Hamburg. Grünen-Politikerin von Machtwechsel in Nord „sehr überrascht“. Sie will als „Bürgermeisterkandidatin“ Peter Tschentscher herausfordern.

Katharina Fegebank will es noch mal wissen: Die 47-jährige Wissenschaftssenatorin möchte zur Bürgerschaftswahl in Hamburg Anfang März 2025 erneut als Bürgermeisterkandidatin antreten und damit Amtsinhaber Peter Tschentscher (SPD), ihren Koalitionspartner, zum zweiten Mal herausfordern, wie sie im großen Abendblatt-Interview ankündigt. Warum sie an einen Sieg glaubt und wie sie den Trend drehen will, welche Rolle Vizekanzler Robert Habeck im Hamburger Wahlkampf spielen soll, warum sie irritiert ist über die SPD und wer grüner Kanzlerkandidat werden sollte, verrät die 47-Jährige in diesem Gespräch.

Hamburger Abendblatt: Im Bezirk Hamburg-Nord sind Sie jetzt von Ihrem Koalitionspartner im Rathaus ausgebootet worden. Die Grünen sind stärkste Kraft geworden, aber die SPD schmiedet eine Koalition mit vier anderen Parteien. Macht Sie das ärgerlich? 

Katharina Fegebank: Es ist okay, dass nach der Bezirkswahl verschiedene Koalitionsoptionen, nicht nur in Nord, sondern auch in anderen Bezirken, auf dem Tisch liegen. Aber in der Tat war ich von der Entscheidung der Nord-SPD nicht nur enorm überrascht, sondern auch wirklich irritiert. Nord ist einer der wenigen Bezirke, wo man relativ einfach eine stabile Zwei-Parteien-Mehrheit gehabt hätte, nämlich die Fortsetzung der grün-roten Koalition. Dass dieses Bündnis, das in unterschiedliche Konstellationen seit zehn Jahren gemeinsam regiert, aufgekündigt wird, war schon wirklich sehr überraschend. Vor allem, weil auch die dortige SPD bis zur Wahl von einer sehr gut funktionierenden Koalition gesprochen hat. 

Die Grünen sind irritiert, was folgt daraus?

Zum einen ist ja offenkundig, dass es dabei nicht um inhaltliche Fragen geht, sondern die Frage der Bezirksamtsleitung im Mittelpunkt steht. Das kann man so machen, das ist auch Teil von Politik. Aber dann sollte man es auch so benennen. Wenn man es inhaltlich betrachtet, ist das Unverständnis darüber schon groß, weil alle Entscheidungen, die dort auf den Weg gebracht wurden, entweder im Koalitionsvertrag vereinbart oder von der Bezirksversammlung gewollt wurden. Deshalb ist es schon sehr verwunderlich, dass man mit Verweis auf bestimmte inhaltliche Schwierigkeiten und Differenzen den Partner wechselt. Und: Bereits Zweier- oder Dreierkonstellationen können herausfordernd sein, wie wir aus Berlin wissen, aber ein Vierer-Bündnis im Bezirk Nord – das ist schon ambitioniert! Und vor allem erzeugt es bei mir die Besorgnis, dass man so eben keine zukunftsorientierte Politik für den Bezirk hinbekommt und am Ende der Stillstand regiert.  

Man kann es wohl einen unfreundlichen Akt nennen unter Koalitionspartnern, die immer beteuern, dass sie im Rathaus recht gut zusammenarbeiten. Was bedeutet Ihre Irritation für die Zusammenarbeit mit der SPD auf Landesebene? 

Es wird keine Auswirkungen auf unsere gemeinsame Arbeit auf der Landesebene haben. Die bewerte ich als sehr erfolgreich, weil wir uns auf die Dinge konzentrieren, die die Stadt voranbringen. Wir packen die Themen und Probleme an, die die Menschen beschäftigen – und lösen sie. Ich halte die rot-grüne Regierung auf Landesebene für eine stabile, die verlässlich für die Hamburgerinnen und Hamburger arbeitet und bei der die Partner wissen, was sie aneinander haben.  

Im aufziehenden Wahlkampf wird dennoch jede Seite versuchen, sich zu profilieren. Werden Sie zur Bürgerschaftswahl als Spitzenkandidatin antreten – es wäre Ihr drittes Mal?

Ja, 2015 bin ich in einer Doppelspitze mit Jens Kerstan angetreten, dann 2020 als Bürgermeisterkandidatin. Ich bin jetzt zehn Jahre als Zweite Bürgermeisterin und Senatorin in Regierungsverantwortung und stelle fest, dass es mir wahnsinnige Freude macht, die Stadt an ganz vielen Stellen voranzubringen. Ich begreife es als ganz großes Privileg. Deshalb möchte ich gern noch einmal als Spitzenkandidatin antreten. Natürlich ist das eine Entscheidung der Partei, wir werden unsere Landesliste erst im November aufstellen, aber ich möchte meinen Hut noch einmal in Ring werfen, um als Bürgermeisterin zu kandidieren. Aus vielen Gesprächen in der Stadt weiß ich, dass der Zuspruch der Menschen in unserer Stadt groß ist. Auch die Ermutigung, die aus der Partei gekommen ist, hat mich dazu gebracht zu sagen: Ja, ich will es noch mal wissen. 

Sie möchten dabei um das Amt der Ersten Bürgermeisterin kandidieren, also auf Augenhöhe mit dem amtierenden Bürgermeister Peter Tschentscher?

Ja, das halte ich ganz sportlich. Wir Grüne wollen auf Sieg spielen, nicht auf Platz. Unser Abschneiden bei den letzten Wahlen vom Bundestag über die Bezirke, die Europa- und auch die letzte Bürgerschaftswahl gibt uns da Rückenwind. Wir sind einmal erste, dreimal zweite Kraft geworden. Ich glaube, da ist alles drin. Unsere Partei ist sehr motiviert, die hat große Lust. 

Da treten Sie erneut in den direkten Wettbewerb mit Ihrem Koalitionspartner um das Bürgermeisteramt. Wie wird sich das auf die Zusammenarbeit im kommenden halben Jahr auswirken?

Ich glaube, das wird eine spannende Auseinandersetzung werden. Ich mache mir aber keine so großen Sorgen. Wir sind alle sehr professionell, arbeiten in der rot-grünen Regierung gut miteinander zusammen und wissen um unsere Stärken und auch, dass wir uns aufeinander verlassen können. Demokratischer Wettbewerb ist einfach Teil unserer Arbeit. Natürlich werden wir im Wahlkampf unser jeweiliges Profil – das Angebot, das wir den Wählerinnen und Wähler machen – stärker in den Vordergrund stellen. Bis dahin haben wir aber noch eine Reihe von Themen, die wir gemeinsam umsetzen wollen. 

Bei der letzten Bürgerschaftswahl haben Sie für die Grünen ein Rekordergebnis von 24,2 Prozent geholt. Damals waren die Grünen allerdings bundesweit sehr im Aufwind, populär wie nie. Das hat sich völlig geändert. Es heißt, derzeit könne die Partei ihre Stammwähler erreichen, mehr aber auch nicht. 

Bei den Bezirkswahlen vor zweieinhalb Monaten waren es hamburgweit auch 23,6 Prozent. Wir haben insgesamt bei den letzten vier Wahlen in Hamburg sehr erfolgreich abgeschnitten. Ja, wir haben bei Bezirks- und Europawahlen Stimmen verloren, und damit setzen wir uns auch intensiv auseinander. Aber wenn ich sehe, dass wir jetzt bei der Europawahl in Hamburg auf Platz eins und bei der Bezirkswahl auf Platz zwei gelandet sind, jeweils mit deutlich über 20 Prozent, dann sind das doch gute Voraussetzungen. Es ist ein prima Absprungbrett, und wir wissen, wie dynamisch die Zeiten derzeit sind. Da kann sich noch viel in die eine oder andere Richtung bewegen. Es stimmt, vor vier Jahren war der Zeitgeist voll auf unserer Seite. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir da auch wieder hinkommen können. 

Wie wollen Sie das schaffen? 

Es geht darum, dass die Menschen uns vertrauen und auch zutrauen, dass wir Probleme lösen. Mit einer Politik, die das Leben der Leute einfacher und besser macht. Wir wollen eine Zuversicht und einen Grundoptimismus ausstrahlen für unser Land, aber eben auch für unsere Stadt, in der die Uhren ja wirklich anders ticken. Wenn ich mir anschaue, wie es uns jetzt gelungen ist, in einer schwierigen Ausgangslage völlig geräuschlos einen Haushalt aufzustellen, der Investitionen in die Zukunft vorsieht, dann stimmt mich das total zuversichtlich, dass hier sehr viel geht. Wir werden hoffentlich in einen Wettbewerb der besten Ideen für diese Stadt kommen. Da werden wir ein gutes Angebot machen. Und: Die Bürgerschaftswahl wird die letzte Wahl vor der Bundestagswahl sein, und ich möchte, dass von Hamburg ein ganz starkes Signal ausgeht: Wir Grüne sind wieder da, mit uns ist zu rechnen. 

Welches Ergebnis würde das denn ausstrahlen, was streben Sie an? 

Ich werde jetzt keine Prozentzahl nennen, aber wir spielen auf Sieg, nicht auf Platz. 

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Da ist die Ampelregierung derzeit nicht unbedingt hilfreich, sie ist wenig populär. Werden Sie überhaupt grüne Bundespolitiker in den Wahlkampf in Hamburg einbinden? 

Es wäre billig, alles auf die Ampel zu schieben. Aber es stimmt: Nach einem wirklich überzeugenden und starken Aufbruch ist sie ziemlich schlapp gelandet. Sie macht es sich aus meiner Sicht auch immer wieder selbst unnötig schwer, schafft es nicht, ihre gemeinsame Politik auch gemeinsam zu erklären. Gleichzeitig für mich ist natürlich klar: Wir stehen hinter unseren Leuten und werden natürlich auch weiterhin gemeinsam dafür kämpfen, die Menschen zu überzeugen.

Wollen Sie also grüne Minister und Ministerinnen einbinden in den Wahlkampf?

Es gibt viele Fachminister, die wirklich einen hervorragenden Job machen wie den Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Es ist ihm gelungen, in Windeseile der Energiewende neuen Schwung zu geben, unser Land unabhängig von russischem Gas zu machen und eine Gasmangellage abzuwenden. Das ist durch die schlechte Kommunikation rund um das Heizungsgesetz fast in den Hintergrund geraten. Aber wenn man sich ansieht, was Robert Habeck an wirklichen Veränderungsinitiativen für dieses Land auf den Weg gebracht hat und jetzt beispielsweise einen Industriestrompreis erreicht hat, der so niedrig ist wie seit vielen, vielen Jahren nicht mehr, dann muss man sagen: Er ist jemand, der auf der einen Seite sein Handwerk beherrscht und auf der anderen Seite auch als Vizekanzler eine Rolle wahrnimmt, die ich mir manchmal vom Kanzler wünschen würde – nämlich Dinge einzuordnen und zu erklären, Orientierung zu geben, auch ehrlich Fehler einzugestehen. Also natürlich sind beispielsweise Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir grüne Spitzenpolitiker, die wir auf jeden Fall herzlich in Hamburg willkommen heißen. 

Unterstützen Sie Robert Habeck als grünen Kanzlerkandidaten?

Ich finde, Robert Habeck ist genau der Richtige, um die Grünen in einer führenden Rolle in den Bundestagswahlkampf zu führen.