Hamburg. Was als Akt der Mitmenschlichkeit getarnt war, entpuppte sich als mieses Betrugsmanöver. Ein Opfer wollte sich das Leben nehmen.
Da war sie, die junge Frau, plötzlich aufgetaucht, scheinbar zur rechten Zeit am rechten Ort. Fast ein bisschen wie ein guter Geist, hilfsbereit, freundlich, mit einem unaufdringlichen Lächeln und dem wundervollen Angebot, einer betagten Dame die schweren Einkaufstüten in deren Wohnung zu schleppen. „Die ist ja nett!“, dachte Elsa T. (alle Namen geändert) und nahm die Offerte der Fremden nur zu gern an. Heute weiß die 86-Jährige es besser. Was als Akt der Mitmenschlichkeit getarnt war, entpuppte sich als mieses Betrugsmanöver. Die Rentnerin war skrupellosen Dieben zum Opfer gefallen, die alles klauten, was der Seniorin lieb und teuer war.
Jetzt sitzt Elsa T. nur wenige Meter von der jungen Frau entfernt, als Zeugin in einem Strafprozess vor dem Jugendschöffengericht. Die Angeklagte Ashe F., zur Tatzeit im Frühjahr noch 20 Jahre alt, hält den Blick gesenkt, die Hände wie zum Gebet gefaltet. Ist es Scham über ihre Taten? Die Hamburgerin hat eingeräumt, sich das Vertrauen der betagten Dame erschlichen und eine Mittäterin heimlich in deren Wohnung gelassen zu haben, damit diese Stehlenswertes zusammenrafft.
Auftraggeber war offenbar ein Mann
In einem weiteren Fall, hat sie vor Gericht erzählt, suchten sie sich einen alten Herrn als Opfer aus. Hier sei ihr Auftraggeber ein Mann gewesen. „Er hat mir Komplimente gemacht und mich zu der Tat überredet.“ Die Namen ihrer Hinterleute will Ashe F. nicht nennen. „Aus Angst“, wie sie mit leiser Stimme sagt. Elsa T. erzählt als Zeugin, wie sie sich seinerzeit von dem Charme der jungen Frau hat einwickeln lassen. Oben in der Wohnung habe die junge Frau noch um etwas zu trinken gebeten.
Also kochte die Wohnungsinhaberin einen Tee. „Dann klingelte ihr Handy. Sie sagte, das sei ihre Oma. Sie ging kurz raus und kam wieder.“ Später brachte Elsa T. ihren Gast noch zur Tür. „Als ich wieder in die Stube kam, lag da mein Schmuckkoffer, umgedreht. Er war leer. Ich dachte, ich kriege einen Schlag, als ich das sah!“ Die Diebe hatten Ketten, Perlen, Ohrringe und Armbänder im Wert von rund 4000 Euro erbeutet. Viel schlimmer noch als der materielle Verlust wog der emotionale Schaden. „Das waren alles Geschenke von meinem verstorbenen Mann.“
Opfer wollte sich das Leben nehmen
Das zweite Opfer von Ashe F. wurde offenbar noch um sehr viel mehr Geld erleichtert. Auch hier hatte die 20-Jährige angeboten, dem Mann seine Einkäufe in die Wohnung zu bringen. Als der 86-Jährige sie nicht hereinlassen wollte, bat die Frau um Papier und Bleistift, um etwas aufschreiben zu können. „Dann sah ich einen Mann in die Wohnung kommen“, erzählt der Senior im Prozess. „Und wenig später bemerkte ich, dass das Geld weg war.“ 57.000 Euro habe er in seiner Wohnung gehortet – Geld, das sein Sohn bei ihm deponiert habe, um davon eine Eigentumswohnung anzahlen zu können.
Ihr Vater sei angesichts des Verlustes des Geldes so verzweifelt gewesen, dass er sich das Leben nehmen wollte, schildert dessen Tochter. Ein Polizist berichtet von einem „total aufgelösten“ älteren Mann. „Er sagte, sein Leben sei vorbei. Das ging in Richtung Suizid.“ Ermittelt wurde die mehrfach unter anderem wegen Diebstahls mit Waffen und Unterschlagung vorbestrafte Ashe F. anhand ihrer Fingerabdrücke und ihrer DNA, die sie auf der Teetasse beziehungsweise an Papier und Bleistift hinterlassen hatte.
Zweijährige Jugendstrafe mit Vorbewährung
Erst gegen Ende des Prozesses, als ihr klar wird, dass sie eine lange Gefängnisstrafe bekommen könnte, ringt sich die junge Angeklagte dazu durch, die Namen ihrer mutmaßlichen Auftraggeber preiszugeben, um Punkte zu machen. Das Jugendschöffengericht erkennt schließlich auf eine zweijährige Jugendstrafe mit Vorbewährung.
Das bedeutet, dass erst in sechs Monaten darüber entschieden wird, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. „Sie müssen sich Ihre Bewährung verdienen“, erläutert der Vorsitzende. Unter anderem muss Ashe F. durch gemeinnützige Arbeitsleistungen 800 Euro erwirtschaften, die den Opfern zugutekommen sollen. Nach sechs Monaten in Untersuchungshaft kommt die junge Frau nun auf freien Fuß. Die Taten der Angeklagten Ashe F. bezeichnet der Richter als „schamlos, charakterlos und schäbig. Wie man so die Nöte älterer Menschen ausnutzen kann!“