Ich erzähle jetzt erst mal eine sehr alte Geschichte. Sie spielt in den 70er-Jahren, also kurz nach der Steinzeit. Es gab keine Handys, keine...

Ich erzähle jetzt erst mal eine sehr alte Geschichte. Sie spielt in den 70er-Jahren, also kurz nach der Steinzeit. Es gab keine Handys, keine Laptops, keine Videospiele - Strom und Fernsehen hatten wir aber schon. Es wurde sogar Fußball gezeigt. Manchmal sogar live. Das allerdings nur bei Europa- und Weltmeisterschaften. Oder bei Europacup-Endspielen. HSV gegen Ajax Amsterdam oder Mönchengladbach gegen Nottingham Forest in der dritten Uefa-Cup-Runde gab's höchstens in der Vier-Minuten-Zusammenfassung. Am späten Abend, selten vor 22.30 Uhr. Wie sollte ich als Zehnjähriger nun meine Eltern überzeugen, dass ich meine heiß geliebten Mönchengladbacher u n b e d i n g t sehen muss. Meine Mutter ließ sich dann auf folgendes Geschäft ein: Ich ging besonders früh ins Bett, um schon mal zu schlafen, zum Spiel hat sie mich dann geweckt. Vorschlafen hieß das. Dass ich vor Aufregung kein Auge zugemacht habe, musste sie ja nicht unbedingt wissen ...

Morgen spielt der HSV wieder gegen Ajax Amsterdam. Das Spiel wird natürlich live übertragen, aber erst ab 21 Uhr. Und während die Lehrer fürchten, dass am Freitagmorgen eine total übermüdete Klasse den Mathetest kollektiv versemmelt, sehen sich die Eltern den Quengelattacken der Kids ausgesetzt. "Bitte, bitte, bitte, Mama." Nun ergeben sich für die Erziehungsberechtigten drei Möglichkeiten:

1. Knallhart bleiben: "Ab ins Bett, keine Diskussion, Fußball kannst du Sonnabend wieder gucken." Kann man machen.

2. Der Kompromiss: "Die erste Halbzeit darfst du gucken, dann musst du ins Bett." Ganz schlechte Taktik. Riesen-theater mit den Gören, außerdem ein klarer Fall von seelischer Grausamkeit.

3. Nachgeben, aber die Situation ausnutzen: Denn nach dem "Bitte, bitte, Mama" kommt garantiert ein "dafür werde ich auch ..." Zum Beispiel Zimmer aufräumen, Müll rausbringen, in der Küche helfen. Ganz klar die Königslösung - Zimmer sauber, Kind glücklich. Und am Sonnabend kann es ausschlafen.