Hamburg. Mit der Geburt seiner Schwester verlor Max Anspruch auf einen Ganztagsplatz in der Kita. Warum es in dem Fall um Grundsätzliches für Eltern geht.
- Ein Kind aus Hamburg zieht gegen die Stadt in einen Rechtsstreit. Es wird durch seine Eltern vertreten.
- Die Familie klagt auf eine Ganztagsbetreuung in der Kita, ihnen geht es um „Grundsätzliches“.
- Denn das Problem betrifft viele Hamburger Eltern: Kommt ein weiteres Kind, verliert das Ältere vorübergehend seinen Ganztagsplatz.
Der kleine Max (Name geändert) hatte sich gerade so richtig in der Kita eingelebt. Acht Stunden war der Zweijährige aus Hamburg jeden Tag in der Betreuung, als sein Leben sich dramatisch änderte. Der Junge hat eine kleine Schwester bekommen – und nun sollte er nur noch fünf Stunden am Tag in die Kita gehen dürfen? Weil es plötzlich keinen Anspruch auf längere Betreuung geben soll?
Nun führt der kleine Junge, vertreten durch seine Eltern, einen Rechtsstreit gegen die Stadt Hamburg. Ziel ist es, dass der Familie in einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht Hamburg bestätigt werden soll, dass Max auch für die Zeit, als seine Mutter nach der Geburt des zweiten Kindes erst mal einige Monate lang nicht gearbeitet hat, weiter für acht Stunden täglich einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung hat. Dazu gab es jetzt einen ersten Verhandlungstermin. Sollten die Richter schließlich im Sinne der Familie B. ein Urteil sprechen, könnte das eine Grundsatzentscheidung werden, die Kinder und Eltern in ganz Hamburg betrifft.
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Max wurde seit seinem ersten Lebensjahr acht Stunden in einer SterniPark-Kita betreut und hatte dafür einen entsprechenden Gutschein, bis seine Eltern ein weiteres Kind bekamen und die Mutter in Elternzeit ging. Weil die Mutter nun aus Sicht der Stadt ausreichend Zeit für die Betreuung beider Kinder hatte, sollte Max nur noch einen Gutschein für eine fünfstündige Betreuung bekommen, nicht mehr für seinen bisherigen Ganztagsplatz.
Ihr Sohn sei „wahnsinnig gern in die Kita gegangen“, die zum Träger Sternipark gehört, sagt Ellen B. (Name geändert) jetzt in einem ersten Prozesstermin vor dem Verwaltungsgericht. Der damals Zweijährige habe sich in der Betreuung sehr wohl gefühlt und die Zeit mit den anderen Kindern überaus genossen. Dass sie Max nach der Geburt seiner Schwester dort weiter für acht Stunden täglich betreuen lassen wollte, bedeute mitnichten, dass sie ihn „abschieben wollte“, erklärt die Mutter. „Es ging vielmehr um sein Wohl und das, was er gebraucht hat.“
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Also entschloss sich die Familie, zusätzliche Betreuungsstunden für ihren Sohn in der Kita „einzukaufen“. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht zielt jetzt unter anderem darauf hin, die Kosten, die die Familie für diese Extra-Betreuung aufgewendet hat, zurückerstattet zu bekommen. Doch aus Sicht von Ellen B. geht es um viel mehr, also „Grundsätzliches“, sagt die Hamburgerin. Sie möchte mit ihrer Klage erreichen, dass auch andere Familien, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie sie damals, „und sich es vielleicht nicht leisten können, eine mehrstündige Betreuung in der Kita über die fünf Stunden hinaus selber zu bezahlen, diese trotzdem in Anspruch nehmen können.“
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Nach Meinung von SterniPark-Geschäftsführerin Leila Moysich würden nach der aktuell in Hamburg geltenden Praxis Familien „bestraft, dass sie ein zweites Kind bekommen“ und die Mutter dann erst mal in Elternzeit geht. Es gebe „viele Gründe, dass es im Interesse des älteren Geschwisterkindes ist, dass es länger als fünf Stunden täglich in der Kita betreut werden kann“.
In Hamburg gilt Rechtsanspruch auf eine Betreuung von fünf Stunden täglich
Die Stadt Hamburg beruft sich bei ihrer Regelung unterdessen auf das Hamburger Kinderbetreuungsgesetz, nach dem der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in der Stadt nur für eine fünfstündige (Halbtags)-Betreuung besteht. Einen Gutschein für einen Ganztagsplatz erhalten nur Kinder, deren Eltern berufstätig sind, in Aus- und Fortbildung sind oder die Sprachkurse absolvieren oder Ähnliches.
Demgegenüber gewähre das Bundesrecht nach Auffassung von Rechtsanwalt Rüdiger Meier einen Anspruch auf Zugang zu einem „öffentlich geförderten Betreuungsverhältnis“ in dem Umfang, in dem es die Eltern wünschen – unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig beziehungsweise in Weiterbildung sind oder nicht, sagt der Jurist, der die Familie B. in dem Rechtsstreit vertritt. Bereits 2018 habe das höchste deutsche Gericht in Sachen Kindertagesbetreuung, das Bundesverwaltungsgericht, entschieden, dass für die Bestimmung des jugendhilferechtlichen Bedarfs für ein Kind der Betreuungswunsch der für das Kind agierenden Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten von Bedeutung sei.
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„Maßgeblich für die Bestimmung des jugendhilferechtlichen Bedarfs, den die Gewährleistungen über die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen zu decken“ haben, sei „der Betreuungswunsch der für das Kind agierenden Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten und damit deren subjektive Bewertung des Betreuungsbedarfs“, heißt es in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Obergerichte mehrerer anderer Bundesländer folgten dieser Vorgabe, sagt Rechtsanwalt Meier. Die Stadt Hamburg allerdings fühle sich daran aufgrund einer Landesrechtsklausel nicht gebunden und erkenne den Betreuungswunsch der Eltern als nicht allein maßgeblich an.
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In dem ersten Gerichtstermin in Hamburg wurden nun Details im Fall der Familie B. erörtert. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie viel die Eltern genau für die über die gewährte fünfstündige Kita-Betreuung in Anspruch genommene Betreuungszeit von Max bezahlt haben – und ob dies teurer war als der Eigenanteil, den die Familie ohnehin zu tragen gehabt hätte. Bis zum 15. Januar sollen diese Informationen bei Gericht eingereicht werden, dann wird die zuständige Kammer über den Fortgang des Verfahrens entscheiden.