An Geld für Vertretungen mangelt es den Hamburger Schulen nicht. Doch es gibt kaum geeignete Lehrkräfte. Folge: häufiger Unterrichtsausfall.
Hamburg. Wie hoch der Unterrichtsausfall an den Schulen ist, zählt zu den großen Unbekannten der Schulpolitik. Seit einigen Jahren werden die Fehlquoten an den mehr als 420 Standorten nicht mehr zentral erfasst.
Einen Hinweis auf die Dimension des Problems Unterrichtsausfall gibt der Krankenstand der Lehrer, der einmal pro Jahr im Personalbericht der öffentlichen Verwaltung erfasst wird. Danach lag die krankheitsbedingte Fehlzeitenquote im Schuljahr 2008/09 bei 5,3 Prozent - im Schuljahr zuvor waren es fünf Prozent. Den höchsten Krankenstand hatten 2008/09 die Sonderschulen mit sieben Prozent, gefolgt von den Grund-, Haupt- und Realschulen mit 5,6 Prozent. Am niedrigsten war die Fehlquote an den Gymnasien mit 4,3 Prozent. Im Durchschnitt waren die Lehrer seltener krank als die öffentlich Beschäftigten insgesamt, deren Quote 7,1 Prozent (2008: 6,9) betrug.
Die Krankheitsquote sagt nichts darüber aus, in wie vielen Fällen es den Schulen gelungen ist, Stundenausfall durch Vertretungen zu vermeiden. Der Trendforscher Prof. Peter Wippermann hatte mit einem "Wutbrief", den das Abendblatt gestern veröffentlichte, auf die seiner Meinung nach katastrophale Lage an der Grundschule Turmweg (Rotherbaum) aufmerksam gemacht, die seine Tochter besucht. Die Fehlquote dieser Schule ist mit 7,74 Prozent leicht überdurchschnittlich (siehe unten stehenden Bericht).
Das Abendblatt hat sich bei Schulleitern umgehört. Danach stehen die finanziellen Mittel bereit, um Unterrichtsausfall zu vermeiden. Zunehmend problematisch wird es angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt jedoch, qualifizierte Ersatzkräfte zu finden. Im Etat der Schulbehörde sind 753 Lehrerstellen für den Vertretungsunterricht vorgesehen. Ein mittelgroßes Gymnasium mit 850 Schülern erhält zum Beispiel 2,4 Stellen für Vertretung und Organisation.
"Bei uns gibt es kein Problem, Gelder für Vertretungslehrer von der Schulbehörde zu erhalten, sondern tatsächlich qualifizierten Ersatz zu bekommen", sagte Dieter Koch, Schulleiter der Stadtteilschule Horn. Es gebe keine "Lehrer-Reservearmee" mehr, die für Vertretung bereit stehe. "Wir Schulen waren jahrzehntelang verwöhnt, weil es viele Lehrer gab, die sich mit Teilzeit- und Vertretungsjobs über Wasser hielten", so Koch.
Inzwischen würden nur noch Kollegen zur Verfügung stehen, die nach dem Referendariat auf einen Platz warten, oder Studenten, die gerade das erste Staatsexamen hinter sich haben. "Aus der Not muss ich als Schulleitung auf diese Leute zurückgreifen. Auch wenn es zynisch klingt, aber ich nehme lieber irgendjemanden, als dass ich gar keine Vertretung habe", sagt Koch.
"Wir haben derzeit saisonbedingt einen hohen Krankheitsstand, da schicken wir Schüler schon mal früher nach Hause oder bestellen sie später ein", sagte Jan Baier, der die Stadtteilschule Am Hafen leitet. Auch er habe ein Problem, Fachpersonal zu bekommen; so fände er derzeit zum Beispiel keinen Mathelehrer für die Oberstufe.
Sven Kertelhein ist Schulleiter des Gymnasiums Hamm. Für kurzfristig erkrankte Lehrer, die nur ein paar Tage fehlen, habe er eine Vertretungsreserve. Das heißt, ein anderer Kollege springt ein, allerdings kann es sein, dass das Fach nicht hundertprozentig passt. Wenn jemand länger ausfällt, schaue er in das Internetportal für Vertretungslehrer, das die Schulbehörde eingerichtet hat. "Aber der Markt ist leer gefegt. Gerade in den Naturwissenschaften wie Physik oder Chemie fehlen Lehrer. Es sind zudem nicht alle Bewerber dort in dem Portal wirklich klasse." Er nehme deswegen auch Studenten. "Manchmal telefoniere ich Tag und Nacht, um Ersatz für kranke Kollegen zu finden. Ab und zu stockt einer unserer Lehrer auch für kurze Zeit seine Stunden auf." Die größte Schwierigkeit seien für ihn jedoch Lehrer, die nicht voraussagen können, wie lange sie wegbleiben. "Da kann ich keinen Ersatz ,einkaufen', weil ich nicht weiß, wie lange ich ihn brauche."