Hamburg. Rekonstruktion am Tatort und Recherche in Datenbanken sollen neue Erkenntnisse bringen. Unbekannter hatte 16-Jährigen erstochen.
Nach dem tödlichen Messerangriff auf den 16 Jahre alten Viktor E. vor fast zwei Wochen waren Spezialisten des Landeskriminalamts noch einmal am Tatort. Am Donnerstag stellten sie unterhalb der Kennedybrücke die Messerattacke nach. Beamte der Abteilung Operative Fallanalyse wollen so neue Ermittlungsansätze finden. Denn bislang gibt es weder Hinweise auf den Täter noch auf ein mögliches Motiv.
Der 16 Jahre alte Sohn einer Schauspielerin war am 16. Oktober gegen 22 Uhr hinterrücks angegriffen und erstochen worden. Er hatte zusammen mit seiner ein Jahr jüngeren Freundin den Abend an der Außenalster verbracht. Zusammen hatten sie auf den Stufen unterhalb der Brücke gesessen. Der Ort ist nur rund zwei Kilometer von seinem Elternhaus im Grindelviertel entfernt.
Polizeitaucher übernahm die Rolle der Freundin
Am Donnerstagmorgen um 9 Uhr stellten Polizisten den Tatablauf nun noch einmal so realistisch wie möglich nach. Die Rolle der 15-Jährigen, die vom Täter ins Wasser gestoßen worden war, übernahm ein Polizeitaucher in Neoprenanzug. Am Tattag hatte sich ein Unbekannter an das Pärchen herangeschlichen. Die 15-Jährige schilderte der Polizei später, dass der Täter mehrfach auf ihren Freund eingestochen habe. Sie habe geschrien und sei von dem Mann ins kalte Wasser der Alster gestoßen worden. Dann sei der Angreifer über den Wanderweg in Richtung der Straße Alsterufer davongelaufen.
Die 15-Jährige hatte sich selbst aus dem Wasser retten können. Alarmierte Polizisten fahndeten nach dem Täter. Schnell hatte die Polizei im Innenstadtbereich zahlreiche Peterwagen zusammenziehen können. Doch die Suche nach dem Angreifer blieb erfolglos.
Aktion mit Handzetteln blieb ohne heiße Spur
Die 15-Jährige war vor Ort von Rettungsassistenten betreut worden, später vom Kriseninterventionsteam des DRK. Noch immer, so hieß es am Donnerstag, sei das Mädchen schwer durch das Erlebnis traumatisiert.
Es gibt eine Beschreibung von dem Angreifer – für ein Phantombild reichten die Angaben der 15-Jährigen nicht aus. 23 bis 25 Jahre alt soll der Mann sein, ein „Südländer“ mit Dreitagebart, der vermutlich mit einer Jeans und einem braunen Pullover bekleidet war. Ansonsten gibt es keinen weiteren Punkt, an dem die Ermittler der Mordkommission ansetzen könnten. Auch deshalb wurden zehn Tage nach der Tat noch einmal von der Polizei Handzettel an der Alster verteilt. Die Hinweise, die daraufhin kamen, seien jedoch „sehr allgemein“ gewesen, so ein Beamter. Das, was man eine „heiße Spur“ nennen könnte, war nicht dabei.
Tatwaffe gilt den Ermittlern als wichtiger Spurenträger
Als am Donnerstag die Tat noch einmal nachgestellt war, rückten weitere Beamte an. Bereitschaftspolizisten durchsuchten die umliegenden Grünflächen. Dabei setzten sie auch Metalldetektoren ein. Ziel der Aktion war es, das Tatmesser zu finden. Es wäre ein wertvoller Spurenträger für die Ermittler der Mordkommission. Die Aktion verlief erfolglos.
Es ist eine „harte Nuss“, die die Polizei mit dem Fall zu knacken hat. Ein Täter, der wahl- und grundlos Menschen attackiert und tötet, der keine brauchbaren Spuren zurücklässt, ist der Albtraum für Ermittler. „Man hat in einem solchen Fall nur sehr wenige Ansätze, um ihn aufzuklären“, sagt ein Polizist. Gleichzeitig herrsche ein großer Erfolgsdruck. Eine solche Tat an der Alster, wo Hamburger und Touristen ihren Spaziergang machen oder ihre Joggingrunden drehen, verbreitet Angst – Angst davor, dass der Täter erneut zuschlagen könnte.
Spezialisten für besonders schwere Straftaten
Die Beamten der Operativen Fallanalyse sollen die Tat noch einmal neu bewerten. Sie kommen nur bei ganz schweren Straftaten zum Einsatz – oder, wie seit einem Jahr, im Rahmen der Soko „Castle“. Ihre Aufgabe ist es, die vorhandenen Fakten analytisch zu betrachten und neu zu bewerten. Zudem wird in solchen Fällen auf Datenbanken zurückgegriffen, in denen Fälle von schweren Gewaltverbrechen aus ganz Deutschland gespeichert sind, bei denen Täter und Opfer vorher keine Beziehung zueinander hatten. Oder mit deren Daten eine geografische Beziehung von Taten hergestellt werden kann. Zudem beziehen sie verschiedene Spezialisten mit ein.
Was bei der Bewertung der Tat am Donnerstag herausgekommen ist, wurde nicht bekannt.