Hamburg. Angeklagter behauptet, dass ihm die Filme unaufgefordert überspielt worden seien. Doch die Ex-Lebensgefährtin belastet ihn schwer.

Seine Sitzposition erinnert entfernt an eine Yoga-Figur. Die könnte dann beispielsweise „verdrehter Salamander“ oder „Wegschauender Bär“ heißen. Bequem sieht es jedenfalls nicht aus, was Christof N. (Name geändert) da fabriziert; seine Körperhaltung, bei der er Kopf und Rumpf in größtmöglichem Winkel zum Unterkörper verrenkt hält, weg vom Zuschauerbereich des Gerichtssaals. Bloß nicht das Gesicht zeigen, scheint sich der 31-Jährige zu denken. Doch verstecken geht nicht. Der Hamburger muss sich einem Vorwurf stellen, von dem er beharrlich behauptet, dass er „so etwas nie tun würde“. Kinderpornografie? „Damit will ich nichts zu schaffen haben.“

Die Staatsanwaltschaft hat eine andere Überzeugung: Sie hat Christof N. wegen versuchten Missbrauchs einer Minderjährigen sowie wegen des Besitzes von kinderpornografischen Dateien angeklagt. Im Einzelnen wird dem arbeitslosen Mann vorgeworfen, auf der meist von Jugendlichen genutzten Internetplattform Knuddels mit einer vermeintlich Zwölfjährigen gechattet und dabei vor laufender Kamera unter anderem sexuelle Handlungen an sich vorgenommen haben. Darüber hinaus soll der 31-Jährige auf seinem Computer Hunderte Bild- und Videodateien gehortet haben, die den sexuellen Missbrauch von Mädchen überwiegend im Grundschulalter zeigen.

Er soll mit Zwölfjährigen gechattet haben

„Ich habe die Dateien besessen“, räumt der Angeklagte ein, ein blasser, etwas milchgesichtiger Typ in Jeans und Kapuzenpulli. Die Bilder und Filme seien ihm allerdings unaufgefordert zugespielt worden, von einer Bekannten. „Ich wurde nicht gewarnt, was das ist. Sie sagte lediglich, das seien schöne Bilder“, erzählt der 31-Jährige. „Ich habe sie nur flüchtig angeschaut, dann gelöscht und fertig. Damit war das für mich erledigt. Ich will mit solchen Dingen nichts zu tun haben“, schiebt er mit energischem Tonfall hinterher.

Auch die sexuell motivierten Chats bei Knuddels müsse jemand anderes ausgeführt haben, betont Christof N. Nach seiner Darstellung müsste es sich um eine krasse Anhäufung von unglücklichen Zufällen oder gar eine Verschwörung mit gefälschten Chatprofilen und fremden Nutzern seines Internetanschlusses gehandelt haben, die die Fährte fälschlich in seine Richtung legten. Allerdings müsste jemand, der ihm ein unechtes Profil unterjubelt, Christof N.’s übliche Mailadresse benutzt und unter anderem genau über seine Hobbys Bescheid gewusst haben.

Angeblicher Hexenschuss

Wie wahrscheinlich ist das? Doch der 31-Jährige insistiert: „Ich kann es definitiv nicht gewesen sein!“, versichert der Hamburger in Bezug auf die Aufnahmen, die einen Mann in einem Badezimmer zeigen, der im Stehen an sich manipuliert. „Ich hatte damals einen Hexenschuss und konnte mich kaum aus dem Bett bewegen“, argumentiert er.

Ein Einsatzplan seines Arbeitgebers zeigt allerdings, dass er am nächsten Tag im Job erschien. „Dann kann das mit dem Hexenschuss so schlimm ja nicht gewesen sein“, kommentiert die Amtsrichterin trocken. Auch die Zeugenaussage der damaligen Lebensgefährtin des Angeklagten ist nicht geeignet, Christof N. zu entlasten. „Doch, das war unser Badezimmer“, nickt sie, als ihr Bilder von dem Raum vorgelegt werden, in dem ein Mann besagte sexuelle Handlungen gefilmt haben soll. „Ich wusste, dass er mit vielen Leuten chattet, aber er behauptete immer, das sei harmlos“, berichtet die 24-Jährige, die sich kurz nach einer Hausdurchsuchung von dem Angeklagten getrennt hat.

82 Videos mit Kinderpornografie

Besagte Hausdurchsuchung löst bei Christof N. noch immer unangenehme Erinnerungen aus. „Da träume ich heute noch schlecht von“, mault der 31-Jährige. Er und seine Freundin seien „angeschrien worden“. Vor allem aber ist seitdem eine externe Festplatte beschlagnahmt, die sorgfältig im Schrank unter Kleidungsstücken versteckt war. Die auf dem Datenspeicher gefundenen Dateien enthielten Hunderte Fotos und 82 Videos mit Kinderpornografie. Und die, erklärt ein Computerexperte als Sachverständiger, waren systematisch abgespeichert, versehen mit zum Material passenden Stichworten wie „12-Year-old“ - und keineswegs gelöscht, wie der Angeklagte behauptet hatte.

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Bettina
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Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall © HA | Andreas Laible

Für die Staatsanwältin ist offensichtlich, dass Christof N. der Täter war. Mit eindrücklichen Worten schildert sie in ihrem Plädoyer, wie Kinder für die Herstellung solcher Fotos und Videos massiv missbraucht werden und darunter leiden. „Alles, was Sie uns erzählen, sind billige Ausreden“, so die Anklägerin. Auch die Amtsrichterin ist von der Schuld des 31-Jährigen überzeugt. Im Ergebnis gibt es „viel zu viele Mosaiksteine, die zusammenpassen“, fasst die Vorsitzende zusammen und verurteilt Christof N. zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu zehn Euro. Zwar habe der Hamburger nicht bei der Herstellung solcher Missbrauchsvideos geholfen, so die Richterin. „Aber wer Kinderpornografie konsumiert, macht sich mitschuldig“, redete sie dem Angeklagten ins Gewissen.