Hamburg. Keine Wohnung – keine Wählbarkeit: Der Bürgerschaftsausschuss entscheidet einstimmig über Olga Petersen. Die AfD schickt jetzt einen Nachrücker.

Es war ein historischer Moment in der politischen Geschichte Hamburgs: Aufgrund ihrer „Flucht“ nach Russland verliert die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Olga Petersen (AfD) ihre Mandate. Schon in der nächsten Woche kann die Bürgerschaft das auch formal beschließen. Der Verfassungsausschuss hat sich am Mittwoch einstimmig dafür ausgesprochen. Es ist der erste Mandatsentzug in der Geschichte des Hamburger Parlaments.

Gleichzeitig wird Petersen das Mandat in der Harburger Bezirksversammlung verlieren. In beide Parlamente wird die AfD Nachrücker schicken, auch wenn die Bürgerschaft bereits am 2. März 2025 neu gewählt werden soll. Petersen kann nach einer Zustellung des Beschlusses Beschwerde einlegen. Es würde nicht reichen, wenn sie sich jetzt wieder in Hamburg melden würde. Rückwirkend hat das für sie aber keine Auswirkungen. Diäten werden nicht zurückgefordert.

AfD Hamburg: Olga Petersen wird Mandat in der Bürgerschaft entzogen

Der Verfassungsausschuss der Bürgerschaft hat am Mittwoch einstimmig – auch mit den Stimmen der AfD – beschlossen, dass Petersen ihre Mandate verloren hat. Das war die Formulierung von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD), die den Ausschuss leitet. Schon in der nächsten Bürgerschaftssitzung kommende Woche soll das Plenum das bestätigen. Eine wichtige Voraussetzung für die Wählbarkeit liegt bei Petersen nicht mehr vor: Sie lebt nicht in Hamburg. Nach dem Gesetz über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft verlieren Abgeordnete ihren Sitz, wenn eine Wählbarkeitsvoraussetzung wegfällt (Paragraf 11).

AfD Hamburg mit Olga Petersen
Ein Archivbild, das Olga Petersen mit Mitgliedern der AfD Hamburg zeigt. © dpa | Frank Molter

Im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft erklärte Landeswahlleiter Oliver Rudolf am Mittwoch: „Eine Wählbarkeitsvoraussetzung ist die Sesshaftigkeit, also das Innehaben einer Wohnung in Hamburg. Es ist wichtig, dass eine Wohnung auch tatsächlich bewohnt wird. Wenn man nicht durchgehend vor Ort ist, gibt es Ausnahmen wie etwa beim Urlaub.“ Bei Petersen konnte die Bürgerschaft nicht einmal ein Schreiben zustellen. Rudolf sagte: „Die Meldebehörde musste feststellen, ob Olga Petersen noch in Harburg wohnt. Der Wohnungsgeber wurde gefragt. Es wurde festgestellt, dass sie dort nicht mehr wohnt. Eine Wählbarkeitsbescheinigung könnte jetzt nicht mehr ausgestellt werden.“

Olga Petersen: YouTube-Video belegt, dass sie nicht mehr wählbar ist

Rudolf sagte, auch Petersens bisheriger Anwalt habe sie nicht erreichen können. Und: In einem YouTube-Video habe Petersen erklärt, dass sie in Russland leben wolle. „Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, dass eine Wohnung nicht vorliegt, die Wählbarkeit also nicht gegeben ist“, so Rudolf. Bürgerschaftspräsidentin Veit (SPD) sagte: „Ich habe Frau Petersen unterrichtet gehalten und ihr auch das Ergebnis der Vorprüfung geschickt. Wir können davon ausgehen, dass sie sich gemeldet hätte, wenn sie hier noch wohnen würde.“

Für die AfD räumte Krzysztof Walczak im Ausschuss ein, dass es ein „Fehler“ gewesen sei, Petersen zu nominieren. CDU-Mann André Trepoll sagte; „Mich überzeugen die Argumente und dass die Bürgerschaft alles getan hat, um das zu prüfen. Wenn man in Hamburg Politik machen will, muss man in Hamburg leben.“

Olga Petersen postet bei Instagram Aktuelles zur Hamburger Politik – und zu Russland

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Petersen ist mit ihren vier Kinder offenbar dauerhaft nach Russland „umgezogen“. Ihre Kinder waren nicht mehr in die Schule gegangen, die Schulbehörde hatte ein „Absentismus“-Verfahren angestrengt. Auch um sich dem zu entziehen, hatte Petersen mit ihnen das Land verlassen. Trotzdem stellte die Abgeordnete weiter Anfragen an den Senat und gaukelte möglicherweise ihre anhaltende Parlamentstätigkeit vor. Denn sie bezog weiter Diäten: monatlich 4448 Euro für das Bürgerschaftsmandat, 1054 Euro für das in der Bezirksversammlung Harburg.

Bei Instagram postete Petersen zuletzt Medienbeiträge, etwa zum Cum-Ex-Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Hamburg, aber auch vom Gipfel der BRICS-Staaten im russischen Kasan. Ob sie selbst dort war, ist ungewiss.

AfD Hamburg will Petersen aus der Partei ausschließen

Hamburger AfD-Frau Olga Petersen
Olga Petersen (AfD) bei einer Bürgerschaftssitzung in Hamburg. © picture alliance | Eibner-Pressefoto/Marcel von Fehrn

Olga Petersen gilt als eine der schillerndsten Hamburger Politikerinnen der vergangenen Jahre. Das hat mit ihrem umstrittenen Status selbst in der an Absurditäten reichen AfD zu tun, mit ihrem Auftreten und der Selbstinszenierung in den sozialen Medien und dem Vorwurf, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu unterstützen. Die 42-Jährige wurde in Sibirien (Omsk) in der damaligen Sowjetunion geboren. Die russlanddeutsche Familie siedelte nach Hamburg um, als Petersen 16 war. Sie absolvierte eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, heiratete, bekam vier Kinder, ließ sich scheiden.

Seit der letzten Wahl 2020 sitzt Petersen für die AfD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Mit ihren Partei- und Fraktionskollegen von der AfD hat sie sich überworfen. Ein Parteiausschlussverfahren soll parallel laufen. Petersen hielt das nicht davon ab, außerdem in diesem Jahr bei den Bezirkswahlen für die Harburger Bezirksversammlung zu kandidieren. Auch hier gelang ihr der Einzug ins Parlament. Auch hier ist das Mandat verloren.

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Mandatsentzug: Ein Hamburger spionierte für die DDR

Der Verlust des Mandates ist ein weitreichender Eingriff in die Rechte von Abgeordneten. Im Bundestag hatte es in der Geschichte nach ersten Recherchen dreimal in den fünfziger Jahren einen Mandatsentzug gegeben. Dabei ging es um Abgeordnete, deren Partei verboten wurde, weil sie verfassungswidrig war, deren Listenaufstellung regelwidrig war oder die wie im Fall Olga Petersen ihre Wählbarkeit verloren hatten. Dabei ging es 1956 um den Hamburger Abgeordneten Karlfranz Schmidt-Wittmack. Er war zunächst CDU-Abgeordneter der Bürgerschaft (1949 bis 1953), danach im Bundestag. 1954 jedoch floh er nach Ost-Berlin, denn er war Spion für die DDR-Staatssicherheit und aufgeflogen.

Schmidt-Wittmack wehrte sich noch bis zum Bundesverfassungsgericht gegen den Mandatsentzug. Doch die höchsten Richter urteilten, dass er nicht mehr im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebe und die Voraussetzung für die Wahlbarkeit damit erloschen sei. Vermutlich wird auch Olga Petersen kaum belegen können, dass das Grundgesetz seine Wirksamkeit in Wladimir Putins Reich entfalten kann.