Hamburg. Michael Kruse ist energiepolitischer Sprecher der FDP. Scharf kritisiert er Wirtschaftsminister Habeck, den HHLA-Deal und Rot-Grün.

Der Hamburger Michael Kruse ist Mitglied im FDP-Bundesvorstand, war von April 2021 bis März 2023 Landesvorsitzender der Hamburger FDP und ist seit 2021 Mitglied des deutschen Bundestages. Der energiepolitische Sprecher seiner Fraktion über die Stimmung in der Ampel-Koalition, den Bürgerschaftswahlkampf und die drohende Deindustrialisierung.

Hamburger Abendblatt: Herr Kruse, freuen Sie sich schon auf den 28. September 2025?

Michael Kruse: Ja.

Dann hat das Elend ein Ende …?

Das haben Sie gesagt. Aber es ist dann Zeit, die Macht im Land neu zu verteilen.

Sie haben kürzlich gesagt: Unter der Führung von Robert Habeck hat der Zusammenschluss von Wirtschaft, Energie und Klima dem Land täglich wirtschaftlichen Schaden zugefügt …

Kruse kritisiert seinen Koalitionspartner: „Herr Habeck führt das Amt des Wirtschaftsministers eher im Nebenjob aus“
Kruse kritisiert seinen Koalitionspartner: „Herr Habeck führt das Amt des Wirtschaftsministers eher im Nebenjob aus“ © dpa | Thomas Banneyer

Dem ist auch so. Unsere Wähler wünschen sich eine bessere Wirtschaftspolitik, die der Minister leider schuldig bleibt.

Warum macht die FDP dann nicht den Weg für Neuwahlen frei?

Die aktuellen Herausforderungen, der Krieg in Europa und die vielen Krisen, verbieten ein leichtfertiges Handeln. Wichtig ist, dass die Regierung jetzt die Wirtschaft stärkt, weiter solide haushaltet und die Zuwanderung ordnet.

Um ihren Parteichef aus dem Jahr 2018 zu zitieren: Wäre es nicht besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren?

Es ist besser, sich um gute Lösungen zu bemühen, als die Flinte ins Korn zu werfen. Wenn der Wind von vorn kommt, segelt man hart am Wind. Ich wette, dass die Ampel bis zum Ende hält.

Ihre Hamburger Parteifreunde wären wahrscheinlich froh, wenn Sie bei der Bürgerschaftswahl ohne Berliner Ballast antreten könnten.

Die Hamburger Parteifreunde wären sicher froh, wenn die Grünen nicht mehr Teil der Bundesregierung wären

Wie will die FDP gegen Rot-Grün kämpfen, mit denen man in Berlin koaliert?

Wir werden mit Katarina Blume eine kompetente, zugewandte Spitzenkandidatin haben, die sympathischste noch dazu. Die FDP Hamburg hat das beste Wahlergebnis aller Landesverbände in Deutschland bei der Europawahl erzielt. Die Bilanz des rot-grünen Senats ist dürftig.

Was sollen denn die Gewinnerthemen der FDP sein?

Katarina Blume steht für eine erfolgreiche Stadtentwicklung, sie kennt die Probleme von Rot-Grün: der Elbtower, der lahmende Wohnungsbau, eine staatsfixierte Bodenpolitik, die sich verzockt. Rot-Grün ist eine Anti-Bau-Koalition. Auch die Hamburger Verkehrspolitik ist für viele ein einziges Ärgernis, es gibt gefühlt mehr Baustellen als Strecken ohne. Man muss mit dem Auto in die Stadt kommen können, das ist für die Händler in der City elementar wichtig. Fahren Sie mal aus Duvenstedt mit dem HVV in die Stadt. Wo ist denn der versprochene Hamburg-Takt? Es gibt noch ein drittes großes Thema: Der HHLA-Deal ist ein irreparabler Fehler, er muss gestoppt werden. Der Senat verscherbelt den Hafen zu einem schlechten Preis.

Ob man mit dem Thema die Wähler an die Urnen lockt?

Man muss sich nur einmal Detailzahlen ansehen: Die HHLA-Tochter Metrans hat schon jetzt zehn Prozent ihres Lkw-Umschlags verloren, das ist dramatisch. Die Spediteure ziehen Ladung ab, bevor MSC Zugriff auf sensible Daten erhält und sie dann aus dem Markt verdrängt. Der MSC/HHLA-Deal zeigt, dass Peter Tschentscher die Verbindung zur Hamburger Kaufmannschaft verloren hat.

Die FDP hat keine Machtoption – sie wird in Hamburg angesichts der Umfragen nicht gebraucht.

Die FDP wird immer gebraucht. Im März wird die FDP Hamburg entscheidenden Einfluss auf die Mehrheitsfindung im Rathaus nehmen, so wie das ja derzeit auch in einigen Bezirken passiert.

„Peter Tschentscher hat die Verbindung zur Hamburger Kaufmannschaft verloren“, kritisiert der frühere Hamburger FDP-Chef
„Peter Tschentscher hat die Verbindung zur Hamburger Kaufmannschaft verloren“, kritisiert der frühere Hamburger FDP-Chef © dpa | Marcus Brandt

Dann zurück nach Berlin. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die FDP nicht gestaltet, sondern vor allem bremst …

Das ist falsch. Die FDP hat den größten Gestaltungsanteil in der Regierung. Sie sorgt dafür, eine sehr linke Politik von Rot-Grün, die in Deutschland keine Mehrheit hat, auf Kurs der Mitte zu bringen. Diese Koalition hält die Schuldenbremse ein – das hat die Große Koalition nicht hinbekommen.

Trotzdem sind viele Wähler von der FDP enttäuscht.

Wir sind in die Ampel eingetreten, um die wirtschaftliche Position zu stärken. Das ist in der aktuellen Konstellation eine tägliche Herausforderung. Herr Habeck führt das Amt des Wirtschaftsministers eher im Nebenjob aus. Während sich die wirtschaftliche Lage weiter eintrübt, nutzt er den Sommer, um eine Wärmepumpentour zu machen. Bei ihm stimmt die Schwerpunktsetzung nicht. Ich wüsste gerne, wie er die Wirtschaft in diesem Land stärken möchte. Bürokratieabbau wäre Wachstumspolitik zum Nulltarif. Leider fällt gerade sein Ministerium durch Bürokratieaufwuchs auf. 

Noch nie habe ich bei Unternehmern eine so schlechte Stimmung wahrgenommen wie heute.

Die Stimmung ist schlechter als die Lage – aber die Politik muss viel unternehmen, damit die Lage besser wird. Ich würde mir wünschen, dass Robert Habeck, auch im Interesse Hamburgs, den Freihandel vorantreibt. Russland hat sich von Europa abgewendet, China ist dabei. Wir brauchen neue Handelspartner, die unsere Werte teilen. Deshalb ist das Mercosur-Abkommen mit Lateinamerika, deshalb ist CETA mit Kanada so wichtig.

Viel kritisiert wird in Hamburg die Energiepolitik. Energie ist zu teuer, und zunehmend mangelt es an Versorgungssicherheit …

Das ist eine der größten Herausforderungen, sie ist die durch den russischen Angriff noch größer geworden. Aber die Regierung hat geliefert: Wir haben uns früh von Benzin und Diesel aus Russland unabhängig gemacht und schnell eine alternative Gasinfrastruktur aufgebaut. Wir haben die Erneuerbaren Energien ausgebaut und müssen das System jetzt besser aufstellen: Wir haben mittags im Sommer zu viel Sonnenstrom, der selbst dann vergütet werden muss, wenn die Preise ins Negative rutschen. Der Stromkunde zahlt doppelt: Einmal für den Erzeuger und dann für die Abgabe etwa ins Ausland. Die Förderung der Erneuerbaren Energien war richtig, um sie aufzubauen. Jetzt muss sie Stück für Stück beendet werden. Die Erneuerbaren müssen sich dem Wettbewerb stellen.

Der Wirtschaftsminister plant eine Netznutzungsgebühr, um den Stromverbrauch flexibler zu machen. Für große Industrieabnehmer, die rund um die Uhr Strom brauchen, wäre das richtig teuer.

Das wäre der Sargnagel für die Grundstoffindustrie. Sie hat schon viel unternommen, um flexibler zu werden. In Hamburg sind unsere drei Großverbraucher – die Kupferhütte, das Stahlwerk und das Aluminiumwerk – für mehr als ein Viertel des Stromverbrauchs verantwortlich. Es wäre klüger, auf Anreize zu setzen als zu bestrafen. Wir brauchen dringend bessere Rahmenbedingungen für diese Industrie, damit sie hierzulande wieder investiert. Dafür werden wir als FDP sorgen. Mit der Strompreiskompensation ist uns ein erster, wichtiger Schritt gelungen.

Wie sollen denn die Preise wieder sinken?

Erstens müssen wir die Energieträger, die günstigen Grundlaststrom bereitstellen, stärken. Das ist in Deutschland zum Beispiel Wasserkraft. Auch die Kernkraft aus dem Ausland ist wichtig. Übrigens verfügen wir über die verstaatlichte Uniper AG über Kernkraftwerke in Schweden. Diese Energie sollte auch für deutsche Unternehmen zur Verfügung stehen. Zweitens benötigen wir neue Speicher, um die überschüssige erneuerbare Energie zu nutzen. Wir wollen den Wasserstoffhochlauf organisieren, um Lücken zu schließen. Den Hamburgern wurde Fernwärme per Wasserstoff versprochen – ich wette, Senator Kerstan ist eher in Rente, als dass das dreckige Kohlekraftwerk in Wedel abgeschaltet wird. Und drittens muss Deutschland an die eigenen Gasvorräte heran. Dass die Grünen nun sogar die Gasförderung in der Nordsee verhindern wollen, spricht Bände.

Olaf Scholz hatte im Wahlkampf einen Strompreis von vier Cent versprochen.

Wie das gelingen soll, hat er leider nicht gesagt. Ich messe Politiker nicht an ihren Versprechen, sondern ob sie das Erreichbare auch umsetzen.

Macht er das?

Sofern er sich erinnert.

Mehr zum Thema

Erkennen Sie den früheren Hamburger Bürgermeister noch wieder?

Olaf Scholz hat sich nicht besonders verändert, aber die politische Umgebung in Berlin ist eine ganz andere als die in Hamburg.