Hamburg. Studie zeigt überraschenden Zusammenhang zwischen Fußball und Gewalt gegen Frauen. HSV und Sozialbehörde gehen daher ungewöhnliche Wege.

  • „Echte Männer holen sich Hilfe“: Sozialbehörde in Hamburg startet Kampagne gegen häusliche Gewalt – mit Unterstützung des HSV.
  • In den zehn Stunden nach Fußballspielen ist die Gefahr für Frauen besonders hoch, wie eine überraschende Studie zeigt.
  • Kampagne nimmt nicht nur die Frauen, sondern besonders die Männer in den Fokus und bietet ihnen Hilfe.

Häusliche Gewalt hat offenbar mehr mit Fußball zu tun, als man glauben möchte. Seit vielen Jahren steigen die Fallzahlen; die Täter sind in den meisten Fällen männlich. Die zehn Stunden nach einem Fußballspiel sind einer britischen Studie zufolge die Zeitspanne, in denen die Gefahr häuslicher Gewalt für Frauen besonders hoch ist. So unterstützt denn auch der HSV eine Kampagne, die die Sozialbehörde von Senatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) jetzt in Hamburg gestartet hat.

„Echte Männer holen sich Hilfe“ ist Titel der Kampagne, mit der sie einen wichtigen Teil des im Sommer verabschiedeten Gewaltschutzkonzepts umsetzt. Die Kampagne hat in den kommenden Wochen ihren Schwerpunkt im digitalen Raum über Social-Media-Plattformen. Auch machen Plakate in der Öffentlichkeit in Hamburg auf das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie toxische Männlichkeitskonzepte aufmerksam.

Dabei werden verschiedene Formen häuslicher Gewalt thematisiert, denn neben physischer Gewalt zeigt sich häusliche Gewalt auch durch viele weitere Gewaltformen wie sexualisierte Gewalt, psychische Gewalt, soziale Gewalt, Belästigung und Nachstellung sowie ökonomische Gewalt.

Gewalt gegen Frauen in Hamburg: Warum der HSV die Kampagne unterstützt

„Häusliche Gewalt ist ein Problem der Täter, kein Frauenproblem“, sagte Schlotzhauer am Dienstag bei der Vorstellung. Hier setze der Senat an und stärke die bestehenden Hilfe- und Beratungsstrukturen. Zugleich werden männliche Gewalttäter in den Fokus gerückt. „Besonders freut mich, dass wir den HSV als starken Partner für die Kampagne gewinnen konnten“, so die Senatorin. Der Verein setze sich seit vielen Jahren mit dem Thema Gewaltprävention auseinander.

So wurde gerade nach Ablauf der 90. Spielminute der Heim-Partie des HSV gegen den 1. FC Nürnberg am vergangenen Sonntag auf der Stadionleinwand eine Nachspielzeit von „600 Minuten“ angezeigt - in Anspielung auf die zehn Stunden, in der Frauen besonders von häuslicher Gewalt bedroht sind. Die britischen Wissenschaftler hatten für die Studie den Zusammenhang von Fußballspielen und Fällen von häuslicher Gewalt thematisiert und mithilfe von Polizeidaten die Auswirkungen von fast 800 Spielen von Manchester City und Manchester United ausgewertet.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass nach einem Spiel die Zahl der gemeldeten Vorfälle häuslicher Gewalt signifikant ansteigt. Als Ursache für häusliche Gewalt benennt die Studie dabei nicht die Fußballspiele an sich, sondern insbesondere den damit verbundenen und oftmals enthemmenden Konsum von Alkohol.

Kampagne gegen „toxische Männlichkeit“: 90 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen

Die Kampagne der Sozialbehörde in Hamburg richtet sich direkt an Männer als potenzielle und tatsächliche Täter häuslicher Gewalt, um ihnen ihr Handeln vor Augen zu führen und Auswege aus der Gewalt zu zeigen. Das Bundeslagebild Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes weist für 2023 erneut steigende Fallzahlen aus.

In Deutschland wurden 256.276 Menschen zu Opfern. Davon waren 70,5 Prozent weiblich, während die Täter zumeist Männer waren (75,6 Prozent). Auch in Hamburg zeigt sich eine überwiegende Betroffenheit von Frauen. Die Ratsuchenden, die sich als unmittelbar von häuslicher Gewalt betroffen bezeichneten, waren zu über 90 Prozent weiblich. Die Kampagne thematisiert toxische Männlichkeitskonzepte und will Männer dafür sensibilisieren, ihre Anteile an dieser Gewaltform zu verstehen und anzuerkennen, wie es heißt.

Häusliche Gewalt in Hamburg: Was die Grünen zur neuen Kampagne sagen

„Wir glauben fest daran, dass der Fußball ein friedliches Miteinander fördert“, sagte Cornelius Göbel, Direktor Fans, Kultur & Markenidentität beim HSV. Deshalb sehe der Verein es als gesellschaftliche Verantwortung, mithilfe seiner Reichweite einen Beitrag und Hilfestellungen gegen häusliche Gewalt zu leisten. „Ob nach Spielen oder auch sonst: In unserer Vorstellung ist kein Platz für Gewalt gegenüber Frauen.“

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„Männlichkeit bedeutet auch, sich Hilfe zu suchen, wenn Mann nicht mehr weiter weiß, Zugang zu Gefühlen und Bedürfnissen zu haben, die eigenen Grenzen und die Grenzen anderer zu erkennen und zu achten und auch auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen zu achten“, so Torsten Brakemann, Hamburger Beratungsstelle für Täter häuslicher Gewalt und Stalking (BeTA). Für die Grünen in Hamburg ist die Kampagne „ein wertvoller Baustein im Kampf gegen häusliche Gewalt. Wir müssen sowohl den Betroffenen und Opfern von Gewalt eine Stimme geben als auch auf potenzielle Täter einwirken.“ 

Häusliche Gewalt in Hamburg: Hier gibt es Hilfe – für Männer und Frauen

Anders als vorherige Kampagnen, die sich vorrangig an Opfer von Gewalt richteten, spricht die aktuelle potenzielle oder bereits gewordene Täter an. Auf der Internetseite www.hamburg.de/go/gemeinsam-gewaltfrei finden Männer den direkten Kontakt zu unterstützenden Beratungsstellen in Hamburg, aber auch Hintergrundinformationen zu den Ursachen häuslicher Gewalt und toxischen Männlichkeitskonzepten.

Für Hilfe bei häuslicher Gewalt steht rund um die Uhr das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 116 016 zur Verfügung.

Die zentrale Notaufnahmestelle der Hamburger Frauenhäuser „24/7“ ist rund um die Uhr unter der Nummer 040-8000 41000 erreichbar und die erste Anlaufstelle für schutzsuchende Frauen in Hamburg. Die 24/7 vermittelt von Gewalt betroffene Frauen an die sechs Hamburger Frauenhäuser weiter.