Hamburg. Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi bewertet die Ergebnisse der Klimakonferenz und die Folgen für Deutschland.
Jede Woche stellt sich der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi den Fragen des stellvertretenden Abendblatt-Chefredakteurs Matthias Iken.
Matthias Iken: Die Weltklimakonferenz in Baku endete mit enttäuschenden Ergebnissen. Versagt die Menschheit im Kampf gegen die Erderwärmung?
Klaus von Dohnanyi: Bei mir in der Bibliothek steht ein schwedischer Bericht aus dem Jahr 1971 (!) mit dem Titel „Unbeabsichtigte Klimaveränderungen“, der auf mögliche Zusammenhänge zwischen dem CO₂-Ausstoß und vermutlichen Folgen für das Weltklima verweist. Es war wohl der erste Bericht dieses Inhalts, denn der fast gleichzeitige Bericht des Club of Rome von 1972 nimmt von einer Bedrohung des Klimas durch menschliches Handeln noch keinerlei Kenntnis. Der heutige Mensch kann aber nur in einem relativ schmalen Temperaturbereich leben. Eine steigende Welttemperatur wäre folglich auch eine biologische Bedrohung für den Menschen. Jetzt sind es mehr als 50 Jahre, in denen wir diese Bedrohung des menschlichen Lebensraumes kennen und auch dagegen hätten vorgehen können – und müssen! Sicher, es gibt eine Reihe internationaler Vereinbarungen zur Begrenzung des Klimawandels, die letzte ist das Pariser Abkommen, das ein oberes Ziel von 1,5 Grad Erwärmung anvisiert: Diese Marke aber haben wir heute wohl schon überschritten. Und dennoch gab es auf der Klimakonferenz der UN in Aserbaidschan kürzlich nur mühsam ein entschlossenes gemeinsames Handeln der Weltgemeinschaft. Der Grund: Klimapolitik kostet sehr viel Geld, und wer soll das bezahlen?
Klaus von Dohnanyi: „Können Einfluss nicht mit immer mehr Geld sichern“
Iken: Zeigt dieser Gipfel, dass Deutschland und der Westen weltweit an Einfluss verlieren?
Dohnanyi: So kann man es auch sehen, aber die Staaten, insbesondere des südlichen Teils unserer schönen Erde, meinten, sie könnten den finanziellen Teil einer Transformation von Kohle, Öl und Gas zu erneuerbaren Energien finanziell nicht alleine stemmen, und forderten eine deutlich höhere finanzielle Beteiligung der Industriestaaten als bisher vorgesehen. Statt wie bisher vorgesehen, sollten die jährlichen Transfers an die „Entwicklungsländer“ bis zum Jahr 2035 nun von 100 Milliarden Euro jährlich auf 300 Milliarden Euro steigen. Es ging also um sehr viel Geld und um die Frage: Wer soll zu den „Zahlern“ gehören? Obwohl Deutschland erneut bereit war, sich finanziell auch an den höheren Kosten zu beteiligen, wäre ein zukunftsorientierter Abschluss der Konferenz fast an der Geldfrage gescheitert. Man einigte sich, wie so oft, auf vage weitere Versprechungen: Auch wir können aber den „Einfluss“ Deutschlands und Europas nicht durch immer mehr Geld sichern!
Dohnanyi zweifelt daran, dass das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar ist
Iken: Müssen wir uns also nun verstärkt um die Folgen des Klimawandels kümmern?
Dohnanyi: Ich glaube, ja. Wenn man die Lage nüchtern betrachtet, so scheint sicher, dass das notwendige Ziel von 1,5 Grad plus (verglichen mit dem Ausgangsjahr der Messungen) kaum noch realistisch ist. Natürlich dürfen wir aus der Transformation nicht aussteigen: Wir müssen den Klimawandel weiterhin bekämpfen. Aber wir sollten nach der Konferenz in Baku zwei Erkenntnisse beherzigen. Erstens werden wir die 1,5 Grad nicht halten können; es gibt zu viele aufstrebende Staaten, die auf ihrem Wirtschaftsweg nicht so schnell aus Kohle, Öl oder Gas aussteigen können und wollen. Deswegen müssen wir zweitens mit weiter steigenden Temperaturen rechnen. Das aber heißt: Wir müssen uns noch intensiver mit den möglichen Folgen für unsere Art zu leben auseinandersetzen. Auch der Katastrophenschutz muss eine größere politische Aufmerksamkeit bekommen.
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Iken: Halten Sie unseren Katastrophenschutz für schlecht gerüstet?
Dohnanyi: Das kann ich nicht beurteilen. 2012 nahm ich an einer Arbeitsgruppe der technisch-wissenschaftlichen Akademien (Akatech) teil, und wir legten der Bundesregierung einen Katalog von möglichen Maßnahmen vor. Beispiele: Kann man die Überhitzung in den Städten durch weißen Bodenbelag verringern? Oder: Wie sichert man die Wasserversorgung der Städte, ohne das Grundwasser zu überfordern? In der öffentlichen Debatte spielen meinem Eindruck nach für die deutschen Gegebenheiten die internationalen Erfahrungen der letzten Jahre, zum Beispiel in Frankreich, Großbritannien, Spanien, aber auch in den USA, bisher nur eine untergeordnete Rolle. Könnten wir mehr lernen? Ich hoffe, aber ich weiß es nicht.