Der Modellversuch endet in diesem Schuljahr. Die Erfahrungen sind positiv. Voraussetzungen: Die Klassen dürfen nicht zu groß sein und es müssen ausreichend Lehrerstunden vorhanden sein.

Elif (11) zeigt auf das Papier vor sich und guckt dann zu Asim (12): "Komm, wir versuchen es noch mal", sagt sie. "Wenn du 9 ½ als Bruch schreibst, wie viel ist das?" Asim fängt an zu zählen: "18 Halbe", sagt er. Elif schüttelt den Kopf: "Du hast was vergessen." Da fällt bei Asim der Groschen. Am nächsten Tisch haben Kiki (12) und Merve (11) die Karten eines Domino-spiels auf dem Tisch verteilt. "Die Zahlen und die Bilder müssen zusammenpassen", erklärt Rhamsi (11). Mathematikunterricht in der 6b an der Schule beim Pachthof. Thema: Bruchrechnen. "Wer mit dem Domino fertig ist, darf sich einen Forscherzettel mit Aufgaben holen", sagt Lehrerin Irma Wotka (59). Sofort springen die ersten auf.

Die 24 Schüler der 6b sind so etwas wie Vorreiter der geplanten Hamburger Schulreform. Seit sechs Jahren lernen sie gemeinsam - in der Grundschule. "Wir machen hier das, was in den Primarschulen demnächst für alle kommt", sagt Schulleiter Adrian Klenner (44). 2000 hatte die Grund-, Haupt- und Realschule den Schulversuch gestartet. Insgesamt dreimal wurden je zwei Klassen in die sechsjährige Grundschule eingeschult. Nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün zur CDU war Schluss. Der jetzige sechste Jahrgang ist der letzte. Vorerst.

Von Anfang an, erklärt Klenner, habe die Schule auf unterschiedliche Lernformen gesetzt. "Wir haben im Unterricht differenziert, und in der 5. und 6. Klasse werden die Schüler in den Hauptfächern stundenweise nach Lernniveaus getrennt unterrichtet." Teilweise hätten auch Gymnasiallehrer Unterricht gegeben, vor allem in Französisch. "Entscheidend für den Erfolg der sechsjährigen Grundschule ist, dass es nicht nur eine Verlängerung der Grundschulzeit ist, sondern dass inhaltlich anders gearbeitet wird", sagt der engagierte Pädagoge, der seit 2007 die Schule in dem sozialen Problemstadtteil leitet. Insgesamt seien die Erfahrungen positiv. Klenners Bilanz: "Die Kontinuität schafft ein besseres soziales Arbeitsklima." Das wissenschaftliche Begleitprogramm des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung unter dem jetzigen Staatsrat Ulrich Vielhuf habe teilweise sogar höhere Lernzuwächse als an Gymnasien ermittelt.

"Es hängt viel vom Lehrer ab", sagt Elternvertreter Matthias Tegelah (43) nach fünf Jahren Erfahrungen mit der neuen Schulform. "Wenn die gut sind, ist es eine gute Sache." Auch viele Schüler mögen ihre Schule. "Ich bin froh, dass ich so lange mit meinen Freundinnen zusammenbleiben konnte", sagt Kiki (12). Sven (11) dagegen freut sich auf eine neue Schule mit anderen Mitschülern. Dass die Schüler nach sechs Jahren gemeinsamen Lernens auf dem Gymnasium mithalten können, bestätigt Wolfgang Dittmar, Direktor des benachbarten Gymnasiums Hamm: "Es kommen jedes Jahr Schüler. Ich kenne nur eine, die es bei uns nicht geschafft hat."

In der 6b ist es inzwischen ziemlich laut geworden. Dazwischen brüten einige über ihrem Arbeitszettel. "Ich helfe oft anderen", sagt Alex (11), der im nächsten Schuljahr aufs Gymnasium wechseln möchte. "Ich schätze, dass ein Viertel der Klasse das schafft", sagt Lehrerin Wotka. Darunter einige, denen sie es nach der 4. Klasse nicht zugetraut hätte. "Gerade in der 5. und 6. Klasse machen viele Kinder eine große Persönlichkeitsentwicklung durch."

Ähnliche Erfahrungen hat auch Ulrike Barthe-Rasch (45), Schulleiterin der Schule Bei der Katharinenkirche, die bis Ende vergangenen Schuljahrs ebenfalls an dem Schulversuch teilgenommen hat. "Der Stolperstein ist die zweite Fremdsprache in der 6. Klasse." Da seien die einen leicht überfordert und die anderen unterfordert. Ihr Fazit, das sie und ihr Kollegium auch der Bildungssenatorin in einem Brief mitgeteilt hat: im Prinzip erfolgreich, "aber ohne zusätzliche Lehrerstunden geht es nicht".

Ihr Kollege Klenner macht es noch ein bisschen deutlicher: "Es muss eine ausreichende Ausstattung an Lehrerstunden da sein, sonst können wir nicht garantieren, dass die Stärkern entsprechend gefördert werden." Wenige Minuten vor dem Pausenklingeln haben in der 6b viele Schüler die meisten ihrer Aufgaben gelöst. Elif will zu Hause weiterrechnen: "Ich will mich bis Schuljahresende noch verbessern."