Hamburg. 29-Jährige wurde mit Metallplatte in Dove Elbe versenkt und tauchte als skelettierte Leiche auf. Tötete sie der Mann, mit dem sie Affäre hatte?

  • Ihr heimlicher Freund soll die 29-Jährige laut Anklage erwürgt haben
  • Ungewöhnlich an dem Fall: Weder die Tatzeit noch der Tatort sind genau bekannt
  • Staatsanwaltschaft fordert zwölf Jahre und neun Monate Haft

Über Jahre war das Schicksal von Nargis S. ungeklärt. Doch als ein Angler im Januar vergangenen Jahres einen Schuh mit einem skelettierten Fuß am Haken hatte, ging alles ganz schnell. Taucher fanden in der Wilhelmsburger Dove Elbe weitere Teile einer Leiche, und schließlich konnte die DNA der sterblichen Überreste ermittelt werden. Es handelte sich um die seit zehn Jahren vermisste 29-Jährige. Jemand hatte die Leiche der Frau mit einer Metallplatte beschwert und im Wasser versenkt – wohl in der Hoffnung, dass die Tote nie entdeckt würde. Doch Jahre später schien der Cold Case aufgeklärt.

Ist der Hamburger Mehmet L. (Name geändert), der sich wegen des Falles um das Verschwinden und den Tod der 29-Jährigen vor dem Landgericht verantworten muss, der Täter? Davon ist jedenfalls die Staatsanwaltschaft überzeugt. Sie beantragte am Montag im Prozess eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten wegen Totschlags für den heute 45-Jährigen. Von der Strafe sollten wegen der langen Verfahrensdauer neun Monate als bereits vollstreckt gelten, so der Staatsanwalt. 

Aus Sicht des Anklägers steht schlüssig fest, dass Mehmet L. die junge Frau erwürgt habe. Sein Motiv laut Staatsanwaltschaft: Der Mann habe mit der jungen Frau ein außereheliches Verhältnis gehabt, und sie habe immer wieder Geld von ihm gefordert und zudem gedroht, seiner Familie von der außerehelichen Beziehung zu erzählen. Außerdem soll sie angekündigt haben, dass sie offenbaren werde, Mehmet L. sei nicht nur der seriöse Betreiber einer Autowerkstatt, sondern verdiene weiteres Geld als Chef eines Bordells.

Tote mit Metallplatte im Fluss versenkt: Ankläger fordern fast 13 Jahre Haft

Mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft geht ein Prozess in die Schlussphase, der mittlerweile über 67 Verhandlungstage andauert und in dem vor allem ein Zeuge eine entscheidende Rolle spielt. Dieser Mann hatte den Angeklagten mit seiner Aussage erheblich belastet. So hatte er ausgesagt, dass Mehmet L. ihm die Tötung von Nargis S. gestanden habe. Außerdem habe der 45-Jährige ihn seinerzeit gebeten, ihm beim Verstecken des Leichnams zu helfen. Daraufhin hätten sie die Tote im Auto des Angeklagten zunächst zu einem Deich gebracht und dort in einem Gebüsch verborgen. Später sei sie dann mit einer Metallplatte beschwert und in der Dove Elbe versenkt worden.

Auch ein zweiter Zeuge hatte den Angeklagten im Prozess belastet. Ferner sprechen aus Sicht der Staatsanwaltschaft weitere Umstände dafür, dass Mehmet L. der Täter sei. So habe der Hauptbelastungszeuge den Ermittlern gegenüber eine Stelle am kilometerlangen Deich gezeigt, wo tatsächlich Kleidungsstücke gefunden worden waren, die dem Opfer zuzuordnen seien. Außerdem hätten Leichenspürhunde im Auto des Angeklagten angeschlagen. Darüber hinaus hätten sich Mehmet L. und seine mutmaßliche Geliebte schon mal vor Zeugen gestritten. Die Auseinandersetzung sei derartig eskaliert, dass der Mann ihr gedroht und sie außerdem gewürgt habe. Und schließlich: Es gebe keinerlei Verdacht gegen andere Personen, dass sie für die Tötung der 29-Jährigen verantwortlich sein könnten.

Prozess Hamburg: Was diesen Fall so ungewöhnlich macht

Der Angeklagte hatte im Verfahren geschwiegen. An seiner statt hatte sein Verteidiger mitgeteilt: „Dem Vorwurf wird generell entgegengetreten.“ Der Fall ist unter anderem deshalb sehr ungewöhnlich, weil weder die Tatzeit noch der Tatort genau bekannt ist. In der Anklage heißt es, das Verbrechen sei jedenfalls nach dem 8. März 2013 geschehen – und „wahrscheinlich“ habe Mehmet L. die 29-Jährige in seinem Auto umgebracht. Als Nargis S. damals verschwunden war, hatte die Polizei zunächst nicht ausgeschlossen, dass die Frau zurück in ihr Heimatland Bulgarien gefahren sein könnte, wo noch ihre Eltern lebten und wo sie häufiger Urlaub gemacht hatte.

Allerdings gab es keine Anhaltspunkte für eine neuerliche Reise der 29-Jährigen nach Bulgarien. Nachdem die Polizei sich um weitere Hinweise bemüht hatte, unter anderem mithilfe von Plakaten, in denen nach Zeugen gesucht wurde, lief es immer mehr auf ein bestimmtes Szenario hinaus: dass Nargis S. nicht mehr lebt. Eine Suche nach der Toten nahe dem Kreetsander Hauptdeich verlief ohne Ergebnis.

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Bewegung kam in den Fall, als ein Zeuge der Polizei von dem Verhältnis erzählte, das Mehmet L. mit der 29-Jährigen gehabt haben soll. Daraufhin war am 14. März 2014 Anklage gegen den Hamburger erhoben worden. Doch ohne einen Leichnam, so sah es die damals zuständige Kammer des Landgerichts, sei der Prozess nicht zu eröffnen. Erst mit dem grausigen Fund des skelettierten Fußes war es so weit, dass Mehmet L. vor Gericht gestellt wurde. Ein Urteil könnte noch diese Woche verkündet werden.