Hamburg. Bande hatte es auf Bargeld und Schmuck abgesehen. Verteidiger machen soziale Herkunft der Täterin verantwortlich. Wie Gericht entschied.
Katrin Albrecht
Die alte Dame vertraute der vermeintlichen Bankangestellten, die an ihrer Haustür in Winterhude klingelte. So händigte ihr die 92-Jährige zunächst Bargeld und Schmuck im Wert von 3000 Euro aus – doch sie war einer Betrügerbande aufgesessen.
Drei Jahre nach dem versuchten Diebstahl hat das Amtsgericht Hamburg am Montagnachmittag eine Strafe verhängt. Die 34-jährige Angeklagte M. wurde zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Im Juni 2021 hatte sie sich unter einer falschen Identität Zugang zum Haus der Seniorin verschafft und versucht, Bargeld und andere Wertgegenstände zu stehlen.
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Während der Verhandlung am Montagvormittag gestand M. den Diebstahlversuch. Sie sei jedoch weder in die Vorbereitung der Tat verwickelt gewesen, noch habe sie letztendlich Geld entwendet. Die Staatsanwaltschaft warf M. zunächst gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahl vor. Sie habe sich vorsätzlich als Bankangestellte ausgegeben und so erreicht, dass die 92-Jährige G. ihr Bargeld und Schmuck im Wert von 3000 Euro gab. Beim anschließenden Versuch, den Tresor im Keller zu öffnen, kam dann der Neffe des Opfers dazu. Die Tatverdächtige floh. Sie habe dabei die Wertgegenstände zurückgelassen, sagte die Angeklagte im Prozess.
Der Neffe bestätigte M.s Aussagen vor Gericht. Zudem konnte der Tathergang mithilfe der umfänglichen Aufnahmen der Überwachungskameras im Haus des Opfers rekonstruiert werden. Der Neffe, der für die Pflege seiner inzwischen verstorbenen Tante verantwortlich war, hatte die Kameras im Zuge mehrerer Unfälle installiert und so am Tattag beobachten können, wie sich M. Zutritt verschaffte.
Anwälte argumentieren in Hamburg mit ethnischer Herkunft der Angeklagten
Im Mittelpunkt der Verhandlung vor dem Amtsgericht St. Georg stand die Rolle der Mittäter, die bislang nicht ermittelt werden konnten. Sie hatten M.s Besuch bei der alten Dame angekündigt und den Diebstahl vorbereitet. Die Videoaufnahmen zeigen, wie die Rentnerin vor M.s Ankunft lange mit den Unbekannten telefonierte und auch M. mit ihnen während der Tat ohne Pause telefonisch in Kontakt stand.
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Die Anwälte der Angeklagten argumentierten mit der ethnischen Herkunft ihrer Mandantin. Als Roma sei sie mit patriarchalen Strukturen und traditioneller Rollenvorstellung aufgewachsen, die es ihr nicht erlaubt hätten, die Tat nicht zu begehen. „Ich war gezwungen, das zu machen. Ich bin nur ihren Anweisungen gefolgt. Ich wollte das nicht“, erklärte M.
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Nachdem keine Wertgegenstände vermisst worden waren, sprach das Gericht in der Urteilsverkündung von einem versuchten Diebstahl im besonders schweren Fall. Es entschied sich trotz der einschlägigen Vorbestrafungen dazu, die Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung auszusetzen. „Sie haben Bewährung bekommen, weil Sie Ihre Lebensverhältnisse geändert haben und seitdem auch nicht mehr straffällig geworden sind“, sagte der Richter zu M.
Kurz nach dem Vorfall in Winterhude hat M. ihre Familie und ihre Angehörigen verlassen. Inzwischen lebt sie mit ihren fünf Kindern und ihrem Lebensgefährten in der Nähe von Hanau und sitzt derzeit eine achtmonatige Haftstrafe ab.