Hamburg. Die Wellen schlagen hoch: Hinter der Abwahl von Stephanie Egerland steht eine Absprache von Hochschulrat und Akademischem Senat. Die Details.
- Abwahl von Kenzlerin Stephanie Egerland ist Teil einer umfassenderen Vereinbarung
- Präsident Müller-Lietzkow bekommt zweite Amtszeit – aber auf Abruf
- Hat die Kanzlerin ihre Kompetenzen zu weit ausgelegt?
Die Wellen schlagen hoch an der HafenCity Universität (HCU). Doch die Abwahl von Kanzlerin Stephanie Egerland nach zwölf Jahren Amtszeit ist nur ein vorläufiger Höhepunkt eines lange währenden Streits, der die kleine Hochschule einfach nicht in ruhiges Fahrwasser kommen lässt. Es stellt sich heraus: Die Absetzung der Kanzlerin, die qua Amt für den Haushalt und die Einhaltung der Richtlinien verantwortlich ist, war Teil einer umfassenderen Verabredung. Manche sprechen auch von einem Deal.
Zur Erinnerung: Der Hochschulrat – ein Aufsichtsgremium, das den Kanzler wählt und das Präsidium bei der strategischen Weiterentwicklung der Hochschule berät – hatte die Amtszeit von Kanzlerin Egerland vorzeitig beendet. Hinter den Kulissen gibt es seit Langem heftige Auseinandersetzungen an der Hochschule, die auch nach dem Ausscheiden des früheren Präsidenten Prof. Walter Pelka 2019 nicht endeten. Auch Kanzlerin Egerland war damals von Studierenden und Professoren vorgeworfen worden, radikal Stellen abgebaut, mehr Macht in der Hochschulleitung zentralisiert und die Arbeitsbedingungen verschlechtert zu haben. Schon damals wollten bestimmte Gruppen eine zweite Amtszeit der Kanzlerin verhindern. Neuer Präsident wurde 2019 als Nachfolger von Pelka Prof. Jörg Müller-Lietzkow.
Deal an der HafenCity Uni: Kanzlerin kommt weg, Präsident erhält eine zweite Amtszeit
Die Verlängerung seines Vertrages ist nun Teil der umfassenden Verabredung, die die Beteiligten sogar schriftlich niedergelegt haben. Das Schreiben liegt dem Abendblatt vor. „Personalentscheidung bzgl. der Positionen Kanzlerin und Präsident der HCU“, ist die Mitteilung von Ende Juni überschrieben. Der Akademische Senat (bestehend in der Mehrzahl aus Hochschullehrenden, aber auch akademischem Personal und Studierenden) bestätigt dem Hochschulrat darin die getroffene Vereinbarung: „Es besteht Einigkeit darüber, dass die HCU konstruktiv weiterentwickelt werden muss. Einvernehmlich wird dabei die aktuelle Zusammensetzung des Präsidiums als nicht zielführend angesehen. Zur Vermeidung eines größeren Führungsvakuums bittet der Senat auf Vorschlag des Hochschulrats darum, unter Verzicht auf eine Ausschreibung der Präsidentenstelle die Kanzlerin zeitnah von ihren Aufgaben zu entbinden.“ Sprich: Die Kanzlerin kommt weg, der Präsident erhält eine zweite Amtszeit ab 2025.
Was folgt, könnte als nur wenig verhohlene Drohung an Jörg Müller-Lietzkow verstanden werden: „Dabei erklärt der Senat seine Erwartung, dass Hochschulrat, Hochschulsenat und Präsidium gemeinsam Zielsetzungen für das Präsidium definieren und die Fortschritte fortlaufend gemeinsam monitoren und evaluieren. Eine wiederholte bzw. dauerhafte Nichterfüllung der gemeinsam definierten Ziele soll als Grundlage für weiterführende Entscheidungen dienen, wie gegebenenfalls die Abwahl des amtierenden Präsidenten.“ Müller-Lietzkow, ein Präsident auf Abruf?
Auch HCU-Präsident Müller-Lietzkow muss seine Abwahl fürchten
Auch der letzte Satz des Schreibens, den Prof. Peter-Matthias Klotz als Koordinator des Akademischen Senats an den Vorsitzenden des Hochschulrats und früheren Airbus-Chef, Georg Mecke, richtet, hat weitreichendere Folgen, als es auf den ersten Blick scheint. „Es wird als sinnvolle Option angesehen, zur Begleitung des laufenden Transferprozesses eine zusätzliche Vizepräsidentschaft zu erwägen“, heißt es da. Dazu muss man wissen: Bei den bisherigen vier Präsidiumsmitgliedern entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Präsidenten. Die hauptamtlichen Mitglieder, die auch die Verantwortung tragen, also Präsident und Kanzler, können somit nicht überstimmt werden. Bei fünf Mitgliedern im Präsidium könnten künftig die drei professoralen Mitglieder den Präsidenten und einen neuen Kanzler in allen Angelegenheiten mit 3:2 überstimmen. Ohnehin muss der Präsident ja befürchten, abgewählt zu werden, wenn die Vorgaben von Hochschulrat und -senat nicht erfüllt werden.
Dass Kanzlerin Stephanie Egerland ihre Abwahl selbst in diesem Licht sieht, hatte sie in ihrem Abschiedsbrief an die Kollegen angedeutet, der dem Abendblatt ebenfalls vorliegt. „Wie Sie wissen, gibt es seit Monaten im Haus intensive Diskussionen um und über die Präsidentschaft ab 1.7.2025. Auf Vorschlag des Hochschulratsvorsitzenden – und mit dem Ziel, die Stimmen der professoralen Mitglieder des Akademischen Senats für den von ihm angestrebten Ausschreibungsverzicht für den amtierenden Präsidenten zu gewinnen – erfolgte dieser bemerkenswerte Schritt.“ Gemeint ist ihr Rauswurf.
Anhänger der Kanzlerin bestätigen ihr, eine exzellente Saniererin der Hochschule gewesen zu sein. Kritiker wenden ein, sie habe den Bogen überspannt und ihre Kompetenzen zu weit gehend ausgelegt. Die im Hochschulgesetz festgeschriebene akademische Selbstverwaltung macht Abstimmungsprozesse an Universitäten kompliziert. Klar ist: Hochschulrat und Akademischer Senat dürfen Verabredungen treffen. Gut möglich, dass Egerland gegen ihre Abwahl klagt.
Die HCU und ihr Präsident wollten den Sachverhalt auf Anfrage des Abendblatts nicht kommentieren.
HafenCity Universität entstand als kompliziertes Konstrukt
Die Aufgabe eines Kanzlers beinhaltet neben den staatlichen Auftragsangelegenheiten (Recht, Personal, Finanzen, Einkauf, Liegenschaften, Studierendenverwaltung etc.) die Sicherstellung einer sinnvollen, angemessenen und leistungs-/belastungsbezogenen Mittelverwendung sowie die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch alle Hochschulmitglieder.
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Die HafenCity Universität war 2006 unter der Ägide des damaligen Wissenschaftssenators Jörg Dräger gegründet worden. Die Bauhochschule sollte internationale Strahlkraft für die Wissenschafts- und Hochschulmetropole Hamburg entwickeln. Vereint wurden Einrichtungen und Professoren aus drei bestehenden Hochschulen und auch unterschiedlichen Hochschultypen, nämlich der Technische Universität Hamburg in Harburg (TUHH), der Hochschule für bildende Künste (HfbK) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW), was sich in der Folge – und wohl bis heute – wegen der unterschiedlichen Profile und Vorstellungen von Lehre und Forschung als ein Teil des Problems erwies.