Hamburg. Parteien rechts der Mitte gewinnen, die Linke geht unter – das hat viel mit den progressiven Eliten zu tun.
Es ist acht Jahre her, da rieb sich die Welt verwundert die Augen. In den USA – eben noch regiert vom sympathischen Barack Obama – hatten die Menschen einen Halbverrückten mit orangen Haaren gewählt. Entgegen aller Erwartungen saß nicht Hillary Clinton, die Favoritin der liberalen Welt, im Oval Office, sondern ein irrlichternder Trash-TV-Held: Donald Trump.
Eine kluge Analyse lieferte damals Bastian Hermisson von der grünen Heinrich-Böll-Stiftung. Er erklärte Trumps Wahlsieg so: „Wir haben offensichtlich ein massives Problem mit der Selbstbezogenheit der progressiven Eliten. Das liberale Establishment in den USA hat das Verständnis vom eigenen Land, von großen Teilen der eigenen Gesellschaft verloren.“
Die Linke wurde vom Wähler geradezu zerrupft
Nach der Europa-Wahl muss man konstatieren: Das Gleiche gilt für Deutschland. Wer führenden Sozialdemokraten und Grünen lauscht, ahnt: Realitätsverlust ist ansteckend. Noch nie ist die politische Linke so gerupft aus Wahlen hervorgegangen wie jetzt. Die stolze Sozialdemokratie fällt auf 13,9 Prozent, die Grünen sackten auf 11,9 Prozent.
Und Die Linke, die mit dem Aktivistenliebling Carola Rackete von der Seenotrettung und Extinction Rebellion in den Wahlkampf zog, kam als Kleinstpartei wieder heraus. Die drei Parteien erreichen zusammen 28,5 Prozent. 2019 waren es 41,8, fünf Jahre zuvor sogar 45,4 Prozent.
Die Rechten sind so stark, weil die Linken so schwach sind
Dafür gibt es zwei Erklärungsansätze. Die eine lautet: Die Parteien rechts von der Mitte haben plötzlich grandiose Figuren, die die Menschen begeistern. Das ist angesichts von 30 Prozent bei Friedrich Merz, gottlob kein Trump, und Gestalten wie Maximilian Krah von der AfD eine gewagte These. Oder Erklärungsansatz 2: Die linken Parteien haben ziemlich viel ziemlich falsch gemacht.
Es stimmt ja, dass das Merkel-Erbe und der russische Angriffskrieg Politik enorm erschwert haben. Das hätten die Wähler den Parteien sicherlich verziehen, wenn sie das Gefühl hätten, ihre Probleme würden wahrgenommen. Leider ist das Gegenteil der Fall.
Viele Probleme werden nicht wahrgenommen
68 Prozent erwarten eine bessere wirtschaftliche Lage, 67 Prozent eine bessere Steuerung der Zuwanderung. Durch die Polarisierung im Land galten allein diese Forderungen vielen linken Politikern schon als tendenziell rechts. Also böse. Die Wirtschaftslage wurde deshalb gesund gebetet, die Migration schöngeredet oder beschwiegen.
Wenn die Ampel gehandelt hat, dann eher kontraproduktiv: Das Bürgergeld hat den Arbeitskräftemangel verschärft, die erleichterte Einbürgerung Deutschland als Ziel für Flüchtlinge noch attraktiver gemacht. Aus dem nachvollziehbaren Impuls, alles ganz anders als die AfD zu machen und am liebsten das Gegenteil umzusetzen, hat man viele wohlmeinende Wähler vergrätzt.
SPD, Grüne und Linke toben sich auf dem Feld der woken Identitätspolitik aus
SPD, Grüne und Linke haben sich auf dem Feld der woken Identitätspolitik ausgetobt, auf dem man nur verlieren kann. Mit der Freigabe von Cannabis gewinnt man ein paar Kifferherzen, mit dem freien Wechsel des Geschlechts eine laute Minderheit, zugleich signalisiert man der Mehrheit aber: Eure Sorgen sind uns egal. Und als gelte es, sich besonders progressiv abzuheben, spricht man nicht einmal mehr die Sprache der Menschen, sondern gendert, nutzt Sprache also nicht mehr zur Verständigung, sondern zur Abgrenzung.
Der frühere Grünen-Politiker Boris Palmer, von der Partei verjagt, brachte es auf die schlichte, aber nicht falsche Formel: Inflation + Wokeness + Migrantengewalt = AfD. Interessant zu sehen: In Hamburg hatte die AfD bei der Briefwahl – zum großen Teil vor dem Messermord von Mannheim abgestimmt – sogar verloren, bis sie an den Wahlurnen groß aufdrehte.
Politik für die eigene Blase verspricht keine Erfolge
Man kann weiter in seiner Blase – beklatscht von manchen Journalisten – so weiterregieren. Aber dann hat sich jede linke Mehrheit für die kommenden Jahre erledigt. Der Erfolg des Bündnisses Sahra Wagenknecht zeigt, dass gerade die sogenannten „kleinen Leute“ einen starken Staat wollen, der sich um Wirtschaft und Wohlstand kümmert, die Grenzen sichert und Sicherheit garantiert.
Man kann das für „rechts“ halten, aber dann macht sich die Linke klein. Arbeiter haben zu 33 Prozent AfD gewählt, die jungen Leute vor allem Union (17) und AfD (16). Linke Parteien gehen geschlagen vom Platz. Oder um mit Bastian Hermisson zu sprechen: „Das liberale Establishment hat das Verständnis vom eigenen Land, von großen Teilen der eigenen Gesellschaft verloren.“
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Oder um mit Bastian Hermisson zu sprechen: „Das liberale Establishment hat das Verständnis vom eigenen Land, von großen Teilen der eigenen Gesellschaft verloren.“