Hamburg. Verspätete Maßnahmen, keine Kontaktdaten – der Umgang mit einem möglichen Seuchenfall im Hauptbahnhof offenbart erschreckende Versäumnisse.

Man stelle sich vor, der Verdacht auf das Marburg-Virus hätte sich bestätigt und der aus Ruanda über Frankfurt am Main mit dem ICE weiter nach Hamburg gereiste Medizinstudent hätte sich mit dem gefährlichen Erreger infiziert. Und am Hauptbahnhof wären die Mitreisenden dann am vergangenen Mittwoch einfach so herausspaziert und ihrerseits … Es wäre ein beispielloser Fall von Behördenversagen gewesen; das Handeln der Verantwortlichen in Hamburg hätte ungeahnte Folgen gehabt – vom parlamentarischen Nachspiel und dem internationalen Reputationsverlust ganz zu schweigen.

Bleiben wir bei den Fakten: Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) urteilte vorschnell, als er das „schnelle“ und „konsequente“ Handeln der Behörden lobte. Beide Attribute treffen hier so gar nicht zu.

„Marburg-Fall“: So ein Behördenversagen braucht Hamburg nicht

In einem ausführlichen Statement bestätigte die Sozialbehörde die Abendblatt-Recherchen fünf Tage später vielmehr umfänglich. Nachdem sie zunächst behauptet hatte, es seien „vorsorglich“ Kontaktdaten von Mitreisenden erhoben worden, räumte sie nun ein, dass es diese Daten gar nicht gibt. Der genannte Grund: Es sei nicht bekannt gewesen, dass der Student mit dem ICE nach Hamburg gereist sei, man habe erst davon erfahren, nachdem er am Hauptbahnhof angekommen sei. Das Gesundheitsamt sei zunächst davon ausgegangen, dass er und seine Partnerin am Airport einträfen.

Die ganze Verwirrung fuße auf einer „widersprüchlichen Informationslage“ – auch weil der betroffene Student telefonisch zwischenzeitlich nicht erreichbar gewesen sei. Darüber hatte die Sozialbehörde jedoch in den ersten Mitteilungen kein einziges Wort verloren. Im Gegenteil: Da hieß es noch, das Gesundheitsamt habe „beide Personen“ am Hauptbahnhof „sofort“ isoliert. Hamburg sei „für einen Seuchenfall gut aufgestellt“, befand die Behörde. Gut aufgestellt? Tatsächlich lief der Einsatz erst rund 90 Minuten nach Ankunft des Zuges in Hamburg an.

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Die Beruhigungspille, dass man bei einem positiven Marburg-Test die Kontaktpersonen auch durch einen öffentlichen Aufruf hätte ermitteln können, hätte sich die Behörde sparen können. Dahinter steckt pures Wunschdenken. Man kann nur hoffen, dass Hamburg aus diesem Versagen lernt und die Behörden künftig wirklich „schnell“ und „konsequent“ agieren – insbesondere wenn Leib und Leben in Gefahr sind.