Hamburg. Richterin kritisiert Ermittlungen und erteilt Polizei einen „gut gemeinten Rüffel“. Was nach dem Unfall schiefgelaufen ist.
Nach einem Autounfall mit Totalschaden im Herbst 2022 in Hamburg war die Polizei von einem illegalen Autorennen als Grund ausgegangen. Nun entpuppt sich der Fall als ein finanzielles Fiasko für die Staatskasse.
Am Ende war vielleicht auch ein bisschen das Versagen der Justiz verantwortlich. Das zumindest wirft die Richterin am Ende des Verfahrens in den stickigen Raum. Was war passiert?
Illegales Autorennen? Warum zwei Angeklagte nach Unfall freigesprochen wurden
Nach dem Autounfall im November 2022 endete diese Woche die Hauptverhandlung gegen die beiden Fahrer nach langwierigen Diskussionen und Zeugenvernehmungen zugunsten der Angeklagten. Drei Termine hatte es gegebenen, bei denen mehrere Zeugen in den Zeugenstand gerufen worden waren. Darunter befanden sich am Dienstag auch vier Polizeibeamte, die sich schlussendlich einer Demütigung ausgesetzt sahen.
Am 15. November vor zwei Jahren ist der damals 26 Jahre alte Fahrer zusammen mit seinem Cousin in einen Unfall kurz vor der Lombardsbrücke in Hamburg-Neustadt verwickelt gewesen. Mit seinem schwarzen VW Golf war der Mann von der Fahrbahn abgekommen und mit mehreren Baumschutzbügeln, einem Baum und schließlich mit einem Lichtmast kollidiert.
Prozess Hamburg: Richterin spricht von „Versagen der Justiz“
Der Beifahrer kam damals mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus, wurde aber schnell wieder entlassen. Ebenfalls angeklagt wurde der damals 22 Jahre alte Fahrer eines weißen BMW, der gemeinsam mit dem VW-Fahrer die Straße Alsterglacis mit hoher Geschwindigkeit entlanggefahren war. Sein Auto verunfallte jedoch nicht. Spuren auf Alkohol oder andere Drogen ließen sich bei beiden Männern nicht feststellen.
Bei der Unfallaufnahme hatte die Polizei vor zwei Jahren auch Zeugen des Unfalls befragt, die laut Protokoll von einem möglichen Autorennen gesprochen hatten. Genau darauf bestand die Staatsanwältin heute auch und brachte damit die beiden Verteidiger förmlich zum Kochen.
Illegales Autorennen: War die Polizei vorschnell davon ausgegangen?
Denn die gingen davon aus – und das wurde letztlich auch durch die Richterin bestätigt – dass die Polizei grundsätzlich von einem Autorennen ausgegangen war und dementsprechend ermittelt hatte. Die Fragen der Beamten wurden etwa in den Protokollen gänzlich ausgelassen und somit die Hinweise auf ein Autorennen den Befragten förmlich in den Mund gelegt.
Erschwerend für die Staatsanwältin kommt dazu, dass bei der Unfallaufnahme kein Sachverständiger eingesetzt wurde. Dieser hätte eindeutiger klären können, wer tatsächlich für den Unfall verantwortlich gewesen war und ob es klare Hinweise auf ein Autorennen gegeben hatte.
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Prozess Hamburg: Zeugen widersprechen dem Protokoll der Polizei
Die drei Zeugen konnten sich nun nach fast zwei Jahren genauso schlecht an den Unfall erinnern wie die Beamten selbst. Teilweise widersprachen die Zeugen sogar den Protokollen der Polizei.
Letztlich zweifelt die Richterin nicht daran, dass es sich damals durchaus um ein illegales Autorennen gehandelt haben könnte. Die Beweislage ist heute schlichtweg zu dünn und die Verteidiger zu stark. Die Polizeibeamten erhalten einen gut gemeinten Rüffel.
Denn: Wenn vor zwei Jahren besser ermittelt worden wäre und die Justiz einen ordentlichen Job gemacht hätte, wären der Staatskasse die Gelder und den Beteiligten viel aufgewendete Zeit erspart geblieben. Beide Angeklagten erhalten nun ihre Fahrzeugpapiere wieder und werden finanziell entschädigt.