Hamburg. „Großer Fehler“: Aus Terrorangst wurde Fest der Vielfalt abgesagt. Das sei wie „ein Sieg der Islamisten“. Verein kritisiert Polizei und Politik.
Die Jüdische Gemeinde Hamburg hat scharfe Kritik an der Absage des Grindelfestes durch den Veranstalter wegen Sicherheitsbedenken geübt. „Die Absage ist aus unserer Sicht ein großer Fehler und genau das falsche Signal“, sagte Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, dem Abendblatt. „Uns ist wichtig, dass nicht der Eindruck entsteht, die Jüdische Gemeinde habe das Fest absagen wollen. Da wir aber nicht Veranstalter sind, mussten wir die Entscheidung zur Kenntnis nehmen.“
Aus seiner Sicht hätte man das Fest „durchführen können und auch müssen, wenn man es schon angekündigt hat“, sagte Stricharz. „Die Sicherheitslage hat sich nicht verändert in den letzten Wochen. Sie ist immer angespannt. Durch die Absage sendet man ein völlig falsches Signal nicht nur in die Gesellschaft, sondern an alle Menschen, die tagtäglich einem ohnehin erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Wie sollen die denn ihren Alltag bestreiten?“
Grindelfest-Absage: „Das ist ein Einknicken vor dem Islamismus“
Die Absage des Festes von Vielfalt und jüdischem Leben am Grindel sei „ein Einknicken vor dem Islamismus und damit ein Sieg für solche Angreifer“, so das bittere Resümee des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Hamburg. „Und das dürfen wir nicht zulassen.“ Selbst die Polizei solle die Absage überrascht haben.
„Die haben mir diese Gespräche nicht offengelegt, aber ich bin ja sozusagen auch als jüdische Gemeinde ortsansässig im Grindelviertel“, so Stricharz. „Und ich habe natürlich meine ganz eigenen Überlegungen und Gespräche laufend immer mit der Polizei. Wirklich sehr intensiv, auf hoher Ebene bei der Polizei. Das heißt, wenn es da ernsthafte Bedenken gegeben hätte, bin ich relativ sicher, dann hätte ich die gekannt.“
Jüdische Gemeinde Hamburg lobt Flüchtlingspolitik in Dänemark
Deutliche Worte richtete der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hamburg auch an die Politik. Es gebe in Deutschland einen „komplett naiven Umgang mit Gefährdern aus Ländern, in denen man Juden hasst“. In Dänemark mit seiner deutlich restriktiveren Flüchtlingspolitik habe man „Frieden“, so Stricharz. „Hier nicht.“
Jimmy Blum vom Veranstalter Grindel e. V. hat die Kritik an der Absage im Gespräch mit dem Abendblatt erneut zurückgewiesen und betont, dass es von der Polizei für das Fest keine klaren Sicherheitszusagen gegeben habe. „Wir haben am Montag mit der Sicherheitsabteilung der Polizei an Wache 17 gesprochen. Da wurde uns gesagt, die Polizei werde das Fest unterstützen. Aber es konnte uns nichts dazu gesagt werden, wie diese Unterstützung konkret aussehen würde“, sagte Blum. „Das werde tagesaktuell entschieden, hieß es. Und es wurde uns gesagt, die Polizei spreche keine Empfehlung dazu aus, ob das Fest stattfinden könne oder nicht. Zudem wurde betont, dass wir als Veranstalter in der Verantwortung stünden.“
Grindelfest: „Solingen hat ja gezeigt, wie einfach es ist, solche schrecklichen Attentate zu begehen“
Da das jüdische Leben im Zentrum des Festes stehen sollte, habe der Verein auch mit der Jüdischen Gemeinde gesprochen. Die habe zwar signalisiert, dass sie nicht absagen wolle. „Im Vorstand unseres kleinen Vereins haben wir uns dann aber trotzdem entschieden, dass wir die Verantwortung für die Sicherheit nicht tragen können“, sagte Blum.
„Solingen hat ja gezeigt, wie einfach es ist, solche schrecklichen Attentate zu begehen. Und unser Fest sollte ja genau wie das in Solingen unter dem Motto ‚Vielfalt‘ stehen. Dazu noch sollte das jüdische Leben im Viertel im Zentrum stehen. Natürlich kann eine solche Veranstaltung diese Art islamistischer Attentäter besonders anziehen, das war uns klar.“
Spekulationen, es habe in Wahrheit andere Gründe für die Absage gegeben, etwa Finanz- oder Organisationsprobleme, seien „totaler Unsinn“, so Blum. „Wir hatten alles vorbereitet, und es war auch finanziell alles abgesichert. Es ist uns wahnsinnig schwergefallen, das Fest abzusagen, denn wir haben ja auch im Vorwege sehr viel Arbeit in die Planung gesteckt.“
Islamismus Hamburg: „Wie hätten wir bei einem Anschlag dagestanden?“
Er finde es „wirklich unfair, uns für die Absage so hart zu kritisieren“, sagte der Vorsitzende des Vereins Grindel e. V., der auch für die FDP in der Bezirksversammlung Mitte sitzt. „Man sollte auch nicht Wahlkampf auf dem Rücken der Opfer von Solingen und auf unsere Kosten machen, wie es manche Parteien jetzt auch in Hamburg tun.“
- Islamismus Hamburg: Starkes Plus – in der Hansestadt leben 1520 gewaltbereite Islamisten
- Nach Solingen: Erstes Straßenfest in Hamburg abgesagt – „Armutszeugnis“
- Straßenfeste in Hamburg absagen? Das wäre Kapitulation vor dem Terror
„Stellen Sie sich mal vor, wir hätten nicht abgesagt und es wäre etwas passiert! Wie hätten wir, wie hätte Hamburg denn dann dagestanden?“, so Blum. „Da hätte doch jeder gesagt: Wie konnten die nur ein Fest mit demselben Motto wie in Solingen so kurz nach dem Attentat organisieren, und das ohne Sicherheitsgarantie der Polizei? Noch mal: Uns tut die Absage von Herzen leid und wir wissen um die schlimme Signalwirkung. Aber wir hatten keine andere Wahl.“