Hamburg. Tierschutzverein kündigt Vertrag mit Stadt. Unterbringung beschlagnahmter Tiere europaweit ausgeschrieben. Warum der HTV nicht teilnimmt.

Der Hamburger Tierschutzverein (HTV) hat seinen Vertrag mit der Stadt zur Unterbringung von Tieren fristgerecht Ende April gekündigt. Ab 2025 werden keine von der Stadt beschlagnahmten, gefundenen und sichergestellten Tiere mehr hier aufgenommen und vermittelt. Die Stadt hat europaweit ausgeschrieben, um eine Alternative zu finden. Beim HTV ist man entsetzt. Wie aber konnte es zur Vertragskündigung kommen? Und was hat es mit der Ausschreibung auf sich?

Das Tierheim hat seit Jahren einen Vertrag mit der Hansestadt. Hamburg ist gesetzlich verpflichtet, unter anderem Fundtiere aufzunehmen und tierschutzgerecht zu versorgen. Die Stadt selbst betreibt keine Tierheime und hat daher seit Jahrzehnten einen Vertrag mit dem Hamburger Tierschutzverein von 1841. Demnach werden die Kosten für Unterbringung und Versorgung der Tiere grundsätzlich pro Tag des Aufenthaltes im Tierheim und pro Tier abgerechnet – je nach Tierart gelten jeweils unterschiedliche Aufwandsentschädigungen.

Hamburger Tierschutzverein: Stadt wollte Bedingungen für einen neuen Vertrag nicht nachverhandeln

Laut Tierschutzverein decke die derzeitige Summe, die die Stadt an den Verein zahle, jedoch bei weitem nicht die Kosten, die dem Tierheim entstünden. Bereits vergangenes Jahr kündigte der Verein darum den Vertrag mit der Stadt – kurz bevor es aber zum Ende der Zusammenarbeit kam, einigte man sich auf neue Vertragsbedingungen. „Es gab im vergangenen Jahr – zum ersten Mal seit 2007 – deutlich mehr Geld für den HTV für die Tierunterbringung“, sagt Dennis Sulzmann, Sprecher der Justizbehörde, die für die Organisation der Tier-Unterbringung zuständig ist. „Für 2024 sah die Einigung vor, dass der HTV rund 3,8 Millionen Euro erhält, davor waren hierfür knapp 2 Millionen Euro veranschlagt“, sagt er weiter.

Für 2024 war der Tierschutzverein damit vorerst zufrieden, doch: „Wir hatten die Justizbehörde schon bei Vertragsabschluss für dieses Jahr darüber informiert, dass Preisanpassungen aufgrund der steigenden Kosten für die Folgejahre nötig sein werden“, sagt HTV-Sprecher Sven Fraaß. „Wir steuern auf Ausgaben von etwa sieben Millionen Euro zu.“ Außerdem bestehe der Bestand an Tieren im Heim des Vereins zu etwa 80 Prozent aus solchen, die im städtischen Auftrag versorgt werden, sagt er. Der Bitte nach Nachverhandlung für das kommende Jahr sei die Stadt nicht nachgekommen – daher die Kündigung seitens des Vereins.

Kritik von Hamburger Tierschutzverein: Zu großes Risiko für Auftragnehmer

Die Stadt hat reagiert und die Unterbringung für Hamburger Tiere nun neu ausgeschrieben. Mit den Forderungen, die die Stadt in diesem Schreiben an ein Tierheim stellt, das in ihrem Auftrag Tiere aufnimmt, ist der Tierschutzverein nicht einverstanden. So würden etwa – ginge es nach der Stadt – in Zukunft bei medizinischen Untersuchungen potenziell höhere Kosten auf denjenigen zukommen, bei dem das Tier untergebracht ist, das medizinisch betreut werden muss.

Auch möchte die Stadt, dass sich bei der Vermittlung von Tieren etwas ändert: Das Risiko einer gescheiterten Vermittlung soll in Zukunft beim Auftragnehmer liegen. „Die Stadt will auch bei kurzfristiger Rückgabe durch den neuen Halter oder die neue Halterin nicht mehr für die weitere Unterbringung des Tieres aufkommen“, sagt Sven Fraaß. Das sei enorm problematisch. HTV-Geschäftsführerin Petra Hoop erklärt, warum: „Einen schwierigen Hund, ein pflegeaufwändiges Reptil oder eine scheue Katze an den richtigen Menschen zu vermitteln, braucht aber Zeit und Sorgfalt.“

Herzlos: Diese Tiere wurden in Hamburg einfach ausgesetzt

In Hamburg werden zur Sommerferienzeit regelmäßig Hunderte Haustiere ausgesetzt – so wie in diesem Jahr die zwei Monate alten Kätzchen Stanley und Stacy. Besonders brutal: Die Vierbeiner sollten offenbar wie Abfall entsorgt werden, gefunden wurden sie in einer Tüte neben Müllcontainern in der Marktstraße auf St. Pauli. Die dreifarbige Stacy und der schwarz-weiße Stanley sind in erbärmlichem Zustand: Sie haben Katzenschnupfen – ihre Augen sind entzündet und geschwollen. Der Hamburger Tierschutzverein (HTV) päppelt das Duo nun wieder auf.
In Hamburg werden zur Sommerferienzeit regelmäßig Hunderte Haustiere ausgesetzt – so wie in diesem Jahr die zwei Monate alten Kätzchen Stanley und Stacy. Besonders brutal: Die Vierbeiner sollten offenbar wie Abfall entsorgt werden, gefunden wurden sie in einer Tüte neben Müllcontainern in der Marktstraße auf St. Pauli. Die dreifarbige Stacy und der schwarz-weiße Stanley sind in erbärmlichem Zustand: Sie haben Katzenschnupfen – ihre Augen sind entzündet und geschwollen. Der Hamburger Tierschutzverein (HTV) päppelt das Duo nun wieder auf. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Das gilt auch für Stella: Die zweijährige Katzendame Stella wurde wie Stanley und Stacy am selben Müllcontainer entdeckt – sie könnte die Mutter der Kätzchen sein.
Das gilt auch für Stella: Die zweijährige Katzendame Stella wurde wie Stanley und Stacy am selben Müllcontainer entdeckt – sie könnte die Mutter der Kätzchen sein. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Der kleine Pino ist einer von bis zum 16. Juli insgesamt zehn in Hamburg ausgesetzten Hunden. Gefunden wurde er am 4. Juni an der Schmiedekoppel in Niendorf. Vermutlich war er unbedacht angeschafft worden – und nun bei den Urlaubsplänen im Weg. Die Tierrettung des HTV holte den erst Ende März 2024 geborenen Welpen ins Tierheim Süderstraße. Dort wurde er aufgepäppelt, mit anderen Hunden sozialisiert und schließlich an ein neues Zuhause vermittelt.
Der kleine Pino ist einer von bis zum 16. Juli insgesamt zehn in Hamburg ausgesetzten Hunden. Gefunden wurde er am 4. Juni an der Schmiedekoppel in Niendorf. Vermutlich war er unbedacht angeschafft worden – und nun bei den Urlaubsplänen im Weg. Die Tierrettung des HTV holte den erst Ende März 2024 geborenen Welpen ins Tierheim Süderstraße. Dort wurde er aufgepäppelt, mit anderen Hunden sozialisiert und schließlich an ein neues Zuhause vermittelt. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Die Malteserrüden Chip und Chap wurden am 29. Juni auf einer Grünfläche an der Hallerstraße in Rotherbaum gefunden und zur Polizei gebracht. Chip wurde ca. 2022 geboren, Chap Ende Februar dieses Jahres. Auch sie haben inzwischen ein neues Zuhause gefunden.
Die Malteserrüden Chip und Chap wurden am 29. Juni auf einer Grünfläche an der Hallerstraße in Rotherbaum gefunden und zur Polizei gebracht. Chip wurde ca. 2022 geboren, Chap Ende Februar dieses Jahres. Auch sie haben inzwischen ein neues Zuhause gefunden. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Kaninchendame Ella wurde am 10. Juli auf einem Bewohnerparkplatz an der Holsteiner Chaussee in Schnelsen gefunden – am Hinterteil verletzt und mit viel zu langen Krallen. Wer den Löwenkopf-Mischling loswerden wollte, hatte wohl gehofft, hier würden sich Menschen des Kaninchens annehmen.
Kaninchendame Ella wurde am 10. Juli auf einem Bewohnerparkplatz an der Holsteiner Chaussee in Schnelsen gefunden – am Hinterteil verletzt und mit viel zu langen Krallen. Wer den Löwenkopf-Mischling loswerden wollte, hatte wohl gehofft, hier würden sich Menschen des Kaninchens annehmen. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Wellensittich-Hahn Willy wurde am 9. Juli am Wiesendamm in Winterhude gefunden. Ihm fehlen die Steuerfedern, weshalb er nicht koordiniert fliegen und beim Sitzen und Laufen schlecht ausbalancieren kann. Hätte man ihn nicht gefunden, wäre der Kleine ein leichtes Opfer für Katzen oder Greifvögel geworden.
Wellensittich-Hahn Willy wurde am 9. Juli am Wiesendamm in Winterhude gefunden. Ihm fehlen die Steuerfedern, weshalb er nicht koordiniert fliegen und beim Sitzen und Laufen schlecht ausbalancieren kann. Hätte man ihn nicht gefunden, wäre der Kleine ein leichtes Opfer für Katzen oder Greifvögel geworden. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Otis ist eine ausgewachsene Griechische Landschildkröte, die damit unter Artenschutz steht. In einem sehr schlechten Zustand wurde der kleine Panzerträger am 8. Juli an der Parkstraße in Othmarschen gefunden und zur Polizei gebracht. Über die Tierrettung kam Otis ins Tierheim Süderstraße, wo seine Schnabelprobleme behoben werden sollen.
Otis ist eine ausgewachsene Griechische Landschildkröte, die damit unter Artenschutz steht. In einem sehr schlechten Zustand wurde der kleine Panzerträger am 8. Juli an der Parkstraße in Othmarschen gefunden und zur Polizei gebracht. Über die Tierrettung kam Otis ins Tierheim Süderstraße, wo seine Schnabelprobleme behoben werden sollen. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Kornnatter Pummel muss lange ein Zuhause gehabt haben, in dem sie aber anscheinend nicht mehr gewollt war: Das ausgewachsene Reptil war etwas zu gut genährt und ist im Tierheim nun vorerst auf Diät. Gefunden wurde Pummel am 9. Juli am Marmstorfer Weg in Harburg.
Kornnatter Pummel muss lange ein Zuhause gehabt haben, in dem sie aber anscheinend nicht mehr gewollt war: Das ausgewachsene Reptil war etwas zu gut genährt und ist im Tierheim nun vorerst auf Diät. Gefunden wurde Pummel am 9. Juli am Marmstorfer Weg in Harburg. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Ausgesetzt werden vor allem Katzen. British-Kurzhaar-Kater Alex wurde am 29. Juni an der Bremer Reihe in St. Georg gefunden und zur Polizei gebracht. Er wurde in einer Transporttasche ausgesetzt, trug ein Halsband mit Glocke. Der etwa vier Jahre alte Kater litt, bevor er im Tierheim eine Schmerzbehandlung bekam, unter äußerst schmerzhaften Hüftproblemen, die operiert werden müssen.
Ausgesetzt werden vor allem Katzen. British-Kurzhaar-Kater Alex wurde am 29. Juni an der Bremer Reihe in St. Georg gefunden und zur Polizei gebracht. Er wurde in einer Transporttasche ausgesetzt, trug ein Halsband mit Glocke. Der etwa vier Jahre alte Kater litt, bevor er im Tierheim eine Schmerzbehandlung bekam, unter äußerst schmerzhaften Hüftproblemen, die operiert werden müssen. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
Mit seinem Käfig, in dem sich zumindest Futter und Wasser befanden, wurde der kleine Connor ausgesetzt. Der Kanarienvogel wurde am 9. Juni an der Rüterstraße in Wandsbek gefunden. Einen Ring, um ihn zuordnen zu können, trug der Kleine leider nicht.
Mit seinem Käfig, in dem sich zumindest Futter und Wasser befanden, wurde der kleine Connor ausgesetzt. Der Kanarienvogel wurde am 9. Juni an der Rüterstraße in Wandsbek gefunden. Einen Ring, um ihn zuordnen zu können, trug der Kleine leider nicht. © Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V.
1/10

Politik äußert sich zur Frage der Tier-Unterbringung in Hamburg

Aus der Politik kommt bereits ebenfalls Kritik am Vorgehen der Stadt: Stephan Jersch, tierschutzpolitischer Sprecher der Linkenfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, ist entsetzt. „Es ist unfassbar, wie der HTV als langjähriger Partner von der Stadt brüskiert wird, nachdem er auf kostengerechter Erstattung seiner Leistungen bestanden hat“, sagt er. „Damit erweist der Senat dem Tierschutz einen Bärendienst.“ Das Kostendiktat der Stadt gehe zu Lasten der Tiere. Er fordert: „Dieses Ausschreibungsverfahren muss sofort beendet werden und der Senat muss den Gesprächsfaden mit dem HTV wieder neu aufnehmen – nur so geht Tierschutz in unserer Stadt.”

Der HTV selbst habe „über 50 Kritikpunkte“ an dem Forderungskatalog der Stadt, so Fraaß. Aber die Bedingungen der Stadt in ihrer europaweiten Ausschreibung seien nicht verhandelbar, sagt er. Das sei dem Tierschutzverein zumindest so kommuniziert worden. „Daher fanden leider auch bisher im Vorfeld keine Verhandlungsgespräche statt“, sagt er weiter. Man hätte sich eine Einigung gewünscht. Über die Ausschreibung zeigt sich der Hamburer Tierschutzverein nun überrascht. „Das war ein richtiger Schock für uns“, sagt die 1. Vorsitzende des HTV, Janet Bernhardt. Als Ankündigung habe der Verein lediglich eine unscheinbare Mail erhalten.

Hamburger Justizbehörde: Finanzielle Mittel für Tierunterbringungen durch Haushalt beschränkt

Die Justizbehörde schildert die Vorgänge ganz anders. „Die Stadt hat in Gesprächen mit dem HTV im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es in Fall einer Kündigung zu einer Ausschreibung kommt“, sagt Behördensprecher Sulzmann. Entsprechend der EU-Vorgaben müsse dies europaweit geschehen. Der HTV habe nicht an der Ausschreibung teilgenommen. Andere Gebote hätten die Stadt aber erreicht.

Mehr zum Thema

Weitere Einzelheiten möchte die Justizbehörde derzeit nicht mitteilen, nach Prüfung der Ergebnisse des Vergabeverfahrens würde dann über weitere Schritte entschieden. „Sollte das Verfahren in Teilen nicht erfolgreich sein, können direkte Verhandlungen beginnen“, sagt Sulzmann.

Behörde: „Lediglich einzelne Regelungen aktualisiert“

„Hamburg setzt sich stark für das Wohl von Tieren ein“, so der Sprecher der Justizbehörde. Die finanziellen Spielräume für die Finanzierung der Tierunterbringung seien aber durch den Haushalt vorgegeben. Die meisten Punkte in den Vergabeunterlagen entsprächen der seit Jahren üblichen Praxis bei der Tierunterbringung in Hamburg. „Lediglich einzelne Regelungen wurden aktualisiert“, sagt Sulzmann.

Diese Aktualisierungen dienten dazu, die Zusammenarbeit für beide Seiten noch besser planbar zu machen und den Vertrag zukunftssicher zu gestalten. „In der Tierunterbringung brauchen wir als Stadt Zuverlässigkeit und Planbarkeit.“ Nach diesen Bedarfen richte sich die Ausschreibung.