Hamburg. Nach dem Verbot des Islamischen Zentrums durch Bundesinnenministerin Faeser gibt es nun vereinzelt Proteste. Wie die Polizei damit umgeht.
Nach der Razzia im Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) und dem Verbot durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch haben unbekannte Unterstützer Plakate am Eingang der Blauen Moschee angebracht. Auf zwei Zetteln war am Donnerstag zu lesen: „Diese Räume haben mir Zuflucht geboten, als die Last der Welt zu schwer geworden war“ und „Ihr habt niemandem das Handwerk gelegt, ihr habt Gläubigen ihr Obdach genommen.“ Die Plakate wurden nach einiger Zeit von der Polizei entfernt.
Das Innenministerium hatte das Verbot des IZH am Mittwoch mit grundgesetzwidrigen und verfassungsfeindlichen Aktivitäten begründet. „Zweck und Tätigkeit des IZH richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung und laufen Strafgesetzen zuwider“, hieß es.
Die Bundesregierung nannte das IZH eine „extremistische Organisation des Islamismus“. Verboten wurden gleichzeitig auch die Teilorganisationen „Islamische Akademie Deutschland e.V.“, der „Verein der Förderer einer iranischen-islamischen Moschee in Hamburg e.V.“, das „Zentrum der Islamischen Kultur e.V.“ in Frankfurt (Main), die „Islamische Vereinigung Bayern e.V.“ in München und das „Islamische Zentrum Berlin e.V.“. Das Vermögen wurde beschlagnahmt, 53 Objekte in Hamburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen sowie Bayern wurden zeitgleich durchsucht. Allein in Hamburg wurden 30 Objekte durchsucht.
Islamisches Zentrum: Blaue Moschee in Hamburg geschlossen
Darunter war auch die Akademie des IZH, in der unter Leitung von Mohammad Hadi Mofatah angehende Imame ausgebildet werden und auch wohnen. Das dreigeschossige, schmucklose Gebäude in Waschbeton-Optik steht in der Nähe des Flughafens in Groß Borstel. Das IZH nutzt das Gebäude seit 2017 als Akademie. Dem Verbot des Iran-gesteuerten Zentrums waren im November bundesweite Razzien – auch in den Gebetsräumen – und monatelange juristische Prüfungen vorausgegangen.
Mehrere Mannschaftswagen, der technische Zug, Hunderte Beamte – die Polizei war schon am frühen Mittwochmorgen an der besten Hamburger Adresse an der Außenalster angerückt – und an weiteren Orten in der Stadt, die dem IZH zugeordnet werden. Pünktlich um 6 Uhr verschafften sich maskierte Polizisten Zugang zum Gelände mit der Blauen Moschee. Zum Einsatz brachten sie unter anderem mehrere Kettensägen mit.
Seit Jahren schon warnt der Hamburger Verfassungsschutz vor der Imam-Ali-Moschee und dem IZH, als dem „verlängerten Arm“ des Mullah-Regimes. Der Iran, der hinter der Moschee steckt, unterstützt nicht nur die Hamas-Terroristen im Gazastreifen, sondern auch die radikal-islamische Hisbollah im Libanon oder die Huthi-Rebellen im Jemen.
Islamisches Zentrum in Hamburg: Das sagt die Bundesinnenministerin
Aus Sicht von Nancy Faeser hat das Islamische Zentrum eine islamistische, totalitäre Ideologie in Deutschland propagiert, die sich gegen die Menschenwürde, gegen Frauenrechte, gegen eine unabhängige Justiz und gegen unseren demokratischen Staat gerichtet habe. „Außerdem unterstützen das ‚Islamische Zentrum Hamburg‘ und seine Teilorganisationen die Terroristen der ‚Hizb Allah‘ und verbreiten einen aggressiven Antisemitismus“, so die Bundesinnenministerin. Der schwere Verdacht habe sich nach den Razzien im November so erhärtet, dass man jetzt das Verbot aussprechen konnte. „Dem Treiben dieser Islamisten haben wir damit ein Ende gesetzt. Das ist ein weiterer konsequenter Schritt gegen islamistischen Extremismus“, sagte die SPD-Politikerin.
Wichtig sei ihr eine Differenzierung, so Faeser: Die Bundesregierung handele nicht gegen eine Religion. „Wir unterscheiden klar zwischen Islamisten, gegen die wir hart vorgehen, und den vielen Musliminnen und Muslimen, die zu unserem Land gehören und ihren Glauben leben. Die friedliche schiitische Glaubens- und Religionsausübung ist ausdrücklich nicht von unserem Verbot berührt.“
Islamisches Zentrum: Das sagen Bürgermeister Tschentscher und Senator Grote
Für Bürgermeister Peter Tschentscher „tut dieser Tag Hamburgs Stadtgesellschaft gut“, wie er am Mittwoch erklärte. „Radikaler Islamismus und Antisemitismus haben keinen Platz in einer weltoffenen, demokratischen und freien Hansestadt.“ Die Sicherheitsbehörden der Stadt beobachteten das IZH seit vielen Jahren intensiv, seien konsequent gegen das IZH vorgegangen und hätten das Verbotsverfahren des Bundes mit ihren Erkenntnissen wirksam unterstützt. „Ich danke Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Hamburgs Innensenator Andy Grote, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Hamburger Landesamt Verfassungsschutz für ihr konsequentes Vorgehen und ihren wichtigen Einsatz für den Rechtsstaat und die Demokratie in Deutschland“, so Tschentscher.
„Das Islamische Zentrum Hamburg ist mit dem heutigen Tag Geschichte. Die Schließung dieses Außenpostens des menschenverachtenden iranischen Regimes ist ein echter Wirkungstreffer gegen den islamischen Extremismus“, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote. Der Rechtsstaat bekämpfe die Feinde der Demokratie hart und wirkungsvoll. „Der Druck unserer Sicherheitsbehörden hatte zuletzt schon dazu geführt, dass das IZH die Schura verlassen musste und wir den stellvertretenden Leiter ausweisen konnten. Wir werden auch in Zukunft mit aller Härte und Konsequenz gegen jede Form des Islamismus vorgehen und dabei alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, so Grote.
Blaue Moschee: IZH gilt als eine der beiden wichtigsten Vertretungen des Iran in Deutschland
Für den langjährigen Hamburger Verfassungsschutzchef Torsten Voß ist das Islamische Zentrum eine „extremistische und vom Iran gesteuerte Einrichtung“. Der Hamburger Nachrichtendienst werde auch nach der Schließung des IZH „jede Form des Islamismus im Fokus behalten und die Öffentlichkeit, wann immer möglich, als Frühwarnsystem der Demokratie informieren“.
Der Leitartikel zum Thema
- Blaue Moschee in Hamburg: Das Verbot war überfällig
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht nennt die schiitische Moschee und deren Trägerverein eine „wichtige proiranische Einrichtung“. Die Position des IZH-Leiters werde traditionell mit einem linientreuen Anhänger der iranischen Staatsdoktrin und der islamischen Revolutionsziele besetzt. In der Moschee, hat der Nachrichtendienst beobachtet, würden auch Kinder in Arabisch, Farsi und Deutsch in Religion unterrichtet.
Das IZH gilt neben der Botschaft in Berlin als die wichtigste Vertretung des Iran in Deutschland. „Das IZH hat ein bundesweites Kontaktnetz innerhalb der zahlreichen schiitisch-islamischen Moscheen und Vereine aufgebaut und übt großen Einfluss bis hin zur vollständigen Kontrolle aus“, so der Verfassungsschutz. Der Dienst warnt vor „einer deutlich antisemitischen und antiisraelischen Grundeinstellung in schiitisch-extremistischen Kreisen“.
Zuletzt hatte nach einem iranischen Angriff auf Israel im April der Zentralrat der Juden ein Verbot des Islamischen Zentrums als „zwingend“ eingefordert. „Hinter dem IZH steht: ein verbrecherischer Staat, der einen Terrorkrieg gegen die westliche Welt und Israel führt“, so Zentralratspräsident Josef Schuster. „Das IZH sollte umgehend geschlossen und verboten werden“, forderte Schuster in der „Welt“. Das ist jetzt passiert.
Razzia an 54 Orten im November
Rückblende: Hunderte Polizistinnen und Polizisten dringen am frühen Morgen des 16. November 2023 bei gleichzeitigen Razzien in die Blaue Moschee und 53 weitere Häuser sowie Wohnungen in sieben Bundesländern ein. Mit Lastwagen fährt die Polizei die beschlagnahmten Mobiltelefone, Tablets, Computer, aber auch Bücher, Schriftstücke, Flugblätter und Akten ab. Selbst ein Tresor ist darunter. Die Polizei bringt Geldzählmaschinen mit zur Razzia an die Außenalster, Stemmeisen, Werkzeug, um Wände auf der Suche nach geheimen Verstecken einzureißen, und einen 3-D-Scanner, um das Gebäude von innen digital zu vermessen. Unter höchster Geheimhaltung hatte das Bundesinnenministerium die Razzia – wie jetzt auch die Schließung – geplant, in Hamburg war nur ein ganz kleiner Zirkel eingeweiht.
Offensichtlich war die November-Razzia erfolgreich, jedenfalls erscheinen die Ergebnisse der Innenministerin ausreichend, das Verbot bei einer Klage des IZH notfalls auch von einem Gericht bestätigen zu lassen. Nancy Faeser hatte im Anschluss an die Razzia – die fand fünf Wochen nach dem palästinensischen Terrorüberfall auf Israel statt – „hohe Wachsamkeit“ gegenüber israelfeindlichen und antisemitischen Strömungen innerhalb Deutschlands versprochen. Die Sozialdemokratin kündigte ein „konsequentes Vorgehen“ gegen mutmaßliche Terror-Unterstützer in Deutschland an. Gegenüber dem Abendblatt sprach Faeser von einer Schreckensherrschaft der Mullahs und einem „Regime der Unterdrückung“.
Bürgerschaft streitet um Umgang mit der Schura
Seit Jahren schon streiten die Parteien in der Hamburgischen Bürgerschaft über einen konsequenten Umgang mit dem IZH und der Schura. Hierin haben sich der Rat der islamischen Gemeinschaften, der Ditib-Landesverband Nord und der Verband der Islamischen Kulturzentren zusammengeschlossen. Hamburg war 2012 als erstes Bundesland Verträge mit den muslimischen Verbänden eingegangen. Darin sind – ähnlich wie mit den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde – die Grundlagen des Zusammenlebens geregelt. Von Anfang an Vertragspartner der Stadt: auch das Islamische Zentrum. Erst im Herbst 2022 erklärte das IZH nach hohem politischen Druck den Austritt. So blieb es der Schura erspart, das Islamische Zentrum rauszuwerfen. Der Hamburger CDU reichte der Austritt nicht. Aus ihrer Sicht grenzt sich die Schura nicht ausreichend von extremistischen Gruppierungen und dem Islamischen Zentrum ab.