Hamburg. Nach erfolgreichem „Zukunftsentscheid“ für mehr Klimaschutz warnt Verband vor höheren Mieten. Chef des Mietervereins widerspricht scharf.

Deutlich schärfere Vorgaben zu Klimaschutz soll Hamburg bekommen. So haben es mehr als 106.000 Menschen mit ihren Unterschriften beim Volksbegehren „Zukunftsentscheid Hamburg“ gefordert, die die Initiatoren am Montag im Rathaus abgegeben haben.

Auf den Weg gebracht wurde die Volksinitiative von der Klimabewegung „Fridays for Future“. Nun werden alle Hamburgerinnen und Hamburger parallel zur Bundestagswahl am 28. September 2025 in einem Volksentscheid darüber abstimmen, ob die Hansestadt die Zügel beim Klimaschutz noch weiter anziehen soll.

Mieterverein Hamburg geht auf Vermieter los – wegen Klimaentscheid

Davor allerdings warnen mittlerweile einige Parteien, aber auch Wohnungsbauexperten. „Zur Ehrlichkeit gehört: Sollten die von der Initiative vorgeschlagenen Regelungen Gesetz werden, werden die Mieten in Hamburg deutlich steigen“, sagte am Dienstag etwa Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW).

Eine von der Stadt Hamburg in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie komme zu dem Schluss, dass mindestens 32 Milliarden Euro aufgewandt werden müssen, wenn Hamburgs Wohngebäude bis 2045 klimaneutral werden sollen, so Breitner. „Wird der Zeitpunkt der Klimaneutralität auf 2040 vorgezogen, ist diese Investitionssumme in kürzerer Zeit notwendig. Bei rund einer Million Wohnungen müssen im Durchschnitt 32.000 Euro pro Wohnung ausgegeben werden. Das bedeutet deutliche Mietsteigerungen.“

Zukunftsentscheid Hamburg: Fenster müssten vorzeitig ausgetauscht werden

Dabei sei das Vorziehen von Klimaneutralität in Wahrheit gar nicht im Sinne des Klimaschutzes. Denn dadurch müssten Fenster und Heizungen vor ihrem „Lebensende“ ausgetauscht werden. Außerdem müssten Wohngebäude noch massiver als bislang gedämmt werden.

„Die Produktion neuer Fenster und neuer Heizungen sowie zusätzlicher Dämmmaterialien verursachen aber zusätzlich viele Millionen Tonnen Treibhausgase“, sagte Breitner. „Wer Klimaschutz auf diesem Weg plant, erreicht das Gegenteil dessen, was er erreichen will.“

Und Breitner macht noch eine andere Rechnung auf. Demnach sind bisherige Klimaschutzmaßnahmen gar nicht effizient. „Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge sind von 2011 bis 2022 die jährlichen Ausgaben für Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich um 40 Prozent auf 67 Milliarden Euro gestiegen. Der Energieverbrauch je Quadratmeter stagniert jedoch seit Jahren“, so der VNW-Direktor. „Wir dichten und dämmen, als gäbe es kein Morgen, aber es hat für den Klimaschutz nichts gebracht“, so Breitner. „Milliardeninvestitionen und kein Stück weniger Energieverbrauch. Das ist einfach nur irre.“

Klimaschutz: „Mieterinnen und Mieter werden die Kosten tragen müssen“

Wer den Menschen verspreche, dass Klimaschutz nichts koste, streue ihnen Sand in die Augen. „Trotz aller Beteuerungen der Initiatoren des Volksentscheids werde am Ende die Mieterinnen und Mieter die Kosten tragen müssen.“

Auch die CDU warnte am Dienstag vor möglichen Folgen eines erfolgreichen Volksentscheids für schärferen Klimaschutz. Der Zukunftsentscheid sei eine „Mogelpackung“, sagte CDU-Klimapolitiker Stephan Gamm. „Die Initiatoren haben unrealistische Ziele formuliert und drücken sich gleichzeitig um die Antwort, wie diese konkret erreicht werden sollen. Der alleinige Hinweis auf die Sozialverträglichkeit klingt sympathisch, ist aber keine Antwort auf die daraus folgenden Herausforderungen für die Menschen in unserer Stadt.“

CDU Hamburg: Kosten für Miete, Energie und Mobilität würden steigen

Bereits das Ziel, für Hamburg bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, sei „ein gewaltiger Kraftakt“, so Gamm. „Ein Vorziehen dieses Ziels auf das Jahr 2040 wurde selbst von der grünen Umweltbehörde als unrealistisch eingeschätzt. Eine weitere Verschärfung hätte dramatische Folgen für die Menschen. Die Kosten für Energie, Miete und Mobilität würden erheblich steigen, und der Wirtschaftsstandort Hamburg hätten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu anderen Metropolregionen.“

Zudem fehlten „die Fachkräfte für die Umsetzung der hierfür erforderlichen Maßnahmen“, so der CDU-Politiker. Die CDU bekenne sich zum Klimaschutz. „Anders als die Initiatoren und ihre Unterstützer stehen wir jedoch für eine kluge Klima- und Energiepolitik mit Augenmaß, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, sich an realistischen Zielen orientiert und Kosten und Nutzen klar im Blick hat“, so Gamm. „Realitätsferne Wunschträume führen nur zu höheren Belastungen und weiterer Verunsicherung bei den Menschen.“

Mieten: Auch SPD Hamburg fürchtet deutlichen Anstieg durch mehr Klimaschutz

Auch SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hatte sich skeptisch geäußert. „Rot-Grün hat einen äußerst ambitionierten Klimaplan vorgelegt, mit dem die Klimaneutralität bis 2045 erreicht wird. Das bedeutet eine enorme Kraftanstrengung“, so Kienscherf. „Will man nun, wie die Initiative fordert, fünf Jahre schneller sein, hat das gewaltige Auswirkungen auf den Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen.“

Die Volksinitiative müsse nun sagen, wie sie die ambitionierteren Ziele erreichen wolle, „ohne dass etwa Mieten dramatisch teurer werden, Fachkräfte zur Umsetzung fehlen oder die Wirtschaft und damit Beschäftigung gefährdet werden“.

Klimaschutz: Grüne Hamburg unterstützen den Zukunftsentscheid

Die Grünen dagegen unterstützen den Zukunftsentscheid, wie Fraktionschefin Jennifer Jasberg betonte. Hamburg solle sich an dessen Zielen orientieren und bereits 2040 klimaneutral werden.

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Der Chef des Mietervereins zu Hamburg, Rolf Bosse, hat Befürchtungen steigender Mieten derweil am Dienstagabend widersprochen. „Dass der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen vor steigenden Mieten warnt, ist ein bekannter Reflex, wenn ihm eine Forderung nicht passt“, sagte Bosse dem Abendblatt. „Richtig ist doch, dass fehlende oder ungenaue Planung unnötige Mehrkosten verursacht und genau dies soll mit dem Zukunftsentscheid vermieden werden.“

Mieterverein zu Hamburg übt scharfe Kritik an der Wohnungswirtschaft

Die Wohnungswirtschaft habe sich „bis 2021 an niedrigen Zinsen und hohen Renditen gesättigt und will nun nichts übrig haben, um ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen?“, fragte Bosse. „So geht es nicht. Der billige Versuch, jetzt Mieterschutz und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen, darf nicht verfangen.“ Der Mieterverein zu Hamburg hatte sich dem Zukunftsentscheid bereits Anfang Oktober offiziell als Unterstützer angeschlossen.