Das Jugendkunsthaus Esche in Altona bietet viele kreative Kurse an. Die Jungen und Mädchen lernen Teamwork und Disziplin

Mattis und Milan, beide elf, kommen dienstags genauso in die Esche wie der 24-jährige Flüchtling Mohammad. Dann lassen sie sich von Christian „Beat Boy“ Delles in die Graffitikunst einweisen. Wobei einweisen sich so streng anhört, nach Schule, nach Leistung und Noten. Aber genau darum geht es in der Esche gar nicht. Im Gegenteil: Das Jugendkunsthaus in Altona ist ein Ort, der Kinder und Jugendliche durch Kunst fördern will und sich an diejenigen richtet, deren Eltern sich keinen Graffiti-, Hip-Hop- oder Video-Kurs leisten können. Denn das Mitmachen ist kostenlos. Im Februar wird das gemeinnützige Unternehmen ein Jahr alt.

Nach der Schule kommen die Kumpel Mattis und Milan vom Gymnasium Allee zusammen in den Eschelsweg. Dann greifen sie sich einen Apfel. Das Obst liegt für alle an dem großen einladenden Holztisch im Erdgeschoss bereit. Manche nehmen Wasser oder Tee. „Sie sollen sich wie zu Hause fühlen“, sagt Esche-Leiter Andreas Fleischmann. Aber zu gemütlich soll es auch nicht sein. Denn chillen und ausruhen ist nicht gewünscht. In der ehemaligen Fabrik für Laborgeräte sollen die Mädchen und Jungen aktiv sein. Das unterscheidet das Kunsthaus von den Angeboten der offenen Kinder- und Jugendarbeit. „In den Jugendzentren können sie auch einfach mal abhängen“, sagt Andreas Fleischmann. Das sei völlig in Ordnung. Doch in der Esche liegt der Schwerpunkt eben auf dem Machen. Das Konzept richtet sich nach dem Vorbild von Jugendvolkshochschulen und öffentlichen Jugendkunstschulen in anderen Bundesländern. In Hamburg ist das Esche-Konzept bislang einzigartig. „Wir bemühen uns, das städtische Angebot der offenen Kinder- und Jugendarbeit durch Angebote der kulturellen Bildung zu unterstützen“, so Fleischmann. Weil er das als Ergänzung verstanden sehen will, ist ihm das Miteinander mit den benachbarten Kinder- und Jugendeinrichtungen wichtig. Entsprechend gut ist er mit ihnen vernetzt. Finanziert wird die Esche ausschließlich mit Spenden.

Und diese Spenden bringen ein besonders hochwertiges Angebot zustande, mit gut bezahlten Kursleitern. Möglich macht das eine bekannte Hamburger Unternehmerfamilie. Sie hat die 600 Quadratmeter auf den zwei Etagen renovieren lassen, um in schickem Fabrikloft-Ambiente Kurse anzubieten, die Soulwriting (Song-Werkstatt) heißen, Street Stylers, Stop Motion Lab (Trickfilm), Pop to go (Videoreportage), De­luxe Kidz (Rap) und eben Graffiti und Breakdance. Mattis und Milan sind zwei von mittlerweile 150 Kindern ab der fünften Klasse, die hier nachmittags ab 14 oder 16 Uhr bis abends tanzen, rappen, zeichnen oder singen. Die Initiatoren der Esche hatten die Idee dazu vor etwa drei Jahren, im vergangenen Jahr war dann die Eröffnung. Weil es der Unternehmerfamilie nicht um PR geht, möchte sie anonym bleiben.

Gerade hetzen zwei Mädels an diesem Dienstagnachmittag die Treppe hoch in die erste Etage. Ihr Klavierunterricht beginnt in zwei Minuten – ein Angebot von Musica Altona. Der Verein bietet auch Geigenunterricht an. Nicht kostenlos, aber mit 20 Euro im Monat inklusive Leihinstrumenten unschlagbar günstig. „Wir arbeiten auch mit Schulen, anderen Stiftungen und Vereinen zusammen“, sagt Fleischmann. Auch die Ganztagsangebote von umliegenden Grund- und Stadtteilschulen finden hier statt. Außerdem waren Schüler der Elbschule für hörgeschädigte Kinder und der Schule Carsten-Rehder-Straße bereits in der Esche.

Die Kursleiter begegnen den Kindern auf Augenhöhe

Christian „Beat Boy“ Delles ist einer der 21 Kursleiter, die mit den Jungs und Mädels arbeiten. Wichtig ist ihm dabei, nicht wie ein Lehrer daherzukommen. „Wir sind keine Schule und begegnen uns auf Augenhöhe. Wir begleiten die Kids auf ihrem kreativen Weg.“ Nebenbei und ohne erhobenen Zeigefinger lernen seine Kids Teamwork, Rücksichtnahme und Durchhaltevermögen. Beim Rappen entwickeln sie ein Gefühl für Sprache und erweitern ihren Wortschatz. Es gehe immer darum, die Eigenverantwortlichkeit zu entwickeln, ihnen die Möglichkeit zu bieten, Ideen einzubringen. Jedes Kind, jeder Jugendliche sei etwas Besonderes und bringe Potenzial mit. „Alle ragen auf ihre Weise heraus“, sagt Delles. Luisa (Name geändert) kann gut zeichnen und möchte Grafik-Design studieren, weist aber Verhaltensauffälligkeiten auf. Dann ist da Henry und sein Kumpel David (12), der aus Billstedt kommt. Oder Mohammad, der erst vor eineinhalb Jahren aus dem Iran allein nach Hamburg gekommen ist, fließend Deutsch spricht und als Co-Trainer kleine Gruppen leitet. Er lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in Tötensen und träumt von einer eigenen Wohnung und einer Ausbildung in der IT-Branche. Die Mischung macht es.

„Wir sind Inklusion“, sagt Delles. „Andere reden nur davon.“ Früher musste Esche-Leiter Fleischmann sich Gedanken über Angebote machen. Jetzt kommen Vorschläge von außen. Gerade kam die Idee auf, etwas mit einem Gehörlosenchor auf die Beine zu stellen. Auch wenn die Kurse kostenlos sind, wird Wert auf regelmäßiges Erscheinen gelegt. Vertragliche Verpflichtungen gibt es aber keine. „Ein wenig Verbindlichkeit muss sein“, so Fleischmann. Eine Entschuldigung werde erwartet, anderenfalls gibt es eine E-Mail nach Hause. Ansonsten spielen Eltern kaum eine Rolle. „Die Esche soll Freiraum für die Kinder und Jugendlichen sein.“

Infos: Esche, Eschelsweg 4, T.: 730 81 04 50, E-Mail: kontakt@esche.eu, www.esche.eu