Bisher sei es nicht gelungen, Kinder aus Einwandererfamilien optimal zu integrieren, räumt Bildungssenatorin Goetsch ein. Doch laufende Reformen zeigen erste Erfolge - die kommende PISA-Studie könnte besser ausfallen. Abendblatt macht Schule - machen Sie mit! Hier geht's zu den PISA-Ergebnissen im Vergleich. Erfahren Sie hier, was Die Vorgänger von Christa Goetsch zur Schulpolitk sagen.

Am Tag nach dem zweiten PISA-Schock beginnt nun die Suche nach den Gründen. Bei der Schulbildung ist die Hansestadt laut Studie eines der Schlusslichter der Republik. Noch hinter Berlin, der Stadt also, die vor einiger Zeit mit kiffenden Leistungsverweigerern an der berüchtigten Rütli-Schule in die Schlagzeilen geriet. Wie konnte das schlechte Ergebnis zustande kommen? Ein Rechenspiel scheint die Antwort zu geben: In keinem Land ist die Leistungsdifferenz zwischen einheimischen Schülern und Schülern mit Migrationshintergrund so hoch wie in Deutschland. Das könnte für Hamburg heißen: Schüler ohne deutsche Muttersprache haben es hier besonders schwer. Auch Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) sagt: "Es ist bisher nicht gelungen, die Kinder aus Einwandererfamilien so zu integrieren, dass sie die gleichen Chancen haben wie ihre deutschen Mitschüler."

Und doch hat Hamburg bereits auf den ersten PISA-Schock im Jahr 2001 reagiert. Bereits angelaufene Fördermaßnahmen spiegeln sich allerdings noch nicht wider in der aktuellen Studie, deren Testergebnisse aus dem Jahr 2006 stammen.

Die Grundschule im Stadtteil Mümmelmannsberg: Hier hat sich das Verhältnis zwischen deutsch- und fremdsprachig aufgewachsenen Kindern in den vergangenen 20 Jahren glatt umgedreht. "Höchstens ein Viertel unserer Schüler wächst noch in komplett deutschen Familien auf", sagt Schulleiter Joachim Ninow. Trotzdem, an der Schule gebe es nur drei Kinder, deren Sprachkenntnisse nicht ausreichten, um dem Unterricht zu folgen. Die im Jahr 2003 beschlossene "Sprachfrühförderung", also bereits bei Viereinhalbjährigen mit dem Deutschunterricht zu beginnen, zeige "deutliche Erfolge." Weil Eltern ihre Kinder im Vorschulalter persönlich zum Unterricht bringen, besteht bereits früh Kontakt zwischen Familie und Pädagogen. "Wir können beispielsweise den Tipp geben, dass ein Fernseher nicht ins Kinderzimmer gehört", so Ninow. Dies sei entscheidend, da sich gerade Einwandererfamilien der zweiten Generation häufig in "ihre eigene Welt" zurückziehen. Und: Bereits vor einigen Jahren wurde die Klassenstärke an der Grundschule Mümmelmannsberg von jeweils 28 auf 19 Schüler reduziert, im Gegenzug hat die Stadt den Etat für Lehrer aber um 20 Prozent erhöht, um mehr Sprachförderstunden anzubieten. "Integration braucht Kapazitäten. Das hat die Behörde erkannt und entsprechend Geld in die Hand genommen", sagt Ninow.

Der Schulleiter glaubt, dass die PISA-Studie deutlich besser ausfallen wird, wenn in vier Jahren Schüler den Test machen, die von den Reformen profitiert haben. Noch besser werde die Betreuung, wenn seine Schule bald ganztags arbeitet. Entscheidend bleibe jedoch die Leistung der Lehrer. "Die besten müssen in die schwierigsten Stadtteile". Um dies zu fördern, sei eine Bezahlung nach Leistung sinnvoll.

Lehrer ist auch Suat Aytekin (34). Er unterrichtet Geschichte und Gemeinschaftskunde an der Julius-Leber-Schule in Schnelsen. Das "politische Modewort Migrationshintergrund" hört der Gymnasiallehrer nicht gern. Er sei ein "Pädagoge mit türkischen Wurzeln", sagt der gebürtige Lübecker. "Ich bin Lehrer für alle Kinder, kein Übersetzer für eine Gruppe." Lehrer aus Zuwandererfamilien seien dennoch wichtig - als Vorbilder. "Als Beispiel dafür, dass jeder erfolgreich seinen Weg gehen kann." Wie Suat Aytekin. Er besuchte zunächst die Hauptschule, holte das Abitur später nach. "Es gibt Erfolgsgeschichten", sagt er. "Nur werden viele davon leider nicht erzählt."

Sprache sei der Schlüssel zu Bildung. "Darüber gibt es keine Diskussion", sagt der Vater eines Sohnes. Die deutsche Sprache müssten Kinder vor der Einschulung erlernen. "Für einen Lehrer ist es unmöglich, Sprache und Inhalte gleichzeitig zu vermitteln."

Während in Aytekins sechster Klasse nur zwei Schüler mit ausländischen Wurzeln sitzen, haben an der Gesamtschule Wilhelmsburg 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund. "Gut, wenn man die Herkunft der Kinder aus eigener Erfahrung kennt", sagt Hülya Ösün (47), die Deutsch, Philosophie und Türkisch lehrt.

Trotzdem sind Lehrer aus Zuwandererfamilien eine Ausnahme - auch in Hamburg machen sie geschätzt höchstens zwei Prozent aus. Die "Zeit"-Stiftung will mit einem Schülercampus mehr Migrantenkinder für den Lehrerberuf begeistern. Vorstand Markus Baumanns: "Lehrer mit Migrationshintergrund können in Klassen mit Zuwandererkindern überzeugender den Lehrstoff vermitteln, Brücken zu den Eltern schlagen und die Schüler aufgrund eigener Erfahrungen besser beurteilen."