Hamburg. Das Projekt Musica Altona fördert Kinder und Jugendliche in Hamburg in ihren musikalischen und sozialen Fähigkeiten.
Das Mobilteil stur im Visier, reihenweise Serien inhalieren, in der Freizeit gelangweilt abhängen? Dass der Alltag facettenreicher und aufregend bunt sein kann, beweisen an diesem Nachmittag junge Leute in der Louise-Schröder-Schule in Altonas Altstadt. Beim Treffen im Musikraum in Stockwerk zwei gibt die Fantasie den Ton an. Ziel des kreativen Zusammenspiels ist es, einen besonders stimmungsvollen Verein in seinem 21. Lebensjahr aktuell zu präsentieren: Musica Altona. Der Name ist Programm.
In dem Verein musizieren Kinder und Jugendliche gemeinsam, unterstützt von der Bürgerstiftung
Erfahrene Dozentinnen und Dozenten erteilen in der Regel für insgesamt rund 300 Nachwuchsmusiker regelmäßig Gruppen-, hin und wieder auch Einzelunterricht: an zwei Schulen sowie im Jugendkunsthaus „Esche“ im Bezirk Altona. Die Vielfalt der Töne, die Kraft der Musik schafft Verbindungen – sozial, interkulturell, menschlich. Inklusion ist selbstverständlich.
Das Prinzip ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Der gemeinnützige Verein mit einem Jahresetat von gut 100.000 Euro heuert engagierte Musiklehrer an. Diese ermöglichen auch jenen Schülern einen qualifizierten und kostengünstigen Unterricht, deren Familien sich das sonst nicht leisten könnten. Die Hälfte des Etats wird durch Elternbeiträge erwirtschaftet. Die Bürgerstiftung Hamburg ist mit 15 Prozent dabei.
Die Hauptpersonen bei diesem Termin sind zwischen elf und 19 Jahre alt. Trotz unterschiedlicher Hintergründe und Instrumente herrscht Einklang. Norik Seeger (11), Fionn Miles (11) und Paula Ströh (12) zeigen sich enorm in Form. Nicht nur musikalisch. Nachdem sich das Trio gemeinsam mit dem Dozenten Thando Mabaso mit Trommeln und ein paar Rhythmen aufgewärmt hat, geben die Kinder Auskunft. Spürbar begeistert.
Die Motivation der Kinder begeistert die Musiker, die ehrenamtlich unterrichten
Norik ist vor vier Jahren als Erstklässler während einer Projektwoche der Grundschule auf den Geschmack gekommen. Favorit ist das Keyboard. „Das Musizieren in der Gruppe macht Spaß“, sagt Fionn aus Klasse sechs der Grund- und Stadtteilschule an der Löwenstraße in Eppendorf. Er schätzt das Schlagzeug besonders.
Paula vom Gymnasium Allee in Altona mag Instrumente, aber auch Gesang. Die plietsche Zwölfjährige hat ein paar Notizzettel dabei. „Die Erde ist rund und bunt“, steht auf einem Zettel. Mit vereinter Fantasie wird komponiert und getextet. „Ein bisschen wie Musikbasteln“, meint Paula. Sie hat ein Faible für Klassik, Rock ’n’ Roll und Ragtime.
Dozent Thando Mabaso nickt zustimmend. Der 37-jährige Musiker und Schauspieler bewies bereits zum Auftakt dieses Treffens Taktgefühl. Mit einer Djembe, einer Bechertrommel aus Westafrika, einem Blechklanginstrument namens Handpan sowie einer Marimba wurde lustvoll losgefetzt. Am Ende harmoniert der Rhythmus. „Für mich ist diese Aufgabe viel mehr als ein Job“, sagt Thando. „Die Motivation der Kinder fasziniert mich tagtäglich.“
Nicht nur das Spielen von Instrumenten kann ausprobiert und gelernt werden
Frederik Luedemann ist ein passendes Beispiel. Der 15-Jährige hat ein Cello mitgebracht. Vor sieben Jahren, in der zweiten Klasse, wurde seine Leidenschaft geweckt. Musica Altona ermöglicht ihm einmal wöchentlich Gruppenunterricht. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Nicht nur beim Musikfest zum 20. Geburtstag des Vereins im vergangenen Jahr, sondern auch bei einer Weihnachtsfeier im Elbe Einkaufszentrum beeindruckten Frederik und Co. das Publikum.
Aktuelle Favoriten des Cello-Trios sind Melodien aus den Piratenfilmen „Fluch der Karibik“. Ideen sind Trumpf, um Schüler in der Freizeit anzuziehen. Dann bleibt das Handy gern links liegen. „Bis auf eine Ausnahme sind alle Dozenten seit mehr als zehn Jahren dabei“, sagt Bethina Walbaum aus dem Vorstand von Musica Altona. Wie ihre Mitstreiterinnen ist die selbstständige Musikerin mit eigener Band ehrenamtlich aktiv.
- Musik: Mit 82 Jahren Bergedorfs dienstälteste Klavierlehrerin
- Musikprojekt Weingartenschule: Dicke Backen, schiefe Töne – aber ganz viel Spaß
- Soziales Engagement: Bücher schreiben für eine bessere Welt
Das Repertoire umfasst beispielsweise ein Geigenorchester und den „Altonaer Tastenspaß“ am Klavier sowie das Spiel mit Bratschen, Blasinstrumenten, Gitarren, Ukulelen, aber auch Musiktheorie, Gehörbildung und Projekte für Kitas. Fantasievolle Aktionen wie ein „Rollender Musikkoffer“ oder „Bellas Klangtonne“ fördern musikalische Früherziehung.
In den Ferien bietet Musica Altona Workshops an
So viel Idealismus mit Bodenhaftung, interkulturellem Anspruch und Zukunftsperspektive stößt auf offene Ohren. Das Team umfasst zwölf Musikausbilderinnen und Dozenten mit Wurzeln aus Südafrika, Iran, Ecuador, Kolumbien, Türkei und Deutschland. So wie Klavierlehrerin Serena Kahnert, die an der Sternschanze ein Atelier für Musik, Bewegung und Improvisation betreibt.
Bei Musica Altona spielt die Herkunft keine Rolle. Die Musik dafür eine umso größere. „Die Gruppenarbeit ist spannend“, weiß die Pianistin aus Erfahrung. „Auf das Zusammenspiel kommt es an.“ So wie bei den Ferien-Workshops, die der Verein immer im Mai organisiert. Und zum 21. Geburtstag dieser Idee, die sich zur Institution entwickelte, soll Ende des Jahres den Idealen entsprechend gefeiert werden: mit Niveau, Charme, Charakter. Und fröhlich. Natürlich.
Womit wir bei Emma Probst angelangt sind. Die mit 19 Jahren Älteste des Quintetts beweist, wie es klingt, wenn die musikalische Saat aufgeht. In jeder Beziehung. Da ihre jüngere Schwester Lilith an diesem Spätnachmittag krankheitsbedingt passen muss, sitzt Emma solo am E-Piano. Beide haben Unterricht bei Serena Kahnert.
Musik ist eine Bereicherung und begleitet einen das Leben lang
Emmas Erscheinen hat einen guten Grund: Vor zwölf Jahren ließ Musica Altona ihre Begabung keimen. Mit sieben entdeckte Emma an der Grundschule Bahrenfelder Straße Leidenschaft und Talent für das Klavierspiel. Daraus entwickelte sich mehr. „Ich fing früh Feuer für Musik“, sagt die Abiturientin rückblickend. Trifft sie jüngere Schüler, kann sie heutzutage ihre Begeisterung weitergeben.
Demnächst will Emma Probst zu einem Auslandsjahr nach Australien aufbrechen – als Au-pair. Wahrscheinlich nimmt sie ein Rollklavier mit an Bord. Das wiegt kaum mehr als ein Kilo. Kann jedoch sehr viel Freude bringen.