Hamburg. Patienten müssen teilweise 45 Euro zahlen, wenn sie nicht absagen. Wie Internetportale helfen und warum Ärzte sich auf dünnem Eis bewegen.
Was deutschlandweit diskutiert wird, ist in Hamburg bereits an der Tagesordnung: Ärzte schicken Rechnungen an Patienten, die Termine schwänzen. Wenn für eine Behandlung absehbar aufwendige Geräte eingesetzt werden müssen, zum Teil Personal geplant wird und der Termin nicht einfach an einen anderen Patienten weitergegeben werden kann, wird eine Art „Strafzahlung“ fällig. Der Hamburger HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich findet das richtig und hat für seine Praxis in Horn auch schon selbst Rechnungen über 45 Euro geschrieben.
Wenn Termine nicht abgesagt werden, so Heinrich, könne ein Schaden entstehen, auf dem der Arzt sitzen bleibe. Eine Forderung müsse jedoch gut begründet sein. Gerade wegen der Terminvergabe per E-Mail oder Buchungsplattformen im Internet sei es heutzutage viel leichter, einen Termin rechtzeitig abzusagen. Portale wie Doctolib erinnern die Patienten nicht nur an ihren Termin, sondern bieten eine schnelle Möglichkeit, ihn rechtzeitig zu stornieren, wenn dem Patienten etwas dazwischenkommt.
Termine bei Hamburger Ärzten: Wer schwänzt, muss womöglich zahlen
Bei Hausärzten oder in Praxen mit reichlich „Laufkundschaft“ ist eine Strafgebühr seltener ein Thema als bei Fachärzten, die größere Vorsorgeuntersuchungen planen, Magnetresonanztomografien (MRT) machen oder kleine Eingriffe vorbereiten. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hamburg, Dr. Eric Banthien, sagte dem Abendblatt: Diese No-show-Gebühren gebe es schon sehr lange. „Es ist an die Voraussetzung gebunden, dass der Patient und die Zahnärztin eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen haben, schriftlich und von beiden Seiten unterschrieben. Es empfiehlt sich, besonders für Bestellpraxen, die also nicht von spontaner Laufkundschaft leben, bei größeren Eingriffen so eine Vereinbarung zu treffen.“
Banthien sagte, diese Vereinbarung wirke meistens wie eine Ermahnung, den Termin auch einzuhalten. „Dass Ausfallhonorare wirklich gefordert und durchgesetzt werden, kommt eher selten vor – oder diese Vorgänge landen nicht bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung.“ Die betreffenden Vereinbarungen würden immer privat abgeschlossen.
Karl Lauterbach und Krankenkassen gegen Strafen für Terminschwänzer
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, hatte zuletzt erneut auf die Misere hingewiesen. Er verlangte, dass die Krankenkassen für Terminschwänzer zahlen. Die Kassen wie auch Patientenvertreter und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wiesen das zurück. Klar ist: Zum einen ist es für Patienten schwierig, überhaupt Termine zeitnah zu bekommen. Zum anderen leiden Praxen unter einer hohen Ausfallquote. In einer KBV-Umfrage aus dem vergangenen Jahr sagten 44 Prozent der niedergelassenen Ärzte, dass sie dauerhaft schlechte Erfahrungen mit nicht oder zu spät abgesagten Terminen gemacht hätten.
Hamburger Ärzte weisen darauf hin, dass unentschuldigtes Fernbleiben von Terminen auch gegenüber anderen Praxispatienten ein unmögliches Verhalten sei. Sie blockierten Zeit, die für andere fehle. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen rät, Termine rechtzeitig abzusagen. Bei festen Terminen solle man das am besten per E-Mail tun. Es gebe für Ansprüche der Ärzte allerdings „keine allgemeingültige Rechtsgrundlage“. Die Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Praxen offenbar ebenso unterschiedlich von den Gerichten interpretiert werden können, wenn es zum Streitfall kommt.
Lesen Sie auch
Hamburgs Kassenärzte: Warten ist keine Leistung
Etwas schwammig blieb sogar der Budesgerichtshof (BGH) in seinen Urteilen zu einer Strafgebühr. Immerhin stellten die Richter im Jahr 2022 klar, dass für eine Strafgebühr dem Patienten klar sein muss, dass der vereinbarte Termin nicht bloß aus Organisationszwecken zwischen der Praxis und ihm vereinbart wurde, sondern eine „bindende Vereinbarung“ ist.
Hamburgs Kassenärztliche Vereinigung hat keine wirkliche Handreichung für die niedergelassenen Mediziner. „Grundsätzlich“ sei es möglich, dass ein Arzt ein Ausfallhonorar verlange, wenn der Patient zum vereinbarten Termin nicht erscheine, heißt es in einer Stellungnahme für das Abendblatt. Jedoch müssten „sämtliche“ Umstände eines Einzelfalles geprüft werden – also etwa, ob der Arzt in der Ausfallzeit etwas anderes getan haben könnte oder ob der Termin „exklusiv“ für den Patienten und mit Aufwand verbunden war. Dass sich die Ansprüche daraus gegen eine Krankenkasse durchsetzen lassen, daran glaubt Hamburgs Ärztevertretung nicht. Denn: „Das Warten des Arztes stellt keine Leistung dar.“