Hamburg. Das Attentat auf den Weihnachtsmarkt löst in der Hansestadt nicht nur Betroffenheit aus. Auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen reagieren.
Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg, bei dem am Freitagabend ein aus Saudi-Arabien stammender 50-Jähriger mit einem Auto mindestens fünf Menschen getötet und zahlreiche weitere schwer verletzt hat, hat auch elbabwärts Entsetzen und Betroffenheit ausgelöst. Zugleich kündigten die Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen an, die Sicherheitsvorkehrungen auf den Weihnachtsmärkten zu überprüfen und die Polizeipräsenz zu verstärken.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zeigte sich „erschüttert“. Wenige Tage vor dem Fest sei das Attentat „eine Tragödie für die Betroffenen und ein Angriff auf unsere freiheitliche Gesellschaft“, schrieb Tschentscher in der Nacht in den sozialen Netzwerken. Den Angehörigen der Opfer sprach er sein Beileid aus.
Auch seine Stellvertreterin Katharina Fegebank (Grüne) reagierte „zutiefst erschüttert“. Sie sei gerade mit ihren Kindern auf dem Weg zu ihren Eltern gewesen, als sie von der Tat erfahren habe, schrieb die Zweite Bürgermeisterin bei X. „Ich denke an die Toten, Verletzten und ihre Familien. Mein Dank gilt allen Rettungs- und Einsatzkräften vor Ort.“
Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg: Polizei Hamburg startet dringenden Appell
Ähnlich äußerte sich Innensenator Andy Grote (SPD). Die Bilder aus Magdeburg hätten ihn zutiefst erschüttert. Grote kündigte an, die Polizei Hamburg werde als Reaktion ihre Präsenz auf den hiesigen Weihnachtsmärkten erhöhen und die bereits getroffenen Sicherheitsvorkehrungen überprüfen.
Die Polizei selbst betonte, es lägen keine Erkenntnisse vor, die eine veränderte Sicherheitslage in Hamburg begründeten. Zugleich wies sie darauf hin, dass in den sozialen Medien viele Videos, Fotos und unbestätigte Informationen „bis hin zu Fake News“ kursierten. „Wir appellieren, kein Bildmaterial der Tat oder Gerüchte zu verbreiten“, hieß es in einem X-Beitrag. Für Zeugen der Tat habe die Polizei Sachsen-Anhalt ein Hinweisportal eingerichtet.
Auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen reagieren auf Magdeburg-Anschlag
Auch Hamburgs Nachbarländer haben die Sicherheitsmaßnahmen auf Weihnachtsmärkten verstärkt. „Wir haben momentan keine konkreten Hinweise, dass derartige Vorfälle bei uns im Land geplant sein könnten“, sagte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). „Unabhängig davon sind unsere Einsatzkräfte aber natürlich auch mit den Verantwortlichen der Weihnachtsmärkte in den Orten in Schleswig-Holstein in einem engen Austausch, um die ohnehin hohen Sicherheitsvorkehrungen noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu verstärken. Dabei geht es natürlich auch um die Zugänge der Weihnachtsmärkte.“ Als Zeichen der Anteilnahme werde an allen Landesbehörden Trauerbeflaggung angeordnet.
Ihre niedersächsische Amtskollegin Daniela Behrens (SPD) kündigte an, dass „etwaige neuralgische Punkte“ gemeinsam mit den Veranstaltern der Weihnachtsmärkte geprüft würden. „Darüber hinaus wurde die Zahl der Einsatzkräfte auf den Weihnachtsmärkten erhöht, um als Ansprechpartner für die Besucherinnen und Besucher vor Ort zu sein.“
Thering: Warum fiel der Täter nicht früher auf?
Auch Bremen erhöhte die Polizeipräsenz auf den Weihnachtsmärkten und die Maßnahmen laut Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sollen deutlich verstärkt werden. Am Nachmittag will er mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) an einer Gedenkveranstaltung der Schausteller auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt teilnehmen. Zusammen mit der Dompastorin Ingrid Witte wollen sie damit ein Zeichen der Solidarität setzen.
Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering sagte, der Anschlag erfülle „uns mit tiefer Trauer und Wut“, und sprach den Betroffenen sein Mitgefühl aus. „Es ist schier unfassbar, dass ein Mensch, der offenbar seit vielen Jahren hier lebt und arbeitet, zu solch einer Tat fähig war. Wir hoffen, dass die weiteren Ermittlungen Licht ins Dunkel bringen und dabei auch geklärt wird, warum der mutmaßliche Täter nicht früher aufgefallen ist“, schrieb der Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl bei X.
Anschlag in Magdeburg: Van Aken warnt vor politischer Instrumentalisierung
Der Hamburger Linken-Bundesvorsitzende Jan van Aken warnte davor, den Anschlag „für politische Zwecke zu missbrauchen: Menschen wurden getötet, Familien zerrissen. Heute ist der Tag der Trauer, des Mitleids und der Solidarität“, schrieb er bei X. Die Hamburger BSW-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic sagte, ihre Gedanken seien „in diesen schweren Zeiten bei den Opfern und ihren Hinterbliebenen“.
Der Zentralrat der Muslime in Niedersachsen begrüßte, dass „verantwortungsbewusste Politiker“ und Behörden „keine voreiligen Schlüsse gezogen oder unüberlegte Vermutungen in die Öffentlichkeit getragen“ hätten. Gleichzeitig kritisierte der Vorsitzende Sadiqu Al-Mousllie, dass die Tat bislang nicht als Terroranschlag eingestuft wurde – trotz der „extremen Nähe“ des Täters zur AfD und seiner „Ansichten als Islamkritiker oder Islamhasser“. Al-Mousllie: „Es entsteht der Eindruck, dass der Begriff ‚Terrorist‘ in der öffentlichen Wahrnehmung fast ausschließlich mit Tätern assoziiert wird, die muslimischen Glaubens sind oder sich zum Islam bekennen oder als solche gelesen werden. Man beachte die Benennung der Nationalität des mutmaßlichen Täters wenige Minuten nach dem Anschlag durch den Ministerpräsidenten Haseloff.“
Angehörige der muslimischen Ahmadiyya-Jugend Hamburg demonstrierten am Sonnabend in der Innenstadt gegen Extremismus und Terror. Sie zeigten Schilder mit Aufschriften wie „Muslime für Einigkeit, Recht und Freiheit“ und „Wir beten für die Opfer in Magdeburg“.
Anschlag in Magdeburg: FDP-Mann Kruse fordert politische Konsequenzen
Der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse forderte politische Konsequenzen. Er sei in Gedanken bei den Opfern und Angehörigen. „Und damit wir solche Sätze nicht immer wieder sagen müssen: Ich will solche Szenen einfach nicht mehr sehen in Deutschland. Die Politik muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um so etwas zu verhindern. Alles.“
Dirk Nockemann, Chef und innenpolitischer Sprecher der AfD-Bürgerschaftsfraktion, sprach von „Staatsversagen ungeheuren Ausmaßes“. Mit der AfD wäre der Täter längst abgeschoben worden. Es sei „schleierhaft“, wie er den Sicherheitsbehörden entgehen konnte, hieß es in einer Pressemitteilung: „Und während unbedarfte Habeck-Beleidigungen in den sozialen Medien zu knallharten Hausdurchsuchungen führen, während friedliche Senioren Messerkontrollen auf Weihnachtsmärkten ertragen müssen, währenddessen kann ein offenkundig wahnsinniger Täter arabischer Herkunft in den Netzwerken krudeste Mordfantasien publizieren und dann ein Weihnachtsmarkt-Blutbad anrichten.“
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Sabine Ritter, Co-Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft, warnte dagegen vor „einfachen Erklärungen und vorschnellen politischen Forderungen“. Es scheine festzustehen, dass der Täter Taleb A. dem Islam feindlich gegenüberstehe und Anhänger der AfD sei. „Seine öffentlichen Verlautbarungen sprechen für ein rechtsextremistisches Weltbild, er hängt Verschwörungsideologien an. Wir Linken sind uns sicher: Die Diskussion um Migration ist in Deutschland völlig aus dem Ruder gelaufen – alle demokratischen Parteien müssen gemeinsam dem Hass Einhalt gebieten und dürfen nicht länger mit dem Schicksal der geflüchteten Menschen und auf dem Rücken Zugewanderter in unserem Land Wahlkampf machen.“
Das Hamburger US-Konsulat schrieb, man sei „schockiert und traurig. Den Familien und Angehörigen der Toten und Verletzten sowie allen, die von diesem schrecklichen Vorfall betroffen sind, sprechen wir unser tiefstes Beileid aus. In unseren Gesellschaften ist kein Platz für Gewalt“, hieß es bei X.
FC St. Pauli appelliert nach Magdeburg-Anschlag an Zusammenhalt
Auch der Hamburger Fußball reagierte. Bundesligist FC St. Pauli schrieb noch am Abend im Netzwerk Bluesky, der Anschlag in Magdeburg überschatte den letzten Spieltag des Jahres, an dem der Kiezclub beim VfB Stuttgart antritt (Sonnabend, 15.30 Uhr/Liveticker bei Abendblatt.de). Man sei in Gedanken bei den Opfern und allen Betroffenen und Angehörigen. Zugleich sehe man „mit Erschrecken, wie Scharfmacher auf Social Media umgehend gezielt Gerüchte über den mutmaßlichen Täter sowie unbestätigte Opferzahlen verbreiten. Statt zu spalten, mehr Hass zu schüren und Menschen aufzuhetzen, sollten wir gerade in schweren Zeiten zusammenrücken.“
Zweitligist HSV schrieb bei X, der Sonnabend sei „kein normaler Matchday. Fußball ist eben doch nur die schönste Nebensache der Welt.“ Man werde den Spieltag gegen Greuther Fürth (13 Uhr, Volksparkstadion, Liveticker bei Abendblatt.de) daher heute „mit so viel Fingerspitzengefühl wie möglich“ abbilden. Die Partie begann mit einer Schweigeminute.
Die schreckliche Tat von Magdeburg zeigte auch im Hamburger Kulturleben Wirkung. Die Wiener Sängerknaben widmeten bei ihrem Weihnachtskonzert „Alle Jahre wieder“ in der Elbphilharmonie am Sonnabendmittag das Stück „The Prayer“ den Opfern des Anschlags.
Mit Entsetzen hat die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs auf die Todesfahrt von Magdeburg reagiert. „Der menschenverachtende Anschlag von Magdeburg macht uns fassungslos“, schrieb Fehrs in ihrer Funktion als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Die Gedanken und Gebete seien in diesen Stunden in Magdeburg.
„Als Kirchen trauern wir mit den Angehörigen der Opfer dieses furchtbaren Angriffs und beten für die Verletzten und die Verstorbenen sowie für deren Angehörige, die jetzt um ihre Liebsten bangen.“ So viele unschuldige Menschen seien dieser sinnlosen Gewalt unmittelbar vor dem Weihnachtsfest zum Opfer gefallen.