Hamburg. Heulende Motoren auf Discounter-Parkplatz – dann entzündet sich Streit an E-Zigarette. Hat Polizist Gewalt verübt? Jetzt steht er vor Gericht.
- „Randale“ auf Discounter-Parkplatz in Hamburg: Polizei wird alarmiert
- Polizist spricht Rauchverbot aus, an das junger Mann sich nicht hält
- Kam es daraufhin zur Körperverletzung? Polizei-Kollegen: „Wir hätten so nicht gehandelt“
Aufheulende Motoren, quietschende Reifen: Was Hamburger vom Parkplatz eines Discounters im Westen von Hamburg wahrnahmen, klang für sie höchst alarmierend. Konkurrierten da junge Männer darum, wessen Fahrzeug die meiste Power hatte? War womöglich sogar ein Rennen im Gange? Die Anwohner alarmierten die Polizei. Was danach geschehen sein soll, brachte jetzt einen Polizisten als Angeklagten vor das Amtsgericht Hamburg.
Hat der 46 Jahre alte Baran N. (Name geändert) einem jungen Mann eine E-Zigarette aus dem Mund geschlagen – nachdem der Beamte gegen ihn ein Rauchverbot ausgesprochen hatte? Wegen dieser Vorwürfe muss sich der Polizeiobermeister seit Dienstag in einem Prozess verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat den Hamburger wegen Körperverletzung im Amt und Nötigung angeklagt. Laut Ermittlungen war der junge Mann einer jener Leute, die sich am Abend des 26. März 2022 auf dem Discounter-Parkplatz trafen und zumindest für viel Lärm sorgten, vielleicht sogar mit ihren Fahrzeugen ein Rennen liefern wollten.
Prozess Hamburg: Polizisten wird Körperverletzung im Amt und Nötigung vorgeworfen
Der Anklage zufolge forderte Baran N. die Männer auf, nicht zu rauchen. Und als einer doch noch an seiner E-Zigarette gezogen habe, soll Baran N. ihm die E-Zigarette aus dem Mund geschlagen haben. Hierbei, so die Anklage weiter, traf der 46-Jährige den Raucher im Gesicht, wodurch dieser Schmerzen erlitten habe.
Zu dem Prozess ist es gekommen, nachdem es gegen Polizist Baran N. einen Strafbefehl, also ein Urteil ohne vorangegangene Hauptverhandlung, gegeben hatte – und der Hamburger dagegen Einspruch einlegte. Entsprechend gibt der Angeklagte auch vor Gericht zu verstehen, dass er sich nicht schuldig fühle. Zu dem Einsatz sei es gekommen, weil Anrufer gemeldet hätten, dass sich randalierende junge Männer auf dem Discounter-Parkplatz aufhalten, heißt es in der Darstellung, die einer der Verteidiger im Namen des Angeklagten abgibt. Die Gruppe sei „nicht polizeifreundlich eingestellt“ gewesen, die Stimmung „aufgeheizt“. Darüber hinaus habe die Polizei Anzeichen dafür vorgefunden, dass die jungen Männer mit diversen Fahrzeugen wie Motorrädern auf dem Parkplatz unterwegs gewesen sind. Unter anderem seien die Fahrzeuge noch warm gewesen, auf dem Parkplatz habe es Gummiabrieb von Reifen gegeben.
Junger Mann soll weiter E-Zigarette geraucht haben: „Man weiß nicht, was da drin ist“
Nun hätten die Polizisten am Einsatzort die Identität der jungen Männer feststellen und zuordnen wollen, wem welches Fahrzeug gehört. Dann, so die Schilderung des Angeklagten weiter, habe einer aus der Gruppe an seiner E-Zigarette gezogen. Das habe er ihm untersagt, mit dem Hinweis, es handele sich bei dem Rauchmittel um einen gefährlichen Gegenstand. Auch der Verdacht, dass damit womöglich Betäubungsmittel konsumiert wurden, „lag nicht fern“. Als der junge Mann weitergeraucht habe, habe er ihm die E-Zigarette aus der Hand geschlagen. Verletzt habe er ihn dabei nicht. Der Vorgang „hätte gar nicht angeklagt werden sollen“, bringt Verteidiger Uwe Maeffert seine Einschätzung der Geschehnisse auf den Punkt.
Ein weiterer Polizeibeamter erzählt als Zeuge, die Polizisten hätten sich bemüht, die Personalien der jungen Leute zu erfassen und festzustellen, wem welches Fahrzeug gehört. Die Gruppe sei „schwer lenkbar und unkooperativ“ gewesen. Baran N. habe nun den jungen Mann aufgefordert, mit dem Rauchen aufzuhören, weil die Zigarette in der Situation eine Gefahr bedeuten könne. Es müsse immer damit gerechnet werden, dass etwas geworfen werde, erklärt der Beamte. Und man „weiß ja nicht, was in der E-Zigarette ist“. Hätte es einen Verdacht auf Betäubungsmittel gegeben, hätten die Beamten eingreifen müssen, so der Zeuge.
Zeugen nennen die jungen Männer auf dem Parkplatz „unkooperativ“
Doch der Mann habe weitergeraucht. Schließlich habe sein Kollege dem Raucher die Zigarette aus dem Mund genommen, erzählt der Zeuge weiter. Schmerzbekundungen des Mannes, also etwa einen Ausruf wie „Aua“, habe er nicht gehört. Der Schlag sei indes für ihn „überraschend“ gekommen und aus seiner Sicht „nicht notwendig“ gewesen, sagt der Polizist. „Eine Kollegin und ich sind zu dem Schluss gekommen, dass wir so nicht gehandelt hätten.“ Allerdings seien die jungen Männer aus der Gruppe schon „unkooperativ“ gewesen. Eine weitere Beamtin empfand die Stimmung als „aufgeheizt“.
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Die Amtsrichterin schlägt vor, ob das Verfahren gegen den Angeklagten nicht eingestellt werden könne – und das, ohne, dass der Polizist Auflagen bekommt wie die Zahlung einer Geldbuße. Nach ihrer vorläufigen Einschätzung laufe der Prozess nach den ersten Zeugenaussagen eher auf einen Freispruch hinaus als auf eine Verurteilung, meint die Richterin. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten sei derzeit eher nicht erkennbar, unter anderem, weil es möglicherweise an einer „Erheblichkeit“ der Körperverletzung fehle.
Doch Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen einer Einstellung nicht zustimmen. Die Staatsanwaltschaft möchte zunächst hören, was der mutmaßlich Geschädigte zu sagen hat. Und Baran N.? Der möchte laut seinen Verteidigern „einen Freispruch“.