Hamburg. Zahl der Taten steigt rasant. Täter setzen vermehrt auf das Internet. Gewerkschaft: „Ermittlungen sind oft schwierig“.

Was oft mit Unachtsamkeit angefangen hat, kommt regelmäßig als Stapel von Handakten in die Abteilung 55 des Landeskriminalamts. Strafanzeigen wegen Betrugs: wegen nicht erhaltener Ware, gestohlener Identitäten und Abzocke durch trickreiche Kriminelle. Bis zu 35 Fälle hat jeder Beamte gleichzeitig auf dem Tisch. Im Jahr 2018 summierten sich die Verfahren auf eine riesige Zahl: 33.000 Fälle.

Die ansteigenden Betrugszahlen alarmieren die Polizeiführung und Vertreter der Beamten gleichermaßen. „Wir nähern uns dem Punkt, an dem nicht mehr alle Fälle, sondern nur schwerere Taten bearbeitet werden können“, sagt Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Vor allem Betrügereien im Internet haben sich zum Massenphänomen ausgeweitet. „Es ist nicht nur die Anzahl der Fälle“, sagt Reinecke. „Die Geschwindigkeit unserer Internetverbindung im Präsidium reicht zum Beispiel nicht aus, um den Tätern effektiv auf die Spur zu kommen“.

Der Chef des Landeskriminalamts, Frank-Martin Heise, hat bereits 2018 veranlasst, die internen Strukturen neu aufzustellen. Trotz sinkender Gesamtkriminalität sind Betrugsfälle das Sorgenkind der Hamburger Polizei. Die Gründe werden auch darin gesehen, dass es den Tätern leicht gemacht wird, teure Produkte auf den Namen von Verbrauchern zu bestellen. Die Betrüger gehen oft nach ähnlichen Maschen vor.

Der Bestellungsbetrug: Dubiose Händler im Internet, die Kunden um ihr Geld prellen, sind seit Jahren einer der Hauptgründe dafür, dass die Fallzahlen steigen. Dabei lassen sich laut Polizei viele Taten mit gesundem Menschenverstand verhindern. Besondere Vorsicht sei bei Marken-Angeboten geboten. „Ein Angebot, das zu gut ist, um wahr zu sein, ist es meist auch“, sagt Wiro Nestler, Betrugsexperte bei der Hamburger Polizei. Hilfreich sei ein genauer Blick auf die Bewertungsprofile des Händlers. Auch die von der Initiative D 21 unterstützten Gütesiegel könnten eine gewisse Sicherheit bieten. Bei der Zahlung rät die Polizei von Bargeld-Transfer-Diensten wie Western Union oder Money Gram dringend ab.

Auf der anderen Seite nutzen Betrüger immer häufiger die Identität von unbeteiligten Hamburgern, um im Internet Ware zu bestellen. Die Geschädigten müssen sich anschließend mit den Forderungen der Händler, Inkassofirmen und möglichen Einträgen bei der Schufa auseinandersetzen. Auch Bürgerschaftsabgeordnete sind wiederholt Opfer dieser Masche geworden. Neben einem sensiblen Umgang mit den eigenen Daten können Verbraucher wenig dagegen unternehmen. „Vor allem große Händler haben kaum Sicherheitsvorkehrungen, das öffnet den Betrügern die Tür“, sagt der Gewerkschafter Jan Reinecke. Die Unternehmen erstatten oft nicht einmal Strafanzeige, wenn sie selbst geschädigt werden. „Das wird einfach eingepreist“, so Reinecke.

Der Enkeltrick: Er steht für eine perfide Masche, bei denen sich die Täter am Telefon als Verwandter in einer Notlage oder als Polizist ausgeben, der vor einer Gefahr warnt. In der Regel stecken hinter den Taten gut organisierte Banden, die aus dem Ausland gezielt ältere Menschen anrufen. Sie geben sich als Verwandte aus und täuschen eine Notlage vor. Die Bereitschaft zu helfen wird dabei schamlos ausgenutzt. Es sind in der Regel große, meist fünfstellige Summen die „gebraucht“ werden. Sie selbst, so gaukeln sie vor, könnten das Geld nicht abholen. Das würde ein vertrauenswürdiger Freund von ihnen machen.

Im Fall von falschen Polizisten wird den Opfern vorgegaukelt, dass sie sich in akuter Gefahr befinden, bestohlen zu werden. Gern wird dabei behauptet, sie stünden auf einer Liste, die bei festgenommenen Verbrechern gefunden wurde. Auch wird vor den Mitarbeitern ihrer Bank gewarnt, die mit den Tätern unter einer Decke stecken würden.

Die Polizei geht mit Prävention gegen diese Masche vor. Bankmitarbeiter werden geschult, um zu erkennen, wenn Kunden von ihnen Opfer dieser Masche geworden sein könnten. Es wird geraten, beim kleinsten Verdacht die 110 zu wählen.

Die Nigeria-Connection: Früher per Brief oder Fax versandt, heute als E-Mail verschickt werden Offerten von angeblichen Bankmitarbeitern gemacht, die eine hohe Summe, meist einen Millionenbetrag, entdeckt haben. Das ist mal unterschlagenes Geld oder die anstehende Erbschaft eines Verstorbenen, von dem man der einzige, aber sehr weit entfernte Verwandte sein soll. Der Trick: Bevor man das Geld bekommt, muss man für Aufwendungen wie Gebühren, Anwalt oder Sonstiges zahlen.

Der Rechnungsbetrug: Nach einem Todesfall in der Familie landet plötzlich die Rechnung für eine schlüpfrige Dienstleistung in der Post. Meist wird mit einem Rechtsstreit gedroht, bei dem alle möglichen peinlichen Details zur Sprache kommen würden. Die Täter setzen darauf, dass die Angehörigen die Forderung begleichen.

Der gekaperte Rechner: Auch hier geht es um Peinlichkeiten, die das Opfer vermeiden will. Ihnen wird vorgegaukelt, dass ein Hacker ihren Rechner übernommen hätte und sie über die installierte Kamera gefilmt hätte, während man Schmuddelfilme geschaut hätte. Einen Zusammenschnitt von dem Film und die Aufnahmen über die Kamera würden an alle Kontakte aus seinem E-Mail-Programm verschickt. Der Täter würde das lassen, wenn man ihn in einer digitalen Währung bezahle. Tatsächlich hat der Täter nie Zugriff auf den Rechner gehabt und somit keine Filmaufnahmen. Der Rat der Polizei: ruhig bleiben und sich vertrauensvoll an die Beamten wenden.