Hamburg. Die Sommerspiele in Paris verzaubern die Welt. Hamburg galt bei der Bewerbung als der härteste Konkurrent – aber nahm sich selbst aus dem Spiel.

Paris verzaubert: Nicht nur Sportfans verfallen der Magie dieser Olympischen Sommerspiele. Was mit einer großartigen, bunten und fantasievollen Eröffnungsfeier begann, trägt nun seit Wochen ein ganzes Land und neigt sich dem Ende entgegen. Man muss schon von notorischer Nörgelsucht befallen sein, um über diese Spiele zu meckern. Ja, das Wetter könnte besser sein. Die Seine war nicht so sauber wie geplant, manche meckern über das Essen, und der Staat muss die Spiele martialisch sichern.

Aber sonst? Ein Fest des Sports, der Begeisterung und eine wunderbare Inszenierung eines Landes, das plötzlich seine Selbstzweifel überwindet und nicht nur stolz auf das Geleistete, sondern auch die eigenen Sportler ist. Im Medaillenspiegel liegen die Franzosen auf Rang vier – dort, wo früher die Deutschen lagen. Die Olympiabegeisterung trägt die Sportler, motiviert junge Menschen, und die Spiele schaffen eine ganz neue Infrastruktur in Paris.

Bis 2015 lebte der olympische Traum in Hamburg

Das alles hätte auch in Hamburg möglich werden können – bis zur Volksabstimmung 2015 lag die Hansestadt gut im olympischen Rennen. Nach dem Verzicht bekamen die beiden letzten Bewerber Paris und Los Angeles die Spiele für 2024 und 2028 sogar kampflos. Nun fahren die Radprofis auf den Montmartre statt den Waseberg, die Schwimmer kraulen durch die ­Seine statt durch die Alster, und der Marathon führt vom Pariser Rathaus zum Eiffelturm statt vom Rathausmarkt zur Elbphilharmonie.

Hamburg wäre heute eine andere Stadt – die Dauerbaustellen, über die wir uns nun noch einige Jahre ärgern dürfen, lägen seit Sommer hinter uns. Dafür hätte Hamburg heute nicht nur ein modernisiertes und deutlich erweitertes U- und S-Bahn-Netz, sondern auch einen erweiterten Hauptbahnhof, einen ausgebauten Harburger Bahnhof und viele Kilometer neuer attraktiver Rad- und Fußwege.

Hamburg hätte einen neuen Stadtteil bekommen – und eine großartige Infrastruktur

Der Grasbrook, auf dem derzeit nur das Unkraut wächst, wäre ein faszinierender Stadtteil geworden: Dort stünde das olympische Dorf mit einem filigranen Stadion für 60.000 Besucher im Herzen. Die Nachnutzung war fester Bestandteil der Planung – Teile des Stadions wären in Kürze zu Wohnungen umgebaut geworden, das Olympiazen­trum zum Kreuzfahrtterminal; die Schwimmhalle hätte sich in ein Erlebnisbad für alle Hamburger verwandelt, Sprungtürme, Saunen und Rutschen inklusive. Schon im September sollten die ersten Hamburger ins olympische Dorf einziehen. Selbst die Turmruine an den Elbbrücken wäre vielleicht schon ein Wolkenkratzer – einen Baustopp hätte es vermutlich nicht gegeben.

Alles das, was Paris derzeit so sympathisch macht, war Teil des Hamburger Konzeptes: nachhaltige Spiele am Wasser, kombiniert mit kurzen Wegen.

Hamburg wäre endlich Sportstadt geworden

Auch nach Olympia wäre die Sportbegeisterung heimisch geblieben: Hamburg hätte nicht nur neue Stadien, sondern perfekt sanierte Flächen im Volkspark, am Rothenbaum, in Klein Flottbek oder auf der Dove Elbe. Hamburgs Olympia-Plan umfasste zwölf Schwimmhallen, 37 Sporthallen und 62 Sportfelder für den Breitensport.

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All die Ziele, die wir seit Jahrzehnten diskutieren, hätten wir mit einem einzigen großen Wurf erreicht: den Sprung über die Elbe, die Aufwertung im Osten, mehr Stadt in der Stadt. Selbst der Hafen hätte sich auf Steinwerder und auf der Kattwykinsel wettbewerbsfähig neu aufstellen können. Möglicherweise wäre sogar Olaf Scholz noch immer Bürgermeister. Das wäre vielleicht das Beste gewesen für die Stadt, das Land und auch für ihn. Aber wie sagte schon zu Kindertagen der Hamburger Peer Steinbrück?: hätte, hätte, Fahrradkette.

Der Traum scheiterte nicht an Politik oder Funktionären, sondern an uns allen

Hamburgs Olympia-Ambitionen misslangen. Sie scheiterten aber nicht an korrupten Funktionären, an mutlosen Politikern oder hauptamtlichen Bedenkenträgern, sondern an uns: Gerade einmal 314.468 Hamburger hatten sich in der denkwürdigen Olympia-Volksabstimmung am 29. November 2015 für Sommerspiele in der Stadt ausgesprochen, 335.638 waren dagegen. Und 648.829 Bürger hatten gar nicht mitgestimmt. Der Traum von Olympia, der seit der ersten Idee 2001 immer größer geworden war, platzte wie eine Seifenblase.

Mutlose Bedenkenträger, das waren wir alle.