauFox: Am Ende des Kursus gibt es Selbstgekochtes
Die positive Wirkung, die der wöchentliche Kochkursus auf die Kinder hat, ist auch für die Lehrer deutlich sichtbar. Sie sind erstaunt, wenn sie hören, wie ruhig und friedlich sich die belasteten und teilweise auffälligen Schüler in der Schulküche verhalten, wie konzentriert sie teilnehmen. Melina Bergsdorf berichtet: „Ein Junge hat den Schulunterricht öfter verlassen, im Kochkursus ist uns das nie passiert. Er war immer von Anfang bis Ende dabei.“ Ein Geheimnis des Kursus liegt auch im schnellen Erfolgserlebnis: Am Ende jeden Kursus genießen die Kinder ein leckeres Gericht, das sie selbst kreiert haben.
Kinder in Hamburg: Was den Hamburger Grundschulen zu wünschen ist
Angesichts des großen Erfolgs der Willkommens-Kinderküche, wäre es wünschenswert, die Kochkurse flächendeckend an Hamburger Grundschulen durchzuführen. Denn nie haben mehr Kinder Basis- und internationalen Vorbereitungsklassen an Hamburger Schulen besucht, in denen meist geflüchteten Kindern Deutsch beigebracht wird. Laut Schuljahresstatistik hat sich die Zahl dieser Kinder seit dem Schuljahr 2013/14 mehr als vervierfacht. Allein im Jahr 2022 sind 42.211 Schutzsuchende aus der Ukraine und rund 12.000 Flüchtlinge aus anderen Ländern in Hamburg angekommen, davon ein Großteil Kinder und Jugendliche.
Die Aufgabe, die sich den Schulen damit stellt, ist enorm – und mit den herkömmlichen Ansätzen vielleicht nur in Teilen zu leisten. Die Kochkurse von SchlauFox sind hier also Gold wert. Als nicht staatliche Organisation arbeitet der Verein jedoch größtenteils spendenbasiert, auch wenn die Schulen einen finanziellen Eigenanteil leisten.
- Abendblatt hilft ukrainischen Flüchtlingen
- Ukrainische Füchtlinge in Hamburger Messehalle
- Schlaufox: Hamburger Schüler brauchen Hilfe
Gesucht für SchlauFox: Spender und Ehrenamtliche
Eine Ausweitung des Projekts ist vor diesem Hintergrund vor allem vom Spendeneingang und dem Engagement Ehrenamtlicher abhängig. Denn diese bilden das Rückrat aller SchlauFox-Programme. Leider ist die Lage, neue Engagierte zu finden, aktuell sehr schwierig. Corona, die Inflation und der Ukraine-Krieg haben dazu geführt, dass ein Rückgang im gesellschaftlichen Engagement zu verzeichnen ist, den auch SchlauFox schmerzlich zu spüren bekommt. Dabei werden ehrenamtliche „SchlauFoxe“ besonders gepflegt: Die Engagierten werden durch hauptamtliche Expertinnen qualifiziert, begleitet und beraten.
Schlaufox sucht neben Ehrenamtlichen für die Plietsche Küche auch Ehrenamtliche, die an ihrer Kooperationsschulen in Hamburg ein Ankerlicht-Mentoring in Begleitung durch Schlaufox starten möchten. Ein Mentoring bei dem Projekt Ankerlicht bedeutet 90 Minuten pro Woche, in denen man einen Schüler oder eine Schülerin unterstützt.
Infos: Katja Rathje, E-Mail: katja.rathje@schlaufox.de. Mehr Infos unter www.schlaufox.de